Windows Vista:Fensterwischerei

Innovation oder Apple-Abklatsch? Über Microsofts neues Betriebssystem Windows Vista gibt es sehr unterschiedliche Ansichten. Ein Erfahrungsbericht.

Jörg Donner

Rund 95 Prozent der Computer weltweit laufen mit Betriebssystemen der Windows-Familie von Microsoft. Das Unternehmen erzielt damit und dem Softwarepaket "Office" mehr als die Hälfte seines Umsatzes und fast seinen gesamten Gewinn. Mit dem Start der neuen Oberfläche hat sich Microsoft sechsJahre Zeit gelassen, dementsprechend hoch sind die Erwartungen an Vista. Seit 30. November ist das Programm bereits für Unternehmenskunden zu haben, morgen startet der Verkauf für Privatanwender.

Windows Vista: Vista ist in vielen Bereichen besser als XP, aber nicht in allen

Vista ist in vielen Bereichen besser als XP, aber nicht in allen

(Foto: Collage: sde)

Die Preise für Vista liegen je nach Produktvariante zwischen 120 und 520 Euro. Die neue Office-Version, die ebenfalls ab morgen erhältlich ist, kostet zwischen 150 und 800 Euro. Deutlich billiger als die normalen Ladenpreise sind "System-Builder-Versionen". Dabei handelt es sich um vollwertige Software-Pakete, die ursprünglich für vorinstallierte Computer von Händlern und Herstellern vorgesehen waren.

Seit einem Urteilsspruch des Bundesgerichtshofs im Jahr 2000 ist es Händlern aber erlaubt, diese sogenannten OEM-Versionen ohne Hardware-Bindung zu verkaufen. Der einzige Nachteil für Kunden besteht darin, dass kein Anspruch auf kostenlosen Support besteht und das Softwarepaket ohne bunte Verpackung und Handbuch ausgeliefert wird.

Nur ein Apple-Abklatsch?

Auf den ersten Blick bietet Vista vor allem eine neue Optik. Was Microsoft-Manager Kevin Johnson mit dem "Wow-Effekt" beschreibt, halten kritische Stimmen für einen Abklatsch des Betriebssystems von Apple. So ist das grafisch animierte Umschalten zwischen geöffneten Fenstern seit geraumer Zeit Bestandteil von Mac OS. Auch die sogenannten Gadgets - Applikationen auf dem Desktop - kennen Apple-Kunden bereits unter dem Namen "Widgets".

Für Spott sorgt in Internet-Foren auch der Hinweis Microsofts auf die verbesserte Suchfunktion. Durch eine Indexierung sämtlicher Dateien auf dem Rechner sollen Dokumente, Bilder und Programme deutlich schneller gefunden werden, neben dem Dateinamen werden auch die Inhalte von pdf- oder Word-Dateien nach dem Suchbegriff gescannt. Diese Funktion ist ebenfalls bereits Bestandteil des Apple Betriebssystems.

Sicher ins Netz?

Geteilter Meinung sind Fachmedien und Softwarehersteller bezüglich der Sicherheit von Vista. Microsoft kündigt es als das "sicherste Betriebssystem aller Zeiten" an, die Computer Bild bewertete die Sicherheitsfunktionen mit der Note 2,1. Der Vorgänger XP hatte beim Test noch mit Note 3,82 abgeschnitten.

Vor allem die neue Komponente "Defender" soll vor Angriffen aus dem Netz schützen. Laut eines Tests des Softwareherstellers Webroot zeigt dieser Schutzmechanismus Mängel. So seien 84 Prozent der häufigsten Spyware-Programme ungehindert auf das Testsystem gelangt.

Hersteller von Virenscannern wie Symantec, Kaspersky oder Norton bescheinigen Vista zwar prinzipiell "gute Ansätze", jedoch sei der Schutz nicht ausreichend. Allerdings stehen momentan noch kaum Antiviren-Lösungen für Vista zur Verfügung. Die meisten Hersteller wollen erst im März ihre angepassten Versionen auf den Markt bringen.

