W&V: Fernsehen in neuer Dimension:Hinter dem 3-D-Hype

Im Kino sind dreidimensionale Filme bereits Kassenschlager. Viel deutet darauf hin, dass 3-D-Formate bald auch die Wohnzimmer erobern. Hinter den Kulissen einer Revolution.

Der Zuschauer fliegt in Avatar über den Regenwald von Pandora, taucht durch Nebelschwaden. Er folgt begeistert dem weißen Kaninchen (Alice im Wunderland). Und er spürt einen wohligen Schauer, wenn - wie in Kampf der Titanen - der geflügelte Hengst Pegasus vor seiner Nase herumflattert.

3-D Kino Konsolen Fernseher Werbeindustrie, AFP

Kinozuschauer mit 3-D-Brille: Die Technologiebranche setzt große Hoffnungen in die dritte Dimension - doch die Prognosen sind erst einmal verhalten.

(Foto: Foto: AFP)

Der Kinobesucher ist im 3-D-Fieber, daran ändern weder dümmliche Drehbücher noch albern aussehende Brillen was. Produktion und Technik sind endlich auf dem Stand, ihn in ferne dreidimensionale Welten zu entführen: wirklich mittendrin statt nur dabei.

Im vergangenen Jahr haben sich rund acht Millionen Kinobesucher einen Film in 3-D-Qualität angesehen. In diesem Jahr sind es bereits zehn Millionen. "Insgesamt", sagt Nils Schilling, Geschäftsführer des Kinovermarkters Werbe-Weischer, "werden wir 2010 auf 20 Millionen kommen."

400 Kinos können 3-D-Filme zeigen

Zahlreiche neue Filme in 3-D-Optik sind für dieses Jahr angekündigt, darunter Kracher wie die Toy Story oder der neue Harry Potter .

Der Kinobranche beschert dieser Hype einen unverhofften Umsatzschub, denn Karten für 3-D-Vorstellungen sind teurer: Nach Schätzungen der Filmförderungsanstalt beträgt der Aufschlag zwischen einem und 3,50 Euro. Ein Topzuschlag, der gern bezahlt wird.

"Wenn wir einen Film in 2-D und 3-D anbieten, entscheiden sich 80 Prozent der Besucher für die 3-D-Version", sagt Oliver Fock, Geschäftsführer der Kinokette Cinestar. Noch ist die Zahl der Abspielstätten beschränkt.

Nach Angaben von WerbeWeischer sind derzeit rund 400 Filmsäle in der Lage, dreidimensionale Filme zu zeigen; bis Jahresende sollen es rund 600 sein. Voraussetzung ist die Umstellung auf digitale Vorführtechnik und Investitionen in 3-D-taugliche Leinwände und Abspielgeräte.

Auch die Werbeindustrie springt auf den Zug auf

Auf 120.000 bis 140.000 Euro beziffert Cinestar-Chef Fock die Kosten. Kosten, die sich nach seinen Schätzungen aber in drei bis fünf Jahren amortisiert haben könnten. Denn nicht nur die Zuschauer scheinen den 3-D-Welten zu verfallen.

Auch die Werbekunden springen darauf an. Mitte Dezember präsentierte WerbeWeischer mit Samsung den ersten Markenartikler, der einen herkömmlichen Kinospot so nachbearbeiten ließ, dass er mit dreidimensionalen Effekten daherkam.

Inzwischen ließ Karlsberg für das Bier Mixery Blend einen Spot stereoskopisch produzieren: Im Vorfeld des Action-Spektakels Kampf der Titanen fliegt dem Zuschauer die Flasche des Szene-Biers entgegen. So eine 3-D-Produktion kann schon einmal das Doppelte eines herkömmlichen Spots kosten. Doch noch sichert er der Marke im Kino eine hohe Aufmerksamkeit.

Noch. Denn der 3-D-Trend schwappt gerade über und schickt sich an, auch die Wohnzimmer zu erobern. 3-D-Geräte aus der Gaming-Branche, deren Nutzer stets auf derSuche nach dem neuesten Kick sind, drängen in die deutschen Haushalte - wenn auch noch in kleiner Stückzahl.

Auch Konsolen werden 3-D-tauglich

Für den Computer brauchen Gamer spezielle Hardware. Hersteller wie Samsung, Viewsonic oder Acer besetzen gerade diese Nische. Auch erste Notebooks - etwa von Asus - kommen auf den Markt, die neben dem erforderlichen Bildschirm auch eine 3-D-taugliche Grafikkarte in ihren Eingeweiden tragen.

Kinostarts in 3-D

Diese 3-D-Filmpremieren kommen noch im Jahr 2010. Zum Vergrößern klicken Sie bitte auf die Lupe.

