Volumengrenze für DSL-Tarife:Vorsicht, Tempolimit!

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Die Telekom drosselt von Mai an die Übertragungsgeschwindigkeiten bei Internetanschlüssen. Das trifft all jene, die oft Filme herunterladen oder im Netz spielen. Für manche Kunden könnte sich ein Anbieter-Wechsel lohnen.

Von Varinia Bernau

Natürlich wird sich niemand die Mühe machen, nachzuzählen. Das weiß René Obermann durchaus - und er räumt es mit einem spitzbübischen Lächeln sogar ein, wenn er auf Konferenzen diese riesige Zahl mit 22 Nullen nennt. Sie macht eben greifbar, vor welchen enormen Herausforderungen sein Konzern und die gesamte Branche steht: 40 Zettabyte an Daten werden im Jahr 2020 weltweit durch die Netze schwirren. Das entspreche der 57-fachen Menge an Sandkörnern aller Strände auf der Erde, so sagt es Obermann gern.

Um die Netze so auszubauen, das all diese Daten möglichst schnell ihren Weg von einem zum anderen finden, investiert die Telekom in den nächsten drei Jahren allein in den Ausbau der deutschen Netze zwölf Milliarden Euro. Und sie erzieht ihre Kunden zur Sparsamkeit: Für all jene, die von Mai an einen neuen Vertrag für eine Festnetz-Flatrate bei der Telekom abschließen, gibt es eine Obergrenze für den monatlichen Datenverkehr. So kann die Telekom bei Leitungen mit einer Geschwindigkeit bis 16 Megabit pro Sekunde die Geschwindigkeit drosseln, wenn das Datenvolumen 75 Gigabyte überschreitet.

Betreffen wird dies nur wenige: Im Schnitt verbraucht ein Kunde heute nur 15 bis 20 Gigabyte. Doch bei der Telekom stößt man sich zunehmend daran, dass ein kleiner Teil der Kundschaft für den größten Teil des Datenverkehrs sorgt. Derzeit, so heißt es bei dem Konzern, subventionieren die Durchschnitts- und Wenignutzer die so genannten Heavyuser - weil man unbegrenzt lange zu einem Pauschalpreis surfen kann. Die Tempo-Bremse wird aber voraussichtlich erst von 2016 an greifen. Doch schon jetzt fragen sich allerdings viele Kunden, ob es sich lohnt, den Anbieter zu wechseln.

Wie im Straßenverkehr

Zunächst sollte man sich überlegen, wozu man das Netz überhaupt nutzt. Es ist ein wenig wie im Straßenverkehr: Wer im Urlaub ohnehin nur in gemütlichem Tempo unterwegs ist, der muss auch nicht die Autobahn nehmen - und dort viel Geld für die Maut ausgeben. Um beim Surfen im Internet auf einen solch hohen Datenverkehr zu kommen, ab dem die Drosselung bei der Telekom einsetzt, müsste man sich in einem Monat zehn Filme in normaler sowie drei weitere in hoher Auflösung herunterladen, 60 Stunden Internetradio hören, 400 Fotos ins Netz stellen und 16 Stunden mit Onlinespielen verbringen. Für Haushalte, in dem viele Leute gleichzeitig mit verschiedenen Geräten im Netz surfen, kann sich ein Wechsel lohnen. Auch das ist ähnlich wie im Straßenverkehr: Je enger die Wege und je mehr dort zu Spitzenzeiten unterwegs sind, desto höher ist die Gefahr, dass es einen Stau gibt.

So mancher in der Branche ist allerdings der Meinung, dass früher oder später ohnehin auch die Konkurrenz mit einer ähnlichen Regelung nachzieht. Bei Vodafone, dem wichtigsten Rivalen der Telekom im Mobilfunk wie im Festnetz, will man davon noch nichts wissen. "Wir haben keine Pläne, die DSL-Geschwindigkeit unserer Kunden zu drosseln", betont ein Sprecher. Bei dem spanischen Telefónica-Konzern, der seine Festnetzkunden hierzulande einst unter der Marke Alice, inzwischen unter der Marke O2 bedient, gibt man sich da schon vorsichtiger: "Aus Branchensicht sind solche Überlegungen durchaus nachvollziehbar", heißt es. Wesentlich sei dabei, sich die Bedürfnisse der Kunden genau anzusehen und zu berücksichtigen, wenn es darum geht, Tarife neu zu gestalten. Konkrete Pläne aber gibt es dazu noch nicht.

