Süddeutsche Zeitung

Wetter-Apps:Jetzt sagt der Staat auch noch, wie das Wetter wird

Der Deutsche Wetterdienst soll seine Daten in Zukunft kostenlos anbieten können. Private Anbieter fürchten um ihre Existenzgrundlage.

Von Sebastian Fischer

Wenn es ums Wetter geht, darf eigentlich jeder mitreden. Doch wenn künftig der Staat den Menschen vorhersagt, wann es regnet und wann die Sonne scheint, dann geht es Joachim Klaßen zu weit. Denn dann, sagt der Geschäftsführer des Portals Wetter Online und Vorstand im Verband Deutscher Wettterdienstleister (VDW), gehe es um sein Geschäft, also auch um Arbeitsplätze - und nebenbei um einen Rechtsbruch.

Klaßens Wut richtet sich gegen eine Gesetzesänderung, die das Bundeskabinett an diesem Mittwoch billigte. Sie soll dem steuerfinanzierten Deutschen Wetterdienst (DWD) ermöglichen, seine Wetter- und Klimadaten kostenlos der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

Alexander Dobrindt, als Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur auch Minister für Wettervorhersagen, rühmt seinen Entwurf als digitalen Fortschritt. Die Wetterdaten, sagt Dobrindt, seien ein "einzigartiger Schatz". Klaßen findet, sie machen vor allem das Geschäftsmodell der privaten Anbieter von Wettervorhersagen kaputt.

Wetterdienstleister wie wetter.com oder wetter.de streiten seit Jahren mit dem DWD über die Verwendung der Daten, die sie bisher bei der Behörde einkaufen müssen, um sie aufzubereiten und entweder kostenpflichtig anzubieten, oder in ihrem Umfeld Anzeigenplatz zu verkaufen. Der Streit hat sich vor eineinhalb Jahren zugespitzt, als der DWD eine eigene Warnwetter-App auf den Markt brachte.

Die DWD-App ist schon jetzt die beliebteste Wetter-App

Die Warnung vor extremen Wetterlagen ist der gesetzliche Auftrag des DWD, dagegen hat auch Klaßen nichts einzuwenden. Nur gibt die App auch Auskunft über Temperaturen und Niederschlagsrisiken - und das präzise, kostenlos und ohne Werbung. Die DWD-App ist dem Technikportal Chip zufolge die beliebteste kostenlose Wetter-App auf dem Markt.

Weil Klaßens Versuch, eine einstweilige Verfügung zu erwirken, scheiterte, reichten sein Unternehmen und das Portal wetter.com Klage vor den Landgerichten in Bonn und Bielefeld ein. Urteile werden Anfang April erwartet. Bisher war Klaßen zuversichtlich, doch wird Dobrindts Gesetzesnovelle verabschiedet, macht sie die Klage hinfällig. Und Klaßen fühlt sich veräppelt: "Das Gesetz wird geändert, damit der DWD den Prozess nicht verliert. Und das wird auch noch als Teil der digitalen Agenda verkauft." Für ihn ist die Neuerung ein "Freibrief für steuerfinanzierte Marktaktivitäten".

Im Bundesministerium sehen sie das natürlich ganz anders. Es sei das Ziel der Gesetzesnovelle, "durch die kostenfreie Abgabe von Wetterdaten privatwirtschaftliche Aktivitäten zu stärken", heißt es in Berlin. Die privaten Wetterinformations-Anbieter in Deutschland würden sogar davon profitieren. Er habe nichts gegen die freie Verfügbarkeit von Daten einzuwenden, sagt dazu der angebliche Profiteur Klaßen. Doch er kritisiert, dass im Entwurf nicht festgelegt sei, dass den privaten Anbietern alle relevanten Daten zur Verfügung gestellt werden.

Experten sehen rechtliche Schwierigkeiten

Der DWD, dessen Angebot laut Klaßen ein Umsatzpotenzial von zwei Millionen Euro hat, verfolge keine wirtschaftlichen Interessen und stehe nicht in Konkurrenz zu Anbietern wie Wetter Online, heißt es aus dem Ministerium. Andererseits dürfte es in der Behörde aber wohl auch niemanden stören, dass die DWD-App in allen Rezensionen gelobt wird.

Es sind nicht nur die Lobbyisten, die das veränderte Gesetz kritisieren. Christian von Coelln, Professor an der Uni Köln, hat ein Thesenpapier verfasst, in dem er konstatiert, dass die Neuregelung gegen das Grundgesetz verstößt. Sie ermögliche dem DWD "eine erhebliche Ausweitung seiner schon jetzt zu beobachtenden Aktivitäten, die privaten Konkurrenten keinen Raum zur Entfaltung mehr lässt". Ähnlich argumentiert auch der Düsseldorfer Ökonom Justus Haucap. Das Gesetz sei "aufgrund der zu erwartenden schädlichen Effekte für die digitale Wirtschaft in Deutschland abzulehnen", schreibt er.

Joachim Klaßen sagt, er habe noch "ein bisschen Hoffnung" auf Korrekturen. Doch so richtig überzeugt klingt er nicht dabei. Er weiß ja, dass zwar alle über das Wetter reden, aber dass es dabei die wenigsten interessiert, wo die Vorhersagen herkommen.

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SZ vom 20.01.2017/csi/sih
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