Video-Plattformen:Facebook sägt an Youtubes Thron

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Die AGF, die zuständig ist für die TV-Quotenmessung, wird künftig auch die Nutzung von Youtube-Videos messen lassen. (Foto: Britta Pedersen/dpa)
  • Youtube ist die dominierende Video-Plattform, doch zahlreiche Konkurrenten wachsen heran.
  • Insbesondere Facebook hat in den vergangenen Monaten seine Videofunktionen stark ausgebaut und gräbt Youtube Marktanteile ab.
  • Auf Facebook lässt sich mit Videos derzeit noch kein Geld verdienen.

Von Simon Hurtz

Wer sich durch Youtubes Statistiken wühlt, darf keine Angst vor großen Zahlen haben: Monat für Monat schauen sich laut Konzernangaben mehr als eine Milliarde Menschen Youtube-Videos mit einer Gesamtlänge von über sechs Milliarden Stunden an; alle 60 Sekunden werden 100 Stunden neues Videomaterial hochgeladen. Das klingt nicht so, als müsste sich Youtube um seine Vormachtstellung sorgen, wenn es um Bewegtbild im Internet geht.

Doch die Mitbewerber heißen heute nicht mehr Myvideo und Dailymotion, sondern Facebook und Twitter - und sind zu echten Konkurrenten geworden. "Bewegtbild ist das neue Selfie", sagt ein Facebook-Sprecher. Es sei "der Wahnsinn", wie viele Menschen mittlerweile Online-Videos produzieren, anschauen und teilen würden. Kein Wunder also, dass sich Facebook und andere Firmen ein Stück von Youtubes Kuchen abschneiden wollen.

Kampfansage an Youtube

Als Mark Zuckerberg Ende Januar Facebooks Quartalsergebnisse verkündete, war das eine implizite Kampfansage an Youtube. Täglich werden auf dem sozialen Netzwerk drei Milliarden Videos abgespielt - der Juni 2014 war der erste Monat mit durchschnittlich einer Milliarde Abrufe pro Tag. Mittlerweile schauen sich amerikanische Desktop-Nutzer mehr Videos auf Facebook als auf Youtube an. "Einer der großen Trends wird die Zunahme unserer Bewegtbild-Inhalte sein", kommentierte Zuckerberg diese Entwicklung.

Eine Entwicklung, die Facebook kräftig mit befeuert hat. Im Laufe der vergangenen Monate wurden etliche Funktionen eingeführt, die Video-Inhalte in den Vordergrund rücken sollten. So werden Videos mittlerweile automatisch ohne Ton abgespielt, sobald sie in der Timeline auftauchen - ein Grund für die Vervielfachung der Abrufe. Der Player hat ein neues Design und zeigt nun die Zahl der Abrufe an. Außerdem haben Seitenbetreiber jetzt die Möglichkeit, ihre Videos, ähnlich wie bei Youtube, in Playlists zu sortieren und einzelne Videos besonders prominent hervozuheben.

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Die Facebook-Timeline ist plötzlich voller Videos

Wer Facebook regelmäßig nutzt, dürfte zudem festgestellt haben, dass die Zahl der Videos in der Timeline deutlich zugenommen hat. "Im Vergleich zu Links, Bildern oder Status-Updates werden Video-Postings bevorzugt", sagt Bertram Gugel, der Video-Strategien und -Formate für Unternehmen entwickelt und seit zehn Jahren über Online-Videos bloggt.

Aus der Sicht von Facebook sei diese Entscheidung logisch: "Gefühle lassen sich in Videos viel unmittelbarer ausdrücken. Bewegtbild ist dabei, Text als Standard-Kommunikationsform im Internet abzulösen", sagt Gugel. Keine allzu gewagte Prognose: Eine Studie des amerikanischen Telekommunikationsdienstleisters Cisco sagt voraus, dass im Jahr 2019 13-mal so viele Videos angeschaut werden wie 2014.

Doch Facebook komme nicht nur den Vorlieben der User entgegen, meint Gugel, sondern verschaffe sich auch eine bessere Verhandlungsposition in Gesprächen mit Werbetreibenden: "Alle Netzwerke und Plattformen wollen die Verweildauer auf ihrer Seite steigern. Indem Facebook seine Videos pusht, bringt es die User dazu, weniger schnell weiter zu klicken. Je länger man Facebook nutzt, desto mehr Anzeigen bekommt man zu Gesicht."

