Wearable Technology:Kopfhörer, die Kalorien zählen

Wearable Technology: Die kabellosen Kopfhörer von Bragi sollen Sportlern in Zukunft das Leben erleichtern - viele "Wearables" zielen darauf ab.

Die kabellosen Kopfhörer von Bragi sollen Sportlern in Zukunft das Leben erleichtern - viele "Wearables" zielen darauf ab.

(Foto: Mo Garhammer)

Google, Apple und Co. basteln fleißig an tragbarer Technik. Das Münchner Start-up Bragi will mit schlauen Kopfhörern mitmischen. "The Dash" ist bislang das finanziell erfolgreichste Kickstarter-Projekte in Europa.

Von Charlotte Dietz

"Hey, dein Puls ist unter 120, du solltest etwas schneller laufen!". Oder: "Du bist jetzt zehn Kilometer gefahren, gib nochmal alles auf den letzten fünf!"

Solche Sprüche könnten die Kopfhörer "The Dash" bald Sportlern ins Ohr flüstern. Das Münchner Start-up Bragi will sie in Serie produzieren. Die kabellosen Ohrstöpsel sollen nicht nur Musik abspielen, sondern mithilfe winziger Sensoren auch verschiedene Daten messen und berechnen - Schritte und Geschwindigkeit zum Beispiel, oder den Kalorienverbrauch. Daraus leitet der intelligente Kopfhörer dann Tipps ab.

Von Anfang Februar bis Ende März sammelte Bragi auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter Geld für sein Kopfhörer-Projekt. Am Ende hatte das Start-up knapp 16 000 Unterstützer, die insgesamt mehr als drei Millionen Dollar investierten. Damit ist "The Dash" in Europa das bislang finanziell erfolgreichste Kickstarter-Projekt.

Bisher ist "The Dash" lediglich eine Wette darauf, dass Bragi-Gründer Nikolaj Hviid hält, was er verspricht. "Wir müssen ein extrem gutes Produkt abliefern", sagt der 39-Jährige. Per Kickstarter bestellen und bezahlen die Unterstützer das Produkt schon vorab. Läuft alles nach Plan, sollen im Oktober die ersten tausend Ohrstöpselpaare ausgeliefert werden.

In jedem Ohr ein Computer

Damit die Empfänger dann auch etwas hören, tüfteln Hviid und seine 16 Mitarbeiter derzeit in München noch an der Technik für die Kopfhörer. Viel brauchen sie dafür nicht: Im Büroraum nahe des Hauptbahnhofs stehen acht Schreibtische mit Rechnern. An den Wänden lehnen zwei weiße Holzplatten, über und über beklebt mit bunten Post-its. In der Ecke hinter der Tür verlötet Softwareingenieur Eric Hirsch Verbindungskabel, während Designer Arne Loermann am Computer an der "The-Dash"-Verpackung arbeitet. Auf einem kleinen Tisch am Fenster steht ein 3-D-Drucker, der so lange Modelle für "The Dash" ausgespuckt hat, bis die Macher mit der Form zufrieden waren.

Die Form ist wichtig, weil die Kopfhörer fest sitzen müssen. Auf Nikolaj Hviids Schreibtisch liegen zwei Prototypen. Sie sehen fast aus wie übliche In-Ear-Geräte - nur ohne Kabel und größer. Hviid nimmt einen der schwarzen Stöpsel und dreht ihn in sein rechtes Ohr. "Wir haben drei Größen, die passen jetzt in 94 Prozent aller Ohren", sagt er.

Im jedem Kopfhörer soll bald ein kleiner Computer stecken. Bisher sind das noch größere Entwicklungsboards, die Bragi noch so verkleinern muss, dass sie in die Kopfhörer-Hüllen passen. Der Computer kann vier Gigabyte Musik speichern, außerdem wandelt er Informationen um, die die Sensoren an den Außenseiten messen. Per Bluetooth können Nutzer "The Dash" zudem mit dem Smartphone verbinden - und dann auch telefonieren, denn an den Kopfhörern sitzen Mikrofone.

Warum er der Erste ist, der sich an klugen Kopfhörern versucht? Hviid glaubt, dass es an der komplizierten Form liegt, die die Computer haben müssen. Zu groß, zu eckig - zwischendurch glaubte er selbst nicht daran, dass es funktionieren könnte. Die Lösung lieferte Origami, eine japanische Papierfalttechnik. Mit deren Hilfe will Bragi die einzelnen Computerteile falten und so in Passform bringen.