(Foto: Grafik: W&V)

Das US-Unternehmen Nvidia vertreibt seine Grafikkarten gleich im Set mit dazu passender 3-D-Brille. Handelspartner sind Amazon oder Arlt.com, aber auch Media-Markt. Die Nachfrage nach den Sets nimmt stetig zu. "Wir haben weltweit bisher 75.000 Stück verkauft, in Deutschland mehrere Tausend", erklärt Lars Weinand, Senior Technical Marketing Manager EMEA bei Nvidia.

Im Konsolen-Bereich unterscheiden sich die Angebote der großen Player merklich. Die Xbox von Microsoft ist schon 3-D-ready. Für sie existieren bereits mehrere dreidimensionale Spiele von Drittherstellern, darunter Avatar, G-Force und Invincible Tiger sowie Scrap Metal.

Nintendos DS wird zum 3DS

Nintendo kündigte vor wenigen Tagen an, dass eine tragbare Konsole, der Nintendo 3DS, erscheinen wird. "Damit wird man 3-D-Spiele ohne Spezialbrille spielen können, so der Hersteller. Weitere Details zu dem neuen Handheld behält man vorerst für sich. Sie werden im Juni auf der Electronic Entertainment Expo (E3) in Los Angeles verraten.

Seit vergangener Woche unterstützt auch die Sony PlayStation dreidimensionale Spiele. Sony Computer Entertainment Europe wird Anfang Juni vier passende Spiele auf den Markt bringen - zeitgleich mit der Präsentation der HX805-Serie von 3-D-Fernsehern.

Alle vier Titel erhalten Käufer der 3-D-Fernseher als Gratis-Dreingabe. Denn Sony hat bereits eine ganze "3-D-Welt" kreiert: Die Kinostreifen der Filmtochter sollen auf den TVGeräten und Blu-ray-Playern des eigenen Hauses landen.

Kampagne zur WM

Alle Unternehmensableger hat Firmenchef Howard Stringer auf das Hype-Thema 3-D eingeschworen. Deshalb wird die dritte Dimension auch im Mittelpunkt der Kampagne zur Fußball-WM in Südafrika stehen, die Sony als FIFA-Sponsor angekündigt hat. Massentauglicher Werbebotschafter ist der brasilianische Fußballer Kaka.

In Deutschland bringt der japanische Konzern zudem Besuchern der Berliner WM-Fanmeile das ungewohnte Bilderlebnis mithilfe einer "3-D Experience Zone" näher - 3-D zum Anfassen und Anschauen: Zusammen mit dem Weltfußballverband FIFA überträgt Sony insgesamt 25 Spiele dreidimensional live, beispielsweise die Eröffnungspartie am 11. Juni oder das Auftakt-Match der Deutschen gegen Australien am 13. Juni.

Andere Länder: Kneipenfußball in 3-D

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(Foto: Grafik: W&V)

Traditionell ist eine Fußball-WM eine exzellente Gelegenheit für TV-Hersteller, ihre Neuheiten zu promoten. Deshalb wird Sony auch Gesellschaft in den Werbeblöcken bekommen: Konkurrenten wie LG, Samsung und Panasonic glauben ebenfalls an den neuen Markt.

In der aktuellen LG-Kampagne taucht bereits ein Fernseher der neuen Gerätegeneration auf. Samsung wirbt ab Mai mit einem TV-Spot für sein 3-D-Portfolio. Wie schon Ende Dezember schicken die Koreaner auch eine 3-D-Version ihres Werbefilms ins Kino, wo die Dreidimensionalität eben schon angekommen ist.

"Wir sind überzeugt, dass 3-D im Home-Entertainment eine Erfolgsgeschichte wird", sagt Georg Rötzer, Head of Corporate Marketing bei Samsung. Die Werbeoffensiven der Unterhaltungselektroniker können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie nichts dringender brauchen als 3-D-fähige Inhalte.

Mangel an Inhalten

Wie schon bei der Einführung von HD-Fernsehern ist das größte Problem der TV-Fabrikanten der Mangel an Content. Zwar ist eine ganze Menge passender Filme angekündigt - doch als Verkaufsargument taugt dies vielleicht für Cineasten.

Deshalb sind die Prognosen auch erst einmal verhalten: Laut den Marktforschern von iSuppli werden 2010 weltweit etwas mehr als vier Millionen Fernseher mit der neuen Technik verkauft. Erst 2012 sei die Zeit gekommen, so iSuppli, in der auch eine breite Zielgruppe zu den HD-Nachfolgern greift.

Um das Geschäft zu pushen, suchen die Fernsehhersteller die Nähe der TV-Sender. So tut sich beispielsweise Panasonic mit dem Telekommunikationsunternehmen Orange und dem Sport-Kanal Eurosport zusammen. Die Partner ermöglichen die 3-D-Übertragung des Tennisturniers French Open (23. Mai bis 6. Juni). In Frankreich bleibt es nicht beim Tennis: Der Bezahlsender Canal+ kündigte für Dezember 2010 den Launch eines 3-D-Senders an.