Fensterwischerei

Vista im Check

Ein Nachteil von Windows Vista im Vergleich zu seinen Vorläufern ist der deutlich gesteigerte Hunger nach Systemressourcen. Microsoft empfiehlt für die Installation einen Arbeitsspeicher (RAM) von mindestens einem Gigabyte und eine Grafikkarte mit mindestens 64 Megabyte RAM. Außerdem fordert Vista mit fast sieben Gigabyte deutlich mehr Speicherplatz für die Systemdateien als seine Vorgänger. Windows 2000 und XP gaben sich noch jeweils mit rund zwei Gigabyte zufrieden.

Im Test von sueddeutsche.de ließ sich Vista zwar problemlos auf Rechnern mit geringeren Leistungsmerkmalen installieren, allerdings fehlen dann vor allem grafische Features wie die "Aero-Oberfläche" mit durchsichtigen Fenstern. Die Suchfunktion verliert durch einen langsamen Prozessor und geringen Arbeitsspeicher ihre Vorteile gegenüber der bisherigen Suche. Trotz Indexierung dauert der Prozess lange.

Neuinstallation oder Upgrade?

Zur Verwirrung könnte es bei den Anwendern bei der Auswahl der verschiedenen Produktvarianten kommen. unterscheidet Microsoft allein fünf verschiedene Versionen. Alle Möglichkeiten bietet nur "Vista Ultimate", die kleinste und billigste Variante ist "Home Basic". Welche Version für den eigenen Bedarf die richtige ist, hängt vor allem von den Anforderungen an das Betriebssystem ab. So richten sich die "Business"- und "Enterprise"-Editionen vor allem an Geschäftskunden und beinhalten weniger Multimedia-Bestandteile. Die "Home"-Module "Basic" und "Premium" sollen Privatpersonen ansprechen und locken mit Lösungen für Bildverarbeitung und Home Entertainment.

Allerdings ist der Umstieg auf die verschiedenen Produktversionen nicht unproblematisch. So ist beispielsweise ein Upgrade von Windows 2000 nicht möglich, Vista bietet nur eine Neuinstallation an. Das heißt, sämtliche Programme, Einstellungen, und Verbindungsdaten müssen ebenfalls neu aufgespielt werden. Der Zeitaufwand für die Installation wird immens.

Ein schnelleres Update ist lediglich für Windows XP mit Servicepack zwei möglich, trotzdem muss auf die Kompatibilität geachtet werden. So lässt sich beispielsweise die "Professionel"-Version von XP nicht auf die "Home"-Version von Vista erweitern. Das heißt der Anwender muss entweder ebenfalls komplett neu installieren oder auf die teurere Business-Version umsteigen.

Im Prinzip bekommt der Anwender zwar auf jeder DVD das vollständige Programm, die entsprechenden Lizenzschlüssel schalten dann aber nur bestimmte Versionen frei.

Kaufen oder warten?

Grundsätzlich ist gegen einen Umstieg auf Windows Vista nichts einzuwenden, sofern der PC die notwendigen Systemvoraussetzungen mitbringt. Läuft bereits das alte Betriebssystem am Rande der Leistungsfähigkeit des Rechners, ist das Update auf keinen Fall zum empfehlen, zu hoch sind die Anforderungen von Vista.

Wer mit XP zufrieden ist, aber dennoch die neuen Möglichkeiten von Vista ausprobieren möchte, kann das Betriebssystem zunächst zusätzlich installieren. Da momentan noch nicht alle Programme und Treiber unterstützt werden, kann man so relativ risikolos feststellen, ob die eigene Hardware "Vista Ready" ist. Das gilt vor allem dann, wenn das "Windows Vista Upgrade Advisor"-Tool nicht funktioniert, weil ein älteres Betriebssystem oder kein Service Pack zwei für XP installiert ist.

Ein wenig Geduld kann im Fall Vista nicht schaden, die ersten Fehler werden voraussichtlich mit der Massenauslieferung entdeckt und behoben werden. Und die meisten Software-Hersteller werden erst im Laufe der nächsten Wochen ihre Produkte auf die neue Oberfläche optimieren.

(sueddeutsche.de/pte/dpa)

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