Hviid gründete sein Start-up vor gut einem Jahr. Auf die Idee kam der Maschinenbauingenieur beim Joggen. Nach einer langen Sportpause ging ihm schon nach einer Minute die Puste aus - er wünschte sich Tipps, direkt vor Ort und auf ihn zugeschnitten. Als Geschäftsführer der Agentur Designit arbeitete der Däne oft an Kopfhörerdesigns. Das brachte ihn auf die Idee, die gesuchten Helfer in Kopfhörerform zu entwickeln. Er kündigte seinen Job, arbeitete zunächst mit Designer Loermann in einem "abrissfähigen Haus. So richtig Start-up-mäßig", sagt Hviid.

Ein vielversprechender Markt

Nun drängt Bragi mit seinem Produkt auf den Markt der Wearable Technology. In Zukunft sollen die Menschen Technik nicht nur mit sich herum, sondern direkt am Körper tragen. Bisher sind es vor allem globale Großkonzerne, die an den "Wearables" feilen. Google lässt gerade seine schlaue Brille Google Glass testen. Die soll auf Kommando Fotos machen, Nachrichten verschicken oder Informationen einblenden. Außerdem kündigte der Konzern an, sein Betriebssystem Android bald auf Wearables auszuweiten.

Wearable Technology: In den "The Dash"-Kopfhörern sitzen kleine Computer.

In den "The Dash"-Kopfhörern sitzen kleine Computer.

Samsung hat bereits die Galaxy Gear in den Handel gebracht, eine sogenannte "Smartwatch". Die schlaue Uhr leitet zum Beispiel SMS und Anrufe vom Smartphone weiter. Sony rückte mit der eigenen Smartwatch nach, angeblich arbeitet auch Apple mit Hochdruck an einer "iWatch".

Im Alltag spielen die Wearables bisher noch keine große Rolle. 2012 waren weltweit 8,3 Millionen "smarte" Geräte in Nutzung, bis 2017 sollen es jedoch 64 Millionen sein. Der Umsatz soll laut der Analystenfirma Jupiter Research auf 19 Milliarden US-Dollar steigen - 2013 waren es noch 1,4 Milliarden.

Doch nicht nur die Global Player, sondern auch kleine Unternehmen versprechen sich viel von der Zukunft der "Wearables" und entwickeln eigene Ideen. Bragi ist nicht das erste: 2012 sorgte das kalifornische Start-up Pebble mit einer eigenen Smartwatch für Furore: Auch Pebble sammelte via Kickstarter Startkapital. Zehn Millionen Dollar kamen so zusammen - es ist die bislang erfolgreichste Crowdfunding-Kampagne weltweit. Nach eigenen Angaben hat Pebble 2013 bereits 400 000 Uhren verkauft.

Von einem "sehr spannenden Markt für Start-ups" spricht Timm Hoffmann, Referent im Bereich Consumer Electronics beim Internet-Branchenverband Bitkom. Der rechnet damit, dass die "Wearables" in etwa zwei Jahren ihren großen Durchbruch feiern werden. Hoffmann vergleicht die Entwicklung mit den Tablet-Computern: Erst 2009 vorgestellt, nutzen sie bereits Hunderte Millionen Menschen. "Je größer und vielfältiger die Nutzungsmöglichkeiten von Wearables werden, desto mehr Erfolg werden sie haben", ist Hoffmann überzeugt.

Bisher sind Wearables hauptsächlich Fitnesshelfer: Sowohl die Smartwatches als auch diverse Armbänder auf dem Markt können vor allem: Schritte zählen, Puls messen. Auch Bragi konzentriert sich neben der Musik auf Funktionen, die das Sportlerleben erleichtern.

Langfristig will Nikolaj Hviid mehr. Er spricht von "diskreten Helfern", mit denen man in Zukunft zum Beispiel einen Rollstuhl lenken können soll. Oder die das Telefonat nach Dänemark gleich übersetzen. Oder die melden können, wenn der Feuerwehrmann zu wenig Sauerstoff im Blut hat und eine Rauchvergiftung droht.

Noch aber ist vieles auf dem jungen Wearable-Technology-Markt Zukunftsmusik. Schon bei den bestehenden Gadgets hagelt es Kritik: Samsungs Galaxy Gear sei unschick, der Akku der Google-Glass-Brille zu schnell leer. Ein Autor des US-Blogs FifeThirtyEight testete das Fitnessarmband Force von Fitbit - und stellte fest, dass auch Arme kreisen und Fäuste ballen als Schritte verbucht werden. Doch genug Menschen dürstet es nach neuen, klugen Gadgets - nur so lassen sich die Erfolge von Start-ups wie "Pebble" und bald vielleicht auch "The Dash" erklären.

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