Süddeutsche Zeitung

Messenger-Apps:Ein guter Zeitpunkt, Whatsapp Lebewohl zu sagen

Wer den neuen Nutzungsbedingungen nicht zustimmt, wird im Februar aus seinem Whatsapp-Account ausgesperrt. Es gibt ohnehin bessere Alternativen: Signal und Threema.

Von Simon Hurtz, Berlin

Elon Musk hat im vergangenen Jahr eine Menge Unsinn in die Welt gesetzt. Der Tesla-Chef verharmloste das Coronavirus, wütete gegen Lockdowns, pflichtete Verschwörungsgläubigen bei und sagte das Ende der Pandemie für Ende April voraus - nur um sich später selbst mit dem Virus zu infizieren. Doch manchmal erteilt der neue reichste Mensch der Welt auch vernünftige Ratschläge. "Use Signal", empfahl er am Donnerstag seinen mehr als 40 Millionen Followern auf Twitter.

Das ist ausnahmsweise eine richtig gute Idee. Denn in diesen Tagen erinnert ein Pop-up Hunderte Millionen Menschen daran, dass es sinnvoll sein könnte, sich nach Alternativen zu Whatsapp umzusehen. Wer den mit Abstand verbreitetsten Messenger der Welt öffnet, sieht einen Hinweis: "Whatsapp aktualisiert seine Nutzungsbedingungen und seine Datenschutzrichtlinie." Wer den Änderungen nicht bis zum 8. Februar zustimmt, wird ausgesperrt.

Seitdem herrscht im Netz große Aufregung: Nutzerinnen und Nutzer verkünden in sozialen Medien, dass sie ihre Accounts löschen wollen. Auch deutsche Medien warnen, dass Whatsapp sich das Einverständnis abhole, um Daten mit dem Mutterkonzern Facebook zu teilen - angeblich auch für Werbezwecke. Doch zumindest für Menschen in der Europäischen Union sind die Änderungen gar nicht so gravierend.

Tatsächlich ergänzt Whatsapp nur Informationen, auf welcher Rechtsgrundlage es Daten verarbeitet, und überarbeitet einige Passagen zur Kommunikation mit Unternehmen. Die Verwirrung entstand wohl, weil Whatsapp unterschiedliche Versionen seiner Nutzungsbedingungen und Datenschutzrichtlinie bereitstellt: jeweils eine für die europäische Region und eine für Menschen im Rest der Welt - wobei letztere auch auf Deutsch vorliegen, was die Verwechslungsgefahr zusätzlich erhöht.

Die DSGVO zähmt den Datenhunger von Whatsapp

Außerhalb Europas will Whatsapp die beiden Dienste noch enger verknüpfen und Daten auch zu Marketingzwecken oder mit Drittunternehmen teilen. In der EU schützt die Bürger davor die DSGVO: Zwar erhält Facebook durchaus Informationen wie die Handynummer oder Kontakte aus dem Telefonbuch. Doch die Daten aus der EU würden nur genutzt, um Spam und Missbrauch zu verhindern. Es bleibe dabei, dass Whatsapp-Daten in europäischen Ländern nicht dazu dienten, Facebook-Produkte zu verbessern oder Anzeigen zu personalisieren, versichert Whatsapp-Managerin Niamh Sweeney. Anderslautende Medienberichte seien falsch.

Das ändert aber nichts daran, dass Whatsapp einen gewaltigen Datenhunger besitzt. Der Dienst ist zwar sicher, weil Nachrichten mit demselben Protokoll verschlüsselt werden wie bei Signal. Weder Whatsapp noch Geheimdienste oder Kriminelle können also mitlesen. Doch die App verleibt sich jede Menge Metadaten ein, die auch auf Facebooks Servern landen.

Das muss nicht sein: "Ich nutze Signal jeden Tag", schrieb Edward Snowden bereits 2015. Hinter dem Messenger steckt ein kleines Team rund um den Entwickler Moxie Marlinspike, der in Kryptografie-Kreisen einen legendären Ruf genießt. Die App kann alles, was Whatsapp auszeichnet - nur sammelt sie nicht so viel, sondern so wenige Daten wie möglich. Seit Ende des vergangenen Jahres kann man auch verschlüsselt mit mehreren Personen videotelefonieren. Eine andere sichere und datenschutzfreundliche Alternative ist der Schweizer Messenger Threema, der kürzlich seinen Quellcode offenlegte.

Bevor man dagegen zu Telegram wechselt, sollte man lieber bei Whatsapp bleiben: Der Dienst schützt Nachrichten standardmäßig nicht mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und ist auch in Sachen Datenschutz die in jeder Hinsicht schlechtere Wahl als Signal und Threema. Außerdem hat Telegram offenbar nichts dagegen, Tummelplatz für Nazis, Kriminelle und gewaltbereite Corona-Leugner zu sein.

Nur einen unbestrittenen Vorteil hat Whatsapp: die Verbreitung. Ein Messenger, auf dem man sich mit niemandem unterhalten kann, macht keinen Spaß. Doch Elon Musk zeigt, dass sich das ändern kann: Nach seiner Empfehlung war Signal kurzzeitig überlastet, weil sich so viele Menschen gleichzeitig anmelden wollten. Mittlerweile klappt die Registrierung wieder problemlos. Jetzt wäre also ein guter Zeitpunkt, sich eine neue Heimat für den Familienchat zu suchen.

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