Virtuelle Währung Bitcoins:Trügerische Faszination

Bitcoins faszinieren die Menschen, weil das virtuelle Währungssystem verspricht, fehlerfrei zu funktionieren. Vor allem in Zeiten der Verunsicherung verfallen viele diesem Glauben. Das ist ein natürlicher Reflex, aber ein gefährlicher.

von Varinia Bernau

Auf die Maschine ist nicht unbedingt mehr Verlass als auf den Menschen. Und dennoch verfallen wir diesem Glauben immer wieder - und zwar vor allem in Zeiten der Verunsicherung. Es ist ein natürlicher Reflex, aber ein gefährlicher. In diesen Tagen lässt sich die trügerische Faszination, die ein paar Zeilen Programmcode entfalten können, besonders anschaulich an den Bitcoins beobachten.

Die Idee hinter dieser digitalen Währung entstand im Jahre 2008. Niedergeschrieben wurde sie von einer Person namens Satoshi Nakamoto, die sich bald schon als eine Art Phantom erweisen sollte. Zuvor aber schrieb sie ein Programmcode nieder, mit dem sich im Laufe eines äußerst komplexen Rechenvorgangs die digitalen Münzen schürfen lassen. Bitcoins sind also nicht anderes als kleine Datenpakte, die nur im Netz entstehen - und auch nur dort gehandelt werden. Keine Regierung wacht über diese Währung, keine Notbank steuert sie.

Genau deshalb haben Bitcoins im Laufe des vergangenen Jahres enorm an Wert gewonnen. Fünf Dollar war eine digitale Münze vor einem Jahr erst wert, inzwischen sind es mehr als 90 Dollar. Dazwischen liegen: all die mühsamen und letztlich doch wieder gescheiterten Versuche, den Euro zu retten und die Schuldenlast in Japan und den USA zu mindern. Mit jedem weiteren Rückschlag, jedem aufgestockten Rettungspaket, jeder angeworfenen Notenpresse haben die Menschen etwas mehr Vertrauen in das etablierte Finanzsystem verloren. Und etwas mehr Vertrauen in die Bitcoins gewonnen. Die Menge der digitalen Münzen ist durch die Software begrenzt, die sie geschaffen hat. Der Computer ist unbestechlich.

Dabei sind Bitcoins eben nicht nur Geldanlage, sondern auch Zahlungsmittel. Einst als Hackerwährung belächelt, erobern sich die digitalen Münzen gerade ihren Weg von der virtuellen in die reale Welt. Gewiss, es sind nur wenige Läden, in denen sich die Rechnung mit Bitcoins begleichen lässt. Doch wer sich mit jenen unterhält, die die digitalen Münzen schürfen, diese als Äquivalent zum Euro akzeptieren oder gar ihre Vermögen umschichten, der spürt nicht nur ein großes Misstrauen in das etablierte Finanzsystem. Er spürt auch die Hoffnung, dass da etwas Neues entstehen könnte.

Zu diesen Hoffnungsträgern gehören auch die Internetunternehmer Cameron und Tyler Winklevoss. Sie haben so viele Bitcoins gehortet wie kaum ein anderer Investor. Sie wollen, so sagen sie, ihr Geld in ein mathematisches System stecken, das frei von politischen und menschlichen Fehlern ist. Bitcoins sind in der Finanzwelt somit das, was das Navi einst für den Straßenatlas war - und die Piraten für die etablierten Parteien. Das virtuelle Währungssystem fasziniert die Menschen, weil es verspricht, fehlerfrei zu funktionieren. Je mehr Schwächen die etablierten Strukturen offenbaren, desto stärker suchen die Menschen nach solcherlei Alternativen.

Das Internet ist ihnen dabei eine enorme Hilfe. Es erleichtert den Austausch - über Kontinente hinweg, binnen Sekunden. Manche Probleme lassen sich so in den Griff bekommen. Aber ebenso oft suggeriert diese Technik eben auch eine Lösung, die gar keine ist. Ist die repräsentative Demokratie wirklich so schlecht, dass man sie durch eine netzbasierte Demokratie ersetzen muss? Und sollte man seinen Orientierungssinn im Straßenverkehr wirklich ausschalten, sobald einem eine computergesteuerte Stimme den Weg weist? Nein, denn das kann zu schweren Unfällen führen.

Es gibt einige Argumente gegen Bitcoins, die auch in den vergangenen Wochen immer wieder von Skeptikern vorgebracht und von den Befürwortern doch ebenso einfach entkräftet werden: Der Code aus Zahlen und Buchstaben ist vielen suspekt, weil nur wenige Experten ihn durchschauen. Als ob bei einer Überweisung Geldscheine von einem Ende der Welt ans andere getragen würden! Und da ist die mangelnde Kontrolle - und die Gefahr, dass Kriminelle die digitale Währung nutzen, um Geld zu waschen. Dabei hinterlässt auch Bargeld kaum Spuren!

Entscheidend ist am Ende wohl dieses Argument: Dass Bitcoins die wirtschaftlichen Probleme lösen könnten, ist ein Irrtum. Wer einer Maschine sein unbedingtes Vertrauen schenkt, der schaltet seinen Verstand aus. Der vergisst, dass Geld immer auf Vertrauen basiert - egal ob es aus Gold gestanzt, auf Papier gedruckt oder eben als Kombination von Zahlen und Buchstaben geschaffen wird. Die Weltwirtschaft hat große ökonomische Probleme, so hat es der Ökonom Paul Krugman kürzlich auf den Punkt gebracht, aber Schuld daran sind nicht die Geldscheine, sondern die Art, wie die Notenbanken und Regierungen damit umgehen.

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