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Volumengrenze bei Flatrates unzulässig:Warum die Drosselkom scheitern muss

All you can eat nur für dünne Menschen? Das wollte die Telekom im Internet durchsetzen, um mehr Geld zu verdienen. Netter Versuch. Das Landgericht Köln stoppt nun die Drosselpläne des Konzerns - zum Vorteil für Verbraucher und Demokratie.

Ein Kommentar von Bastian Brinkmann

Es gibt Restaurants, in denen jeder essen darf, so viel er will - zum Festpreis. Etwa All you can eat beim Running Sushi, mal 15 Euro, mal 25 Euro pro Person. Das Band liefert immer neue Fischhäppchen, auf den Tischen der Gäste stapeln sich die leeren Teller.

Das kann ein leckerer Deal sein, für hungrige Kunden und profitorientierte Gastronomen. So läuft auch bisher das Geschäft mit Internetzugängen. Einmal zahlen und surfen, bis die Festplatte voll ist.

Die Telekom will das ändern, doch das würde den Verbrauchern schaden und könnte sogar die Meinungsfreiheit gefährden. Der Marktführer der Internetanbieter durchbricht die bisherige Logik der Branche und will das Internet für die Kunden ausbremsen, die in den Augen des Konzerns zu viel surfen. Die ersten Pläne der Telekom sahen vor, die Geschwindigkeit auf quälend langsame 384 Kilobit pro Sekunde zu drosseln. Dann versuchte die Telekom, die Kritiker zu besänftigen, und bot eine Maximalgeschwindigkeit von zwei Megabit pro Sekunde an.

Das Landgericht Köln hat diese Pläne nun gestoppt. "Mit dem Begriff 'Flatrate' verbinde der Durchschnittskunde jedenfalls bei Internetzugängen über das Festnetz einen Festpreis für eine bestimmte Surfgeschwindigkeit und rechne nicht mit Einschränkungen", heißt es in der Pressemitteilung (hier als PDF). Die Drosselung komme für Kunden überraschend und störe "empfindlich" die Leistung der Telekom, weil für Kunden mit schnellem Internet zwei Megabit pro Sekunde weniger als zehn Prozent der ursprünglich vereinbarten Mindestübertragungsgeschwindigkeit bedeuten können, so das Gericht. Die Pläne der Telekom beträfen "ein breites Publikum und nicht nur sogenannte 'Power User'".

Mit denen hatte die Telekom stets argumentiert. Die Telekom zeigte auf einzelne Kunden, die sich als Vielfraß aufgespielt haben sollen. Nach Konzernangaben wäre jeder 25. Kunde von einer Drosselung betroffen. Aktivisten hatten betont, dass der Vielfraßvorwurf Humbug ist. Wer die Volumengrenze der Telekom auf einen Vier-Personen-Haushalt und auf die einzelnen Tage umrechnet, sieht: Die Telekom bietet nur noch ein Internetchen, das nach acht Minuten Online-Spielen täglich schon zusammenklappt. Die Telekom sprach lieber von 16 Stunden Zockerei pro Monat.

Angriff auf die Netzneutralität

Auf dem Smartphonemarkt sind Drosselungen schon Standard. Die Telekom will sie trotz des Urteils auch im Festnetzbereich durchsetzen und erwägt, gegen die Entscheidung aus Köln in Berufung zu gehen. Der Konzern verweist auf notwendige und teure Investitionen in die Netzinfrastruktur, die bezahlt werden müssten.

Die Begründung des Gerichtsurteils (hier als PDF) spart allerdings einen wichtigen Punkt aus: die sogenannten Managed Services. Die Telekom wollte das Internet nämlich nicht für alle Kunden komplett abdrehen. Wer etwa Kinofilme oder Fußball auf der Telekom-Videoplattform der Entertain abonniert, soll nach den Plänen des Konzerns trotz Unmengen heruntergeladener Daten keine Probleme bekommen. Dadurch entstünden zwei Internets. Eines für die Normalos, in dem gedrosselt wird. Und eines für die Edelkunden der Telekom, die auch noch Entertain-Videos schauen können, wenn der Konzern beim Nachbarn schon die Bremse gezogen hat.

Internet ist Lebensraum

Nur wenn beispielsweise Videoanbieter wie Youtube an die Telekom zahlen, sollen auch sie weiterhin durchgeleitet werden. Die Menschen könnten dann nicht mehr frei anklicken, was sie interessiert - sondern müssten klicken, was finanzstarke Firmen anbieten. Das aber gefährdet die Meinungsfreiheit. "Hier steht nicht weniger als die Zukunft der pluralistischen Demokratie auf dem Spiel", wie letztens eine SZ-Kollegin lesenwert schrieb.

Setzt sich die Telekom doch noch vor einem höheren Gericht durch, würde dies das Internet spalten. Doch das Netz ist nicht irgendeine Dienstleistung, die man in der Luxusausstattung oder als Billigversion anbieten kann. Es ist ein atmungsaktiver Lebensraum, es ist Nachschlagewerk und Tagebuch, Kommunikationsapparat, Einkaufsberater und Lebenslagenweiterhelfer. Das hat letztens erst der Bundesgerichtshof festgestellt: Weil das Internet für die Menschen so wichtig geworden ist, hat ein Kunde Anspruch auf Schadensersatz, wenn ein Internetanschluss ausfällt.

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