Verschlüsselung:Für die USA ist regulierte Verschlüsselung ein "Handelshemmnis"

Die USA wollen Verschlüsselung in TTIP neu regeln. Sie verweisen auf zwei Dokumente als Vorbilder einer neuen Regelung mit Europa: Den Empfehlungen eines Konsortiums der Halbleiter-Industrie namens World Semiconductor Council (WSC) - dazu gehören unter anderem IBM und Bosch, deren Produkte Verschlüsselung nutzen - und auf TPP, das Handelsabkommen zwischen den USA und elf anderen Staaten wie Australien oder Vietnam. Dieses pazifische Pendant zu TTIP wurde Anfang des Jahres unterzeichnet.

Beide Dokumente erklären Regulierung von Verschlüsselung zum "Handelshemmnis". TPP verbietet solche Eingriffe in vielen Fällen: Unterzeichner des Abkommens dürfen Anbieter kommerzieller Produkte, die Kryptografie nutzen, nicht zwingen, Behörden Zugang zu ihrer Technik zu ermöglichen. Sie dürfen dies zumindest nicht für "Produktion, Verkauf, Vertrieb, Import oder Nutzung des Produktes" voraussetzen. So ähnlich soll es nach US-Wünschen auch in TTIP stehen.

Die TPP-Passage klingt, als hätten die USA die Vorstellungen des Silicon Valley durchgesetzt. Allerdings folgt eine große Ausnahme, die klingt, als hätte sie der FBI-Chef persönlich geschrieben: Behörden können Anbieter verschlüsselter Software weiter zwingen, verschlüsselte Daten für Ermittler lösbar zu machen. Ein großes Schlupfloch für den Sicherheitsapparat.

Bei Verschlüsselung bedeuten staatliche Eingriffe ein Risiko für den Bürger

Ohnehin enthält praktisch jedes Handelsabkommen eine Klausel, nach der Regierungen Vereinbarungen aus Gründen der "nationalen Sicherheit" außer Kraft setzen können. Ein Dilemma wird im TPP-Text nicht gelöst: Immer mehr Unternehmen verschlüsseln ihre Produkte Ende-zu-Ende, zuletzt Whatsapp. Sie haben also selbst keinen Zugriff auf die Nachrichten. Wie sollen sie diese dann an Behörden weitergeben? Es geht also um eine ziemlich verwässerte Regelung. Doch selbst die geht den Europäern schon zu weit.

Nun sehen TTIP-Kritiker den Abbau von Regulierung skeptisch. Allerdings liegt der Fall bei Verschlüsselung anders als etwa beim Umweltschutz. Staatliche Eingriffe in Kryptografie bedeuten ein Risiko für die Bürger. Zum möglichen Verbot von Hintertüren in TTIP sagt Jan Girlich vom Chaos Computer Club, der sich für Verschlüsselung einsetzt: "Jedes vernünftige Land würde sich so eine Regelung selbst auferlegen, und jedes Land, dass das nicht will, hat Angst um seine Überwachungsmacht."

Andere Bürgerrechtler wie die der amerikanischen Organisation EFF finden, Regeln zur Kryptografie hätten in einem Freihandelsabkommen ohnehin nichts zu suchen, weil Kryptografen und Öffentlichkeit nicht mitreden könnten. Jeremy Malcolm, der sich für die EFF um TPP und TTIP kümmert, geht davon aus, dass der TPP-Vertragstext explizit schwammig formuliert wurde. Unklar bleibt, ob eine "Nutzung des Produkts" auch Nutzer schütze. Von ihnen ist an keiner Stelle die Rede.

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