Kurznachrichtendienst:Whatsapp knackt Marke von zwei Milliarden Nutzern

FILE PHOTO: Men pose with smartphones in front of displayed Whatsapp logo

Whatsapp hat zusammen mit seinen Konkurrenten eine wichtige Geldquelle der Mobilfunkanbieter zum Versiegen gebracht: SMS.

(Foto: Dado Ruvic/Reuters)
  • Den Kurznachrichtendienst Whatsapp verwenden mittlerweile mehr als zwei Milliarden Menschen weltweit.
  • Zu verdanken hat er diese beeindruckende Erfolgsstory aber vor allem zwei Eigenschaften: Er ist einfach zu handhaben und er nervt nicht mit Werbung.
  • Whatsapp gehörte außerdem zu den ersten Anbietern, die standardmäßig eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung einführten.

Von Helmut Martin-Jung

Wenn sich Technikhistoriker dereinst mit der Frage beschäftigen werden, warum Menschen manche Internetdienste gerne und in großer Zahl nutzen, andere aber ein Nischendasein führen, könnte ihnen einer geradezu modellhaft als Studienobjekt dienen: Whatsapp. Den Kurznachrichtendienst verwenden mittlerweile mehr als zwei Milliarden Menschen weltweit. Zu verdanken hat er diese beeindruckende Erfolgsstory aber vor allem zwei Eigenschaften: Er ist geradezu entwaffnend einfach zu handhaben und er nervt nicht mit Werbung.

Im Facebook-Konzern, der Whatsapp im Jahr 2014 für knapp 22 Milliarden Dollar gekauft hat, war Whatsapp daher eigentlich von Anfang an ein Fremdkörper. Denn Facebook lebt davon, Anzeigenkunden Zugang zu Kunden basierend auf deren aussagekräftigen Profilen zu verkaufen. Weil Facebook so viel über seine Nutzer weiß, können die Anzeigenkunden damit rechnen, ihre Zielgruppen genauer zu erreichen als mit anderen Werbeformen.

Und so war denn auch der Kampf der Kulturen absehbar. Die Gründer von Whatsapp, der gebürtige Ukrainer Jan Koum und der Amerikaner Brian Acton, die sich bei der Internetfirma Yahoo kennengelernt hatten, wollten keine Werbung in ihrem Produkt. Und vor allem wollten sie die Daten der Nutzer so gut wie möglich schützen. Whatsapp führte standardmäßig eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ein. Nur die Nutzer selbst also können die Inhalte sehen, Whatsapp hat nur die Metadaten - also wer wann mit wem kommuniziert hat. Vielen Behörden weltweit gefällt das immer weniger. Sie setzen Whatsapp und andere Dienste unter Druck, Schnittstellen für Ermittlungsbehörden und Geheimdienste einzubauen. Das wiederum sehen viele Sicherheitsexperten als Risiko, weil solche Hintertüren auch anderen Akteuren den Zugriff ermöglichen können.

Bisher hat Facebook diesem Druck nicht nachgegeben. Man habe nicht die Absicht, die Verschlüsselung aufzuheben, sagte Whatsapp-Chef Will Cathcart dem Wall Street Journal. "In ihrer gesamten Geschichte konnten die Menschen privat miteinander kommunizieren, das sollte in einer modernen Gesellschaft nicht verschwinden." Das Unternehmen drückt viel stärker das wirtschaftliche Problem, das mit dem Verzicht auf Werbung verknüpft ist. Sheryl Sandberg, die Leiterin des Tagesgeschäfts bei Facebook, aber auch Gründer und Chef Mark Zuckerberg sind daher des Öfteren mit den Whatsapp-Gründern Koum und Acton zusammengerasselt.

Vor allem Acton, der als das Gewissen von Whatsapp gilt, gab allerdings nicht nach. Als er im Frühsommer 2018 aus dem Unternehmen ausschied, soll er sogar auf Aktienoptionen im Wert von 900 000 Dollar verzichtet haben. Was nicht ganz so schlimm war für ihn, besaß er doch durch den Deal mit Facebook bereits mehrere Milliarden Dollar.

