Windows 8 im Test:Alles neu an der Oberfläche

Mit Windows 8 versucht Microsoft ein System zu schaffen, das auf herkömmlichen Computern ebenso läuft wie auf Tablets und Smartphones. Wer es ausprobiert, merkt schnell, dass es funktioniert, auch wenn einige Anwendungen Gewöhnungssache bleiben.

Helmut Martin-Jung

Es gibt 13 neue Mails, Rudi hat sich endlich mal wieder auf Facebook gemeldet, Anna wird heute 18. Die deutschen Fußballer haben unentschieden gespielt. Morgen Abend ist das Konzert im Gasteig, und es wird (fast) wieder Sommer, obwohl bereits Ende Oktober. All das, oder auch noch mehr, erfährt auf einen Blick und ohne weiteres Zutun, wer bloß einen einzigen Knopf drückt: den Netzschalter seines Computers.

Mit Windows 8 bricht Microsoft zumindest an der Oberfläche radikal mit bisherigen Nutzungsgewohnheiten. Starre Icons, über Jahrzehnte zum gelernten Repräsentanten von Programmen geworden, führen nun bloß noch ein Schattendasein. Den Startbildschirm regieren stattdessen belebte Kacheln, nahezu eine jede mit einem virtuellen Guckloch versehen, das einen Blick gewährt darauf, was man vorfinden wird, wenn man auf die entsprechende Kachel klickt.

Und ja, das ist ein Schock. Ein Schock, von dem noch keineswegs klar ist, wie die Kundschaft darauf reagieren wird. Von diesem Freitag an wird das neue Betriebssystem auch an Endverbraucher ausgeliefert. Und nicht nur Microsoft, das den Start mit einer gewaltigen Werbekampagne begleiten wird, wettet einen Großteil seiner Zukunft auf das neue System. Auch viele PC-Hersteller haben in der jüngsten Zeit viel investiert. Die meisten Nutzer, die zum ersten Mal mit der neuen Oberfläche konfrontiert sind, werden sich aber wohl fragen: "Musste das sein?"

Kennt man eines

Es musste. Der Markt für Computer und mobile Geräte steckt in einem Wandlungsprozess von ungeheurem Ausmaß. Immer mehr Menschen stellen fest, dass sie ihren normalen PC kaum noch brauchen, wo doch das iPad im Wohnzimmer liegt und mit einem einzigen Tastendruck ohne Verzögerung hellwach ist. Sogar mit einem Smartphone lässt sich schon vieles erledigen, wozu man früher zwingend einen PC oder Laptop brauchte. Gelingt es Microsoft - und den damit verbündeten Herstellern - nicht, auf diesem Markt Fuß zu fassen, könnte eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt werden.

Daher war es für Microsoft so wichtig, ein Betriebssystem zu haben, das es erlaubt, alle Gerätschaften - PC, Tablet, Smartphone und sogar die Spielkonsole Xbox - gleichermaßen und vor allem gleichartig zu bedienen. Egal ob das primäre Eingabegerät ein Berührungsbildschirm ist oder nicht. Die Idee dahinter: Kennt man eines, kommt man auch mit dem anderen zurecht. Und Musik oder Filme möchte man ohnehin auf allen seinen Geräten nutzen, gespeichert werden die Mediendateien in der Cloud. Der kürzlich vorgestellte Musikdienst Xbox Music läuft nicht bloß über die Spielkonsole, sondern auch über Windows-8-Geräte.

Dazu gehören künftig auch die Windows-Smartphones. Windows Phone 8 sieht zwar aus wie Windows Phone 7, baut technisch aber auf der Plattform des PC-Windows auf, nicht wie der Vorgänger auf Windows Mobile. Auf die Phone-7-Geräte lässt es sich nicht mehr aufspielen. Den vorhersehbaren Ärger - schließlich war das Siebener-System erst im Oktober 2010 eingeführt worden - nimmt man in Kauf.

Viel Wert auf Sicherheit

Ähnliches muss man bei Windows 8 nicht befürchten. Während in früheren Jahren neue Windows-Versionen meist erheblich ressourcenfressender waren als ihre Vorgänger, zeigt sich Windows 8 sogar im Vergleich zur Siebener-Version noch einmal abgespeckt. Auch auf relativ betagten Computern startet es erstaunlich flott und fährt schnell herunter. Alle Geräte und Software, die unter Windows 7 funktionierten, sollen auch auf dem neuen System laufen, verspricht Microsoft. Bei unseren Tests auf verschiedenen Systemen traten bisher kaum Probleme dieser Art auf.

Klar ist aber: Die Windows-8-Oberfläche ist für Touchscreens optimiert, nicht für die herkömmliche Bedienung mit Tastatur und Maus. Diese Oberfläche funktioniert aber nur dann gut, wenn auch die Programme, Apps genannt, dafür geschrieben sind. Doch das sind bisher nur wenige, und bei komplexen Programmen wie etwa Adobes Photoshop in der Profiversion ergibt es wohl auch wenig Sinn, dies zu versuchen. Das aber führt unweigerlich zu einem Bruch: Auf rein berührungsgesteuerten Geräten wie Tablets lassen sich solche Programme kaum nutzen, auf herkömmlichen PCs mit Tastatur und Maus muss man sich bei den neuen Apps an viele neue Bedienungsschritte gewöhne

Vieles ist Gewöhnungssache

Aber vieles - das zeigt sich beim längeren Herumprobieren - ist tatsächlich nur Gewöhnungssache. Ein Beispiel: Um unter Windows 7 ein Programm zu suchen, klickt man auf Start, setzt den Cursor ins Suchfeld und beginnt dann, den Namen des Programms zu tippen. Unter Windows 8 schreibt man auf dem Desktop einfach los, das Suchfenster öffnet sich dann von alleine. Die Microsoft-Ingenieure haben auch viel Wert auf Sicherheit gelegt. Der Windows Defender beispielsweise, bisher schon Bestandteil von Windows 7, enthält nun auch das kostenlose Antiviren-System Security Essentials, das man bisher separat installieren musste.

Wer mehrere Windows-8-Rechner nutzt, kann seine Lieblingseinstellungen online ablegen. Voraussetzung dafür ist ein kostenloses Microsoft-Konto. Dateien lassen sich unter Windows 8 schneller und komfortabler kopieren, und wenn es - etwa durch unbedachtes Löschen wichtiger Dateien - zu Problemen kommt, lässt sich das System mit wenigen Klicks wieder in einen funktionierenden Zustand oder auch ganz in den Auslieferungszustand zurückversetzen.

Um nicht von anderen abhängig zu sein, hat Microsoft ein eigenes Tablet entwickelt. Das Surface erhielt bis jetzt recht ordentliche Kritiken. Es kommt mit einem Mobilprozessor auf ARM-Basis und einer speziell dafür angepassten Windows-Version (RT). Als Zubehör gibt es unter anderem zwei verschiedene Cover mit integrierter Tastatur. Die Preise reichen von 479 bis 679 Euro, die Cover kosten 120 und 130 Euro. Nun müssen die Kunden entscheiden, ob sie Microsofts Weg mitgehen wollen.

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