Weiße Blitze, rote Blitze zucken über die Bühne. Lee Sang-Hyeoks Augen hinter der dicken Brille sehen müde aus. Er umklammert auf der ovalen Bühne in der Mitte der Arena das Mikrofon. Das Gesicht des schmächtigen 19-Jährigen aus Korea ist mehrere Meter groß auf den vier Videoleinwänden der Berliner Mercedes-Benz-Arena zu sehen. "Hi guys!", sagt Lee. Der Rest geht unter, im Kreischen, Jubeln, Klatschen von 12 000 Menschen. Lee hat gerade mit seinem Team eine Million Dollar gewonnen. Er ist der Lionel Messi der Computerspieler.
An diesem Samstag ist Lees Mannschaft "SK Telecom T1" zum zweiten Mal nach 2013 Weltmeister in League of Legends geworden. 67 Millionen Menschen spielen das Spiel weltweit. Es geht darum, das gegnerische Team zu vernichten. Jedes Team besteht aus fünf Spielern, von denen jeder eine bestimmte Rolle erfüllt und einen von 125 Helden mit einzigartigen Fähigkeiten steuert. Die Spieler müssen vorbei an gegnerischen Helden, an Wachtürmen, um schließlich die feindliche Basis zu zerstören.
Für die meisten ist das Spiel ein Hobby, für einige wenige ein Beruf. Sie sind E-Sportler. Woche für Woche treten sie in Ligen auf ihren Heimatkontinenten gegeneinander an. Die besten von ihnen nehmen an den "League of Legends World Championships" teil, deren Finale in Berlin zum fünften Mal ausgetragen wurde. Die Tickets waren nach nur 90 Sekunden ausverkauft.
Die Teams sitzen sich in zwei Reihen mit je fünf Computern gegenüber. Konzentriert starren sie auf ihre Bildschirme, bedienen Maus und Tastatur. Hinter ihnen tigern die Trainer auf und ab, geben den Spielern über Headsets Anweisungen.
Mit Leuchtkugeln gegen den Skorpion
Lee Sang-Hyeok spielt seinen Lieblingshelden, einen großen, glatzköpfigen Zauberer mit blauer Haut. Er bewacht einen Turm im Zentrum der "Kluft der Beschwörer", als sich ein riesiges skorpionartiges Etwas und ein anderer Zauberer mit Schwert auf ihn stürzen. Lee zieht seinen blauen Zauberer zurück. Gleichzeitig schießt er fünf blaue Leuchtkugeln auf die Angreifer. Er tötet den Skorpion, gewinnt alleine gegen gleich zwei gegnerische Helden.
Lee gilt als der talentierteste und aktuell beste League-of-Legends-Spieler der Welt. Ein Messi unter lauter Schweinsteigers, Lahms und Götzes. Die Fans kennen ihn unter dem Namen, den er im Spiel benutzt: Faker. "Er ist ein Magier", sagt Trevor Henry, einer der Kommentatoren der Weltmeisterschaft. "Faker! Faker!", skandiert die Menge nach Lees Sieg.
Entscheidend ist, was auf dem Bildschirm passiert: Beim E-Sport ist höchste Konzentration gefragt.
(Foto: dpa)E-Sportler genießen in Südkorea Star-Status, Lee ist dort so bekannt wie ein Fußballnationalspieler in Deutschland. Die Turniere werden im Fernsehen übertragen. Spieler wie Faker dürfen sogar den verpflichtenden Militärdienst zugunsten ihrer Karriere um ein paar Jahre verschieben.
Der sportliche Wettkampf zwischen Computerspielern ist in Südkorea längst kein Randphänomen mehr, sondern fester Bestandteil der Kultur. Seit 2000 kümmert sich die Korea E-Sports Association (KeSPA) als offizieller Dachverband um 22 Disziplinen - neben League of Legends sind das unter anderem die Spiele Dota 2, Starcraft II und Counter-Strike - und ist sogar Mitglied des olympischen Komitees in Südkorea.
Fans verkleiden sich mit Waffen und Lederrüstungen
Die Europäer und Amerikaner haben in Berlin denn auch nichts zu melden. Für das Finale haben sich zwei südkoreanische Teams qualifiziert: KOO Tigers und SK Telecom T1. Fakers Telecom-Mannschaft gilt als Favorit. Die fünf Spieler haben bisher kein einziges Spiel verloren und nach und nach alle Mitbewerber aus Nordamerika, Europa, China, Taiwan und Brasilien aus dem Turnier gekegelt. "Die koreanischen League-of-Legends-Teams haben so eine gute Infrastruktur von Trainern, Analysten und Talentsuchern", erklärt Trevor Henry. "Sie finden immer die richtigen Spieler zur richtigen Zeit und trainieren sie auf die richtige Art und Weise."