Wer nicht bei Whatsapp ist, ist von vielem ausgeschlossen

Facebook steckt nun selbst in einem Dilemma. Natürlich weiß man auch in Menlo Park, dem Hauptsitz des Unternehmens: Der Erfolg von Whatsapp beruht darauf, dass es sehr einfach zu nutzen und werbefrei ist. Nur so hat es Whatsapp in der Welt des Internets ganz nach oben geschafft. Eine Welt, in der gilt: Der Gewinner bekommt alles. Zumindest fast. Aber die Tendenz ist schon eindeutig. Wer nicht bei Whatsapp ist, ist von vielem ausgeschlossen: Was haben die Kinder als Hausaufgabe auf? Findet das Ballett, das Fußballtraining, die Bandprobe heute statt? Auch wer es eigentlich nicht so hat mit dem datenhungrigen Facebook-Konzern, kommt um Whatsapp kaum herum. Es sei denn, man schafft es, seine Kontaktpersonen dazu zu überreden, eine der Alternativen wie Signal, Telegram oder Threema nutzen.

So ganz nebenbei hat Whatsapp zusammen mit seinen Konkurrenten auch eine wichtige Geldquelle der Mobilfunkanbieter zum Versiegen gebracht: SMS. Und es schuf neue Möglichkeiten wie Sprachnachrichten. Aber auch Fotos und Videos lassen sich damit aufnehmen und komfortabel versenden. Telefonieren geht auch, abgesehen von den Kosten für die Datenverbindung ist es sogar kostenlos, auch ins Ausland.

Noch unter seinen Gründern hatte das Whatsapp-Team einiges versucht, um wenigstens einen Teil der 22 Milliarden, die Facebook ausgegeben hatte, wieder hereinzuspielen - eine Forderung, mit der Facebook die beiden Gründer mehr und mehr nervte. Doch ein Geschäftsmodell, das mit dem von Facebook vergleichbar wäre, war nicht dabei. "Das funktioniert nicht in großem Maßstab", soll Tageschefin Sandberg dem Wall Street Journal zufolge zu den Vorschlägen der beiden gesagt haben.

Firmen könnten Whatsapp als Kommunikationskanal mit ihren Kunden nutzen

Eine Idee, die immer wieder genannt wird, ist, Whatsapp als Kommunikationskanal zwischen Firmen und ihren Kunden zu nutzen. Konzerne wie etwa Vodafone planen, einen großen Teil der Kommunikation mit Kunden über automatische Chatprogramme, sogenannte Chatbots, abzuwickeln. Erst wenn die mit künstlicher Intelligenz aufgepeppte Software nicht mehr weiterkommt, sollen Menschen einspringen.

Dass dies eine ähnlich sprudelnde Geldquelle werden könnte wie Facebooks Werbegeschäft, glaubt aber niemand. Immerhin aber hat Facebook durch den Kauf von Whatsapp verhindert, dass ihm ein wichtiger Konkurrent erwächst, ähnlich wie bei Instagram, das inzwischen mehr Geld einbringt als Facebook selbst. Instagram eignet sich aber auch erheblich besser, darin Werbung unterzubringen.

Spätestens seit der US-Wahl 2016 dominieren die Themen Falschnachrichten, Wahlbeeinflussung und Hassbotschaften die öffentliche Diskussion um soziale Netzwerke. Whatsapp flog dabei ein wenig unter dem Radar, zu Unrecht: Weil man Informationen aus der eigenen Blase oft mehr traut als anderen Quellen, spielt Whatsapp inzwischen auch bei der Verbreitung von Falschnachrichten eine große Rolle, wie sich etwa im brasilianischen Wahlkampf um das Amt des Präsidenten zeigte. Zu kontrollieren ist das aber noch viel weniger als etwa bei Facebook oder Twitter.

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