Wahlkampf der Piratenpartei:"Unser Name provoziert"

Bei der hessischen Landtagswahl tritt die Piratenpartei an. Spitzenkandidatin Nicole Hornung erklärt, wie sie von Datenskandalen profitieren und warum IT-Experten die besseren Politker sind.

Mirjam Hauck

Die Piratenpartei hat sich im Januar 2006 in Schweden gegründet, seit September 2006 gibt es sie auch in Deutschland. Sie tritt für einen freien Wissensaustausch ein, für besseren Datenschutz und ein neues Urheberrecht. Der hessische Landesverband hat nach eigenen Angaben rund 140 Mitglieder, bei der Landtagswahl vor einem Jahr erhielt die Partei knapp 7000 Stimmen und damit 0,3 Prozent.

Wahlkampf der Piratenpartei: Die Spitzenkandidatin der hessischen Piratenpartei: Nicole Hornung

Die Spitzenkandidatin der hessischen Piratenpartei: Nicole Hornung

(Foto: Foto: oH)

sueddeutsche.de: Frau Hornung, Ihre Partei will am Sonntag ihren Stimmenanteil verdreifachen. Hoffen Sie, von den Datenschutzskandalen der letzten Zeit zu profitieren?

Nicole Hornung: Wir haben im vergangenen Jahr tatsächlich einige neue Mitglieder gewonnen. Das führen wir auch auf die vielen Missbrauchsfälle beim Datenschutz zurück. Die Menschen sind seit diesen Skandalen sensibler. Sie wollen nicht, dass mit ihren intimen Daten Schindluder getrieben wird. Datenschutz aber ist ein bundesweites Thema.

sueddeutsche.de: Welche Schwerpunkte setzen Sie bei Ihrem Wahlkampf?

Hornung: In Hessen ist das nach wie vor die Bildung. Wir wollen zeigen, wie wichtig Medienkompetenz ist. Schülerinnen und Schüler und auch deren Eltern müssen sich klar machen, was es heißt in Web-2.0-Diensten oder Social Comunitys Mitglied zu sein, welche Folgen es hat, bei Portalen wie StudiVZ und Facebook private Bilder, Namen und Adressen zu veröffentlichen. Wir wollen dafür ein Problembewusstsein wecken.

sueddeutsche.de: Im vergangenen Jahr hatten Sie gemeinsam mit dem Chaos Computer Club eine einstweilige Verfügung gegen den Einsatz von Wahlcomputern bei der Hessenwahl beantragt. 2009 war das nicht mehr nötig, Verbuchen Sie das als Ihren Erfolg?

Hornung: Das ist vor allem ein Sieg für den Rechtsstaat. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über den bundesweiten Einsatz von Wahlcomputern steht noch aus, und deshalb wird in diesem Jahr in Hessen wieder überall per Stimmzettel gewählt. Und laut Landeswahlleiter war wohl auch die Vorbereitungszeit zu kurz, um eine ordungsgemäße Wahl per Computer gewährleisten zu können.

sueddeutsche.de: In Ihrer Partei engagieren sich vor allem Informatiker und IT-Fachleute. Doch gerade der Einsatz gegen Wahlcomputer hat Ihnen den Vorwurf der Technikfeindlichkeit eingebracht.

Hornung: Gerade weil wir so viele IT-Fachleute in unseren Reihen haben, wissen wir auch um die Probleme und Gefahren, die von der Technik ausgehen können. Man sollte uns deshalb viel ernster nehmen, weil wir durch unsere Ausbildung unseren Beruf viel kritischer sehen und nicht alles blauäugig hinnehmen. Die demokratische Wahl ist die Basis unseres Rechtsstaates, sie muss jederzeit nachvollziehbar sein. Computer machen das unmöglich, sie können immer manipuliert werden.

sueddeutsche.de: Ihr Name "Piratenpartei" erinnert den Vorwurf der Musikindustrie, dass Filesharing kriminell sei. Schreckt der Name nicht potenzielle Wähler ab?

"Unser Name provoziert"

Hornung: Unser Name provoziert bestimmt, aber ich denke nicht, dass er irgend jemanden abschreckt. Er erzeugt Aufmerksamkeit. Die Menschen wollen wissen, was dahintersteckt, was unsere Themen sind.

sueddeutsche.de: In Ihrem Wahlkampfspot für das hessische Fernsehen thematisiert die Piratenpartei ausschließlich wie unverhältnismäßig und gefährlich die Vorratsdatenspeicherung ist. Läuft die Piratenpartei damit nicht Gefahr, lediglich als Ein-Themen-Partei wahrgenommen zuwerden?

Hornung: Dass wir uns derzeit nur auf wenige Themen beschränken, sehe ich nicht als Manko. Wir bearbeiten derzeit Themen wie Datenschutz, Online-Durchsuchung oder Vorratsdatenspeicherung weil wir hier bislang die größte Kompetenz haben. Aber wir wollen unser Spektrum weiter ausbauen. So wie die Grünen inzwischen auch nicht mehr ausschließlich als Öko-Fuzzis wahrgenommen werden, möchten wir uns in den nächsten Jahren auch nicht mehr ausschließlich durch unsere IT-Kompetenz profilieren.

sueddeutsche.de: Ihre Partei will im diesjährigen Superwahljahr auch bei der Bundestagtagswahl antreten. Was haben Sie sich vorgenommen?

Hornung: In den Bundesländern, in denen wir Landesverbände haben, werden wir im September auch bei der Bundestagswahl antreten. In unserem Wahlkampf werden wir sicher auch viel mit unseren Lieblingsgegnern Innenminister Schäuble und Justizministerin Zypries zu tun haben. Es kann ja nicht sein, dass sie wie bei der Vorratsdatenspeicherung und der Onlinedurchsuchung noch mehr Gesetze beschließen, die im Gegensatz zu unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen.

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