Bei 1&1, der Nummer drei unter den Anbietern von Telefon- und Internetanschlüssen, ist man schon weiter: Seit zwei Jahren bietet das Unternehmen einen etwas günstigeren Tarif an, bei dem die Bandbreite ab einem Verbrauch von 100 Gigabyte im Monat gedrosselt wird - und einen zweiten ohne Tempobremse zu einem etwas höheren Preis. Die Staffelung schätzten derzeit vor allem die sparsamen Kunden, sagt eine Sprecherin. "Auf der anderen Seite sehen wir zunehmendes Interesse an den schnellen und mit Mehrwerten ausgestatteten Paketen."

Auch bei Kabel Deutschland sind die Geschwindigkeiten für das Rauf- und Runterladen von großen Dateien schon gedeckelt: Laut Vertrag liegt die Grenze bei einem Datenverkehr von zehn Gigabyte, de facto greift sie derzeit aber erst bei 60 Gigabyte am Tag, weil die Netze der Belastung standhalten. Noch zumindest. Im Moment, so sagt ein Sprecher, stößt erst einer von 1000 Kunden an diese Grenze. Doch man will eben gerüstet sein.

Geld für Netzausbau fehlt

Zu groß ist für die Anbieter derzeit die Gefahr, den Kunden an dauerhaft niedrige Preise zu gewöhnen - und im entscheidenden Moment nicht das nötige Geld für den notwendigen Netzausbau zu haben. Die Breitbandziele der Bundesregierung sehen vor, dass 2014 drei Viertel der Haushalte mit Geschwindigkeiten von 50 Megabit pro Sekunde angeschlossen sein sollen. Nach Branchenschätzungen sind dafür Investitionen in Höhe von etwa 40 Milliarden Euro nötig. Und diese Investitionen müssen eben vor allem die Netzbetreiber stemmen.

Und noch etwas sollte, wer nun über einen Anbieterwechsel nachdenkt, beachten: Auf die Übertragungsgeschwindigkeiten in den meisten Angeboten ist in der Realität nicht immer Verlass. Vor zwei Wochen kam die Bundesnetzagentur in einer umfangreichen Studie zu dem Ergebnis dass die vertraglich vereinbarten "bis zu"-Bandbreiten von den tatsächlichen Bandbreiten erheblich abweichen - und zwar für alle Technologien, alle Anbieter und alle Tarife.

Bei den Tests war das Internet in Ballungszentren etwas stabiler, also mit geringeren Abweichungen. Bei DSL-Anschlüssen spielte die Tageszeit, zu der Stichproben genommen wurden, kaum eine Rolle. Bei Kabel- beziehungsweise LTE-Verbindungen wurden in der Regel abends Geschwindigkeitseinbußen von bis zu zehn Prozent gemessen.

Wer einen Internetanschluss beantragt, sollte sich deshalb bereits vorab genau erkundigen, welche Geschwindigkeit bei dem Anschluss tatsächlich erreicht wird. Zwar sind die Anbieter seit einem knappen Jahr zu solch einer Angabe verpflichtet. Dennoch finden sich diese nur in wenigen Angeboten. "Der Kunde weiß so nur vage, mit welcher Leistung er konkret rechnen kann", so die Kritik von Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur. "Auch nach Vertragsabschluss und erfolgter Schaltung besteht kein überschwängliches Bemühen, dem Endkunden aktiv einen transparenten Überblick über die Leistungsfähigkeit des konkreten Anschlusses zu bieten."

© SZ vom 24.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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