Österreich vorne dabei

Ebenfalls einen Schritt voraus sind Großbritannien, die USA und Österreich. Dort gehören 3-D-Sendungen so langsam zum Alltag. Der österreichische TV-Kanal Servus TV verschickt derzeit Brillen an seine Zuschauer, damit die Bilder zum Greifen nahe werden.

In Großbritannien überträgt heute schon BSkyB Fußballspiele in Bars und Clubs in3-D-Qualität. Das ist aber nur der Auftakt für einen kompletten Sender, der in wenigen Tagen in den Regelbetrieb gehen soll. Seine Abonnenten sehen dann Sport, Filme und Unterhaltungssendungen in dreidimensionaler Optik.

Ein ähnliches Projekt verfolgt in den USA die Allianz aus Discovery, Sony und Imax. Die drei Medienkonzerne haben sich zusammengeschlossen, um einen 24-Stunden-3-D-Sender zu starten - mit Dokumentationen, Spielfilmen und Kindersendungen.

Warum sich deutsche Sender schwer tun

Die deutschen Sender experimentieren dagegen noch, könnten sich als Bremser der Entwicklung erweisen. Sat.1 nahm zwar mit einigem Aufwand das Champions-League-Spiel Bayern München gegen Manchester United auf und zeigte einer Handvoll VIP-Gästen die Zusammenfassung in der Lounge der Allianz-Arena.

Ob daraus jemals ein Regelbetrieb wird, ist unsicher. Bei Tests beließ es bisher auch der Bezahlsender Sky: Er installierte kürzlich 3-D-Kameras für das Bundesligaspiel Leverkusen gegen Hamburg, will aber in weitere Projekte vorerst nicht investieren. Ähnliches Bild bei RTL und RTL II. Konkrete 3-D-Planungen gebe es nicht, so eine Sprecherin.

Fernsehhändler und Installateure sind da schon weiter. Sie sollen gewappnet sein, wenn der 3-D-Hype die Wohnzimmer erreicht. Satellitenbetreiber Astra richtet für sie gerade einen Demokanal ein - mit Sport, Musik und Unterhaltung.

"Die Welle kommt mit Wucht"

Die Verkaufsexperten sollen ein Gefühl für die neuen 3-D-Bilder bekommen, wenn die ersten Kunden nachfragen. Die dreidimensionalen Welten werden zwar nicht die 2-D-Darstellung im Kino, auf dem Fernseher oder auf dem Computerbildschirm verdrängen, doch sie werden in alle diese Bereiche vordringen. "Die Welle kommt mit Wucht", erwartet etwa Grey-Chairman Frank Dopheide.

Und das mit Folgen für die Werbeagenturen. "Man hat dadurch ein zusätzliches Spielfeld für Ideen, das bietet eine große Chance", sagt Marco Mehrwald, CCO von Interone in München.

Noch gibt es keine überzeugenden Vorzeigeprojekte. Bei Kempertrautmann werden Filmsequenzen in 3-D für Layoutzwecke gerendert, um den Werbungtreibenden zu zeigen, was da möglich ist. Vorerst wird sich der 3-D-Einsatz nach Meinung zahlreicher Agenturchefs auf das Medium Kino konzentrieren. W&V-Informationen zufolge arbeiten aber auch einige Automobilhersteller gerade an 3-D-Filmen für den Messeeinsatz.

Eine neue Erzählhaltung

Mit den visuellen Möglichkeiten wachsen auch die Anforderungen an die Kreativen. "Speziell bei der Kombination von Real- und 3-D-Bild steigen die Komplexität der Aufgabe und die Anforderungen an ein Skript unglaublich", so Hartmut Kozok, Managing Director von Tribal DDB. Das Storytelling muss auf die dritte Dimension abgestimmt sein.

"Man muss sich an die andere Ästhetik erst gewöhnen", berichtet Michael Vitzthum, Geschäftsführer der Postproduktion nhb. Ähnlich wie Pictorion Das Werk oder Chroma TV sind die Postproduzenten Vorreiter in Sachen 3-D. "Ein Hexenwerk ist es aber nicht", sagt Vitzthum.

Fast jede Woche hat er Regisseure und Kreative im Haus, um Schulungen zu erteilen. Rund 200.000 Euro investierte nhb in Kamera- Rig, Projektor, Screenstudio. Bis Ende des Jahres soll sich die Anschaffung gerechnet haben.

Drei Projekte zur Fußball-WM sind in Arbeit. Und sicherlich werden bald viele weitere folgen. "Die faszinierende Realitätsnähe", so Tribal-DDBChef Kozok, "macht 3-D zu dem Tool der Zukunft für sämtliche Visualisierungstätigkeiten."

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