Videoplattform:So viel verdienen Youtube-Stars

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Mit der Aktion #nichtschoen protestierten Youtuberinnen gegen die Reduzierung auf das Aussehen. (Foto: Youtube)
  • Populäre Youtube-Filmer verdienen mit Werbung hohe Beträge. Laut SZ-Informationen bezahlen die Firmen fünfstellige Summen.
  • Die hochbezahlten Youtube-Stars organisieren sich in "Netzwerken", die als Vermarktungsagenturen fungieren.
  • Nicht immer ist Werbung als solche zu erkennen. Manche Netzwerke sollen ihre Mitglieder sogar dazu auffordern, Schleichwerbung zu betreiben.

Von Martin Schneider und Hakan Tanriverdi

Nilam Farooq sagt, sie habe gute Laune. Dann stellt sie Produkte vor, fast 13 Minuten lang. Sie hält ein Enzympeeling in die Kamera, eine Tagescreme, eine Schönheitsdusche, einen Lippenstift, eine Fitness-DVD und einen Haarentfernungslaser. Das Markenlogo ist jedes Mal gut zu erkennen. Zur Sicherheit nennt Farooq aber auch den vollständigen Produktnamen, den Hersteller. Und natürlich findet sie alle Produkte gut.

Im Netz nennt sich die 25-Jährige "daaruum". Sie ist einer der Top-Youtube-Stars aus Deutschland. Bald wird sie eine Million Abonnenten haben, also Menschen, die regelmäßig ihre Videos gucken, vor allem Mädchen und junge Frauen. In der Beschreibung des Videos - eine Art Kleingedrucktes - sagt Farooq, dass sie mit keiner Firma zusammengearbeitet hat. Sie sagt also, dass sie kein Geld für dieses Video bekommen hat.

Stars wie Farooq sind ein Traum für die Werbewelt. Sie sind so alt wie die Zielgruppe, sprechen deren Sprache und präsentieren Produkte meist in der eigenen Wohnung. Die Aufnahmen vermitteln vor allem zwei Botschaften: Nähe und Glaubwürdigkeit. Dieses Umfeld ist perfekt für Markenwerbung. Die Videos werden hunderttausendfach geklickt. Die Reichweite ist teilweise größer als die von vielen Fernsehsendungen.

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Firmen zahlen fünfstellige Beträge

Für Firmen ist es deshalb sinnvoll, mit ihren Marken in den Videos aufzutauchen. Firmen zahlen für Kooperationen, bei denen ein Produkt "redaktionell eingebunden" wird, mitunter fünfstellige Beträge. Der Preis richtet sich nach der Beliebtheit des Stars. Die Verträge sind geheim, die Stars zum Schweigen verpflichtet. Nach internen Preistabellen, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, erhält Nilam Farooq 12 800 Euro pro Kooperation. Auch außerhalb von Youtube kann man mit ihr werben, ein Post auf ihrem Instagram-Account kostet 2970 Euro. Farooq selbst will die Zahlen nicht kommentieren. Im vergangenen Jahr sei in acht ihrer ungefähr 150 Videos eine solche Kooperation erfolgt. Sie habe das stets gekennzeichnet.

Es gibt in Deutschland längste eine professionelle Youtube-Szene. Sie organisiert sich heute vor allem in Agenturen, auch Netzwerke genannt. Die bekannteste heißt Mediakraft und geriet zuletzt vor allem deswegen in die Schlagzeilen, weil bekannte Youtube-Stars das Netzwerk öffentlichkeitswirksam verließen. Die Austritte haben Mediakraft enorm geschadet, der Geschäftsführer Christoph Krachten musste gehen.

Netzwerke stehen für ein Geschäftsmodell, das aus Youtubern Geldmaschinen macht, indem sie Verträge und Werbedeals vermitteln und dafür Provision kassieren. Mediakraft hat für alle Mitglieder eine interne Preisliste. Bis 10 000 Aufrufe kostet eine Produktplatzierung 525 Euro, bis 25 000 Aufrufe 1750 Euro, bis 50 000 Aufrufe 3500 Euro. Bei mehr Aufrufen - wie etwa bei Farooq - wird separat verhandelt. Mediakraft wollte sich zu den Zahlen nicht äußern.

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Der Verein 301plus möchte ein Gegenmodell zu der überkommerzialisierten Youtube-Welt sein. 15 Menschen haben ihn gegründet. Auch Farooq gehört dazu. Marie Meimberg, 31, ist die Vorsitzende. Sie hat früher selbst einige Monate bei Mediakraft gearbeitet, als "Head of Partner Relation and Creation" - oder, wie sie selbst sagt, "als gute Fee". Dann kündigte sie wegen "unüberbrückbarer inhaltlicher Differenzen".