Gleichzeitig sinkt die Sichtbarkeit von Youtube-Videos. Entsprechende Beschwerden von Seitenbetreibern kommentierte ein Facebook-Manager: "Lots of work in progress [...] Nummer sicher ist: Video direkt auf Facebook hochladen." Das bestätigt ein Sprecher des Unternehmens: "Dass nativer Content bevorzugt angezeigt wird, ist völlig normal. Jede Plattform priorisiert Inhalte, die sie selbst hostet." Während Links zu Youtube mittlerweile nur noch ein kleines Vorschaubild erhalten, werden direkt bei Facebook hochgeladene Videos großformatig in der Timeline angezeigt.

Die Strategie ist klar: Bewegtbild-Produzenten sollen ihre Inhalte direkt bei Facebook hochladen, anstatt sie bei Youtube einzustellen und den Link auf Facebook zu teilen. In Einzelfällen klappt das bereits. Buzzfeed beispielsweise hat damit vor gut einem Jahr begonnen - mit Erfolg: Innerhalb von 24 Stunden wurde ein eher skurriler Clip mit Barack Obama rund 20 Millionen Mal angeschaut.

Youtube hat noch einen entscheidenden Vorteil

"Für Publisher ist Facebook spannend, wenn es um Trailer oder ähnliches geht", sagt Thomas Gigold, der mit seiner Agentur Medienrauschen unter anderem die Facebook-Seiten von Unternehmen betreut. Noch gebe es aber einen entscheidenden Nachteil: "Ich kann auf Facebook kein Geld verdienen. Es fehlt die Möglichkeit, vor einem Video Werbung zu schalten." Für die etablierten Youtube-Stars sei Facebook deshalb noch keine echte Alternative.

Video-Experte Bertram Gugel sieht das ähnlich: "In Sachen Vermarktung ist Youtube weit voraus. Professionelle Video-Produzenten wollen und müssen sich refinanzieren." Bis es analog zu Youtubern die ersten Facebooker gebe, werde es noch dauern: "Youtube betreut seine Stars, bietet ihnen Partnerprogramme und beteiligt sie an den Erlösen. Diese professionellen Strukturen bietet keine andere Plattform."

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Auch bei Youtube weiß man um die strategischen Vorteile. Man beschäftige sich nicht mit potentiellen Konkurrenten, sondern konzentriere sich darauf, die eigene Plattform weiter zu entwickeln, sagt eine Sprecherin. Alleine in Deutschland gebe es mehrere Hundert hauptberufliche Youtuber: "Die Inhalte unserer Partner sollen noch besser werden. Deshalb investieren wir in Video-Workshops und übernehmen die Vermarktung, damit sich die Youtuber ganz auf die Inhalte konzentrieren können."

Einem Bericht des Wall Street Journal zufolge versuchen Facebook und das Start-up Vessel, prominente Youtuber abzuwerben. Twitter hat Anfang des Jahres einen eigenen Video-Player vorgestellt und im Februar das Start-up Niche übernommen, um Video-Produzenten mit Werbetreibenden zu vernetzen. Auch Snapchat und Instagram entwickeln erfolgreich eigene Video-Formate.

Videos bald im Hochkant-Format?

"Während sich Youtube weiter professionalisiert, macht es Platz für andere Anbieter", sagt Bertram Gugel. Immer seltener würden verwackelte Privataufnahmen oder kurze virale Clips bei Youtube hochgeladen. " Me at the Zoo", das die drei Gründer 2005 als erstes Video überhaupt bei YouTube-Video veröffentlichten, wäre heute eher ein Fall für Facebook oder Twitter. Als "Low-end-Disruption" bezeichnet Gugel diese Entwicklung in seinem Blog. Er sagt: "Die Geschichte wiederholt sich: Facebook ist da, wo Youtube vor fünf oder sechs Jahren war."

Vor allem der Übergang von der Desktop- zur mobilen Nutzung komme dem sozialen Netzwerk zugute, dadurch würden sich die Machtverhältnisse im Internet grundlegend neu sortieren: "Für Facebook sind Smartphones und Tablets die wichtigste Plattform. Wenn sie es schaffen, ähnlich wie Instagram oder Vine eigene mobile Video-Formate zu entwickeln, könnten sie sich damit von Youtube abgrenzen", sagt Gugel. "Vielleicht sehen wir ja bald Videos im Hochkant-Format. In den nächsten Monaten dürfte der Markt nochmal gründlich durcheinander gewirbelt werden."

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