Wahlen in den Niederlanden:Die Jugend und der Zorn aus dem Netz

Im Internet ist zu sehen, warum die niederländische Jugend sich radikalisiert und inzwischen bevorzugt Wilders wählt. Beobachter warnen vor einer tiefen Spaltung der heranwachsenden Generation.

Niklas Hofmann

Wären nur die Erst- und die zukünftigen Wähler gefragt worden, hätte Geert Wilders mit seiner PVV die Wahl haushoch gewonnen.

Niederländische Internetseite Geenstiljl

Am Tag nach der Wahl kritisieren Autoren der niederländischen Internetseite Geenstijl den Umgang mit dem PVV-Wahlergebnis.

(Foto: Screenshot: Geenstijl.nl)

Bei den landesweiten "Schülerwahlen", einer traditionellen Wahlsimulation, die einen Tag vor der Parlamentswahl unter 90.000 Schülern an 384 höheren Schulen veranstaltet wurde, eroberte die PVV 30 der fiktiven Sitze. Damit wäre sie stärkste Partei geworden.

Auch eine repräsentative Umfrage unter Jungwählern ergab kurz vor der Wahl, dass fast jeder fünfte beabsichtigte, für die PVV zu stimmen. Die Rechtspopulisten kommen bei den Jung- und Erstwählern gut an.

Die Polarisierung der niederländischen Jugend

Und es ist nicht Wilders' Charisma, das die Jugendlichen der PVV zutreibt. Bei der Frage nach ihrem Wunsch-Premier entschieden sich die jungen Wähler in der Umfrage mehrheitlich für den Sozialdemokraten Cohen. Ihre Wahlentscheidung wollten sie aber nach den programmatischen Aussagen der Parteien richten.

Soziologen und Pädagogen beobachten eine zunehmende Polarisierung von Hollands Jugend. Während junge Niederländer marokkanischer oder türkischer Herkunft sich frustriert von der ihnen vermeintlich feindlich gesonnenen Mehrheitsgesellschaft ab- und ihren eigenen Traditionen zuwenden, finden sich perspektivlose Jugendliche niederländischer Abstammung etwa in der von rechten Ansichten durchwirkten Lebenswelt der Gabber-Techno-Szene wieder.

Solche Segregation spiegelt sich im Gebrauch von Internet und neuen Medien. Bei den Kindern der nordafrikanischen Einwanderer beliebt sind Nachrichten- und Community-Seiten wie Maroc.nl und Marokko.nl, die wegen hetzerischer Leserkommentare zeitweise in der Kritik standen.

Rechte Kommentare zu jedem Thema

Ihre "autochthonen" Altersgenossen bevorzugen zum Beispiel das der Boulevardzeitung Telegraaf gehörende Sammelblog Geenstijl.nl, das Kritikern als flott aufgemachtes Sprachrohr des niederländischen Rechtspopulismus gilt.

Rechtsgewirkte User, die "reaguurders", überschwemmen seit Jahren Blogs und Nachrichtenseiten zu nahezu jedem beliebigen Thema mit Kommentaren, die einen vermeintlichen Volkszorn auf den Islam und die Herrschenden artikulieren und den baldigen Triumph des Geert Wilders ankündigen.

Auch das Königshaus wird in einer Weise angegriffen, die man selbst zur Zeit der radikalen Studentenbewegung "für unmöglich gehalten hätte", wie eine Untersuchung im Auftrag des Innenministeriums feststellt.

Abschottung jugendlicher Lebenswelten

Auch wo der Ton zivil bleibt, fürchten manche Niederländer, dass das Internet eine Abschottung der jugendlichen Lebenswelten voneinander und von der Gesamtgesellschaft befördere. Der polarisierende Einfluss des Internets schade dem sozialen Zusammenhalt mehr als Wilders, klagte die Publizistin Margreet Fogteloo.

Dagegen sieht der junge Autor und Historiker Philip Huff die Elterngeneration und die Medien in der Pflicht, wenn er vor einer "Altersversäulung" warnt. Die Abkopplung der unter 30-Jährigen von den Medien und dem Diskurs ihrer Eltern wertet er als Ausgrenzung einer Generation und ihrer Probleme.

Lesen Sie hierzu Berichte in der Süddeutschen Zeitung.

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