301plus ist in ihrem Loft im Dachgeschoss einer ehemaligen Berliner Papierfabrik entstanden. Wer durch die Eingangstür tritt, steht direkt im Wohnzimmer. Links ein Kamin, die Holzscheite sorgfältig gestapelt, davor ein XL-Ledersitz. Dahinter ein großer Ess- und Kickertisch, in der Ecke liegen Scheinwerfer. Die Truppe trifft sich hier oft zum Essen und redet über Youtube und die Zukunft von Videos im Internet.

Youtube-Werbegesicht Nilam Farooq, alias "daaruum". (Foto: Screenshot: Youtube/daaruum)

"Die Youtube-Szene hat noch nicht so viele Orte, an denen die Macher außerhalb von Netzwerken zusammenkommen können, um einfach zu sagen: ,Lasst uns mal über unsere Themen reden'", sagt Meimberg. Und zwar vor allem über Grundsätzliches. "Es gibt Themen, die sind in anderen Gesellschaftsbereichen schon längst durchdiskutiert. Aber in der Youtube-Szene noch nicht." Ende 2014 veröffentlichte sie zum Beispiel ein Video mit dem Titel "Ich bin #nichtschön." Ein Aufbegehren von 30 deutschen Youtuberinnen, deren Fangemeinde eher über die Optik der Frauen urteilte als über die Videos selbst.

Mediakraft soll Mitglieder zu Schleichwerbung aufgefordert haben

Ein anderes wichtiges Thema des Vereins ist die Schleichwerbung. In den vergangenen Monaten gerieten mehrere Youtube-Stars, darunter auch Farooq, öffentlich in die Kritik. Schleichwerbung sei ein Riesenproblem, so Meimberg. Es gebe in der Szene tiefschwarze Schafe. Vor allem, wenn Youtuber mit großer Reichweite Kooperationen nicht oder nicht ausreichend kennzeichnen, sei das für alle ehrlichen Macher ein Desaster. "Man macht sich langfristig unglaubwürdig damit. Es ist einfach unverantwortlich."

Nach Recherchen von "Report" Mainz soll Mediakraft seine Mitglieder aktiv dazu aufgefordert haben, Werbung als eigene Meinung zu verkaufen. Davon sprach eine Youtuberin, anonym, die Teil des Netzwerkes ist. Mediakraft streitet das ab. Man weise die Partner darauf hin, klar zwischen gewerblichen und redaktionellen Angaben zu trennen und Werbung als solche zu kennzeichnen.

Farooq ist natürlich nicht die einzige Beauty-Bloggerin, die Produkte auf Youtube anpreist. Tube-One, die zweite große Agentur neben Mediakraft, wirbt offensiv auf der Startseite mit der Möglichkeit der Produktplatzierung. Die Videos von anderen Beauty-Bloggern, etwa von Sami Slimani, einem 24-jährigen Stuttgarter mit ebenfalls mehr als einer Million Abonnenten, sind teilweise von Dauerwerbesendungen nicht mehr zu unterscheiden.

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Rundfunkstaatsvertrag: Werbung muss erkennbar sein

Meimberg hat eine klare Position zum Thema: "Werbung muss transparent sein." Produktplatzierungen gehören also gekennzeichnet. Wäre der 13-minütige Produktmarathon ihrer Freundin Farooq eine Kooperation gewesen, hätte diese das gekennzeichnet, ist Meimberg überzeugt. Der Verein will sich nun rechtlich absichern und Meinung von Experten einholen, um herauszufinden, was juristisch gesehen legal ist. "Das ist die Grundlage dafür, um entscheiden zu können, was auch moralisch in Ordnung ist."

Tatsächlich ist es so: Der Rundfunkstaatsvertrag oder auch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb sagen grob, dass Werbung erkennbar sein müsse und den Zuschauer nicht irreführen darf. Umstritten ist, ob mit einem Vermerk in der Videobeschreibung für genug Transparenz gesorgt ist. Mediakraft selbst sagt in einer Stellungnahme, dass es diese Kennzeichnung nicht für ausreichend hält. Denn wer das Video schaut, muss nicht zwingend die Video-Infos anklicken.

Bleibt die Frage, warum Nilam Farooq 13 Minuten lang Produkte lobend in die Kamera hält, wenn es keine Werbung sein soll. Das Video, sagt sie, sei ein sogenanntes Favoriten-Video, in dem es eben darum ging, Produkte zu nennen, die einem in letzter Zeit gefallen hätten. "Die Nennung des Produktnamens ist ein Wunsch der Zuschauer", sagt Farooq. "Es bringt einem ja herzlich wenig, wenn ich sage 'Die Creme mag ich', und am Ende weiß der Zuschauer ja gar nicht, welche."

© SZ vom 14.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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