Vernetztes Hamburg:Die Hansestadt, die alles weiß

Elbphilharmonie

Skyline von Hamburg

(Foto: dpa)

Wer in Hamburg eine Straftat begeht, sollte das nicht am Hafen tun. Den überwachen 150 Kameras. Doch der "Smart Port" ist erst der Anfang. Die amerikanische Technikfirma Cisco will aus der Stadt eine "Smart City" machen.

Von Kristina Läsker, Hamburg

In einem Film würde der Raum in der Zentrale von Hamburgs Hafenbehörde vielleicht Das Auge heißen. Das Auge sieht vieles: Die Staus auf der Köhlbrandbrücke ebenso wie die Lage an den Schleusen und den Brücken. Mehr als 150 Kameras sind quer über das Gelände im Süden der Hansestadt verteilt. Wer in Hamburg eine Straftat begehen will, sollte das nicht im Hafen tun. Betrieben werden die Kameras von der Polizei und von der Hamburg Port Authority (HPA). Und die HPA sammelt nicht nur diese Bilder: In einem Leitstand, dem Port Monitor, erfasst sie Daten wie die Pegelstände der Elbe, die Positionen der Schiffe und die Baustellen auf dem Wasser.

Akribisch sammeln sie Daten, denn die Behörde hat eine Vision: Sie will die vielen Informationen und die IT-Systeme miteinander verknüpfen - und so etwas wie Das Superauge schaffen.

Das Ziel: Schiffe, LKWs, Züge und Menschen sollen sich aufeinander abgestimmt bewegen. "Wir wollen die Verkehrsströme optimieren", sagt HPA-Vorstand Sebastian Saxe. Der Chief Information Officer will den größten deutschen Hafen zu einem Smart Port ausbauen. Zu einem Hafen, in dem Schwenkbrücken mit Verkehrstafeln sprechen und Baustellen mit Leitzentralen. Eine Welt, in der Lkw-Fahrer und Kapitäne mithilfe von Apps, Programmen also für das Handy, ihre Waren ungestört bewegen. "Wir wollen den Verkehr möglichst individuell steuern", sagt Saxe.

Den Datenschutz sehen manche kritisch

Zum Testen wurden 20 Lkw-Parkplätze im Hafen mit Boden-Sensoren ausgestattet. Über eine App können die Trucker jetzt abfragen, ob ein Platz frei ist. Das Navigationsgerät lotst dann den Laster in die Lücke. Der Hafenmann Saxe ist Mathematiker und für ihn birgt all das große Chancen. Denn Deutschlands größter Hafen - er schafft Arbeit für gut 260 000 Menschen - ist auf Wachstum ausgelegt. 2013 wurden 9,3 Millionen Container bewegt. Bis 2025 sollen es 15,4 Millionen sein, auf gleichbleibender Fläche. Schon heute gibt es Engpässe. Deswegen schwärmen die Schifffahrtskaufleute von Smart Ports. Andere sehen das Thema kritisch, wegen des Datenschutzes: "Es darf keine vollkommene Überwachung geben", sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen in Hamburg, Anjes Tjarks.

Auch Manager Saxe hält die Kameras im Hafen und den Umgang mit bewegten Bildern für "ein sensibles Thema". Um den Smart Port zu realisieren, müsse man "teilweise Gesetze ändern", sagt er, als er den Überwachungsraum bei der HPA vorführt. Dafür sei eine gesellschaftliche Debatte über den Umgang mit Daten nötig, sagt er.

Straßenlaternen bekommen Sensoren

Solche Worte lassen aufhorchen, denn die Smart-Port-Projekte sind erst der Anfang. Sie sind die Piloten der sogenannten Smart City, dem intelligenten Hamburg von morgen. Das Ganze gehört zu den Lieblingsideen von Bürgermeister Olaf Scholz. Ende April hat der SPD-Politiker einige Top-Manager des US-Konzerns Cisco empfangen. Im edlen Phönix-Saal des Rathauses wurde ein "Memorandum of Understanding" unterzeichnet. Demnach wollen Stadt und Konzern vier Jahre lang bei elf Pilotprojekten kooperieren: Ein Beispiel: Erstmals sollen Hamburgs Straßenlaternen Sensoren bekommen, die das Außenlicht messen: Die Idee: Sie sollen nur leuchten, wenn es wirklich dunkel ist. Auch die Ampeln sollen schlauer werden: Ausgerüstet mit Wärmesensoren sollen sie den Fluss von Personen und Autos und damit die Verkehrsströme erfassen.

Wie Manager Saxe will auch Bürgermeister Scholz, dass in Hamburg neben den Bürgern bald Dinge miteinander sprechen. Egal ob Brücken, Schiffe, Autos, Ampeln, Parkplätze oder Straßenlampen: Sie alle sollen über das Internet oder andere Systeme verbunden sein. Sensoren messen, Rechner denken und Menschen profitieren - so lautet der Dreiklang der Smart-City-Fans. "Ich bin fest davon überzeugt, dass es uns gelingen kann, durch den Einsatz von neuen Technologien die Lebensqualität Hamburgs weiter zu steigern", sagt Scholz.

Planungen finden ohne Datenschützer statt

Für Technologie-Konzerne lockt ein Megageschäft. Schließlich müssen die riesigen Datenmengen erfasst, geordnet und gelenkt werden. Feinmaschige Netze müssen über die Metropolen ausgelegt werden. Das kommt teuer. Die Marktforschungsfirma IDC schätzt, dass dieses Jahr weltweit 265 Milliarden US-Dollar, umgerechnet gut 190 Milliarden Euro, in Smart-City-Projekte fließen. Cisco schwärmt bereits vom "Internet der Dinge". General Electric bezeichnet so etwas als "Industrial Internet" und IBM will gleich einen "Smarter Planet" bauen. Sie sind nicht die Einzigen: "Auch Energie-Unternehmen wie Eon und RWE entwickeln smarte Systeme", sagt Mark Schulte, Analyst bei IDC.

Vor allem Anbieter aus den USA schielen auf den hiesigen Markt. Der Grund: Deutsche Städte haben bisher kaum in die nötige Infrastruktur investiert. Wie im Hamburger Hafen gibt es bundesweit bloß Stückwerk: eine Vielzahl von Pilotprojekten. Aus Konzernsicht ist der Kuchen also noch nicht verteilt. Um den Zuschlag zu bekommen, gehen viele Konzerne sogar in Vorleistung. Cisco etwa. Die Hafenbehörde HPA lässt sich von den Amerikanern dabei helfen, die eigenen Systeme zu verknüpfen. Cisco berechnet dafür: nichts.

Ähnlich soll es im Alstertal-Einkaufszentrum in Hamburg laufen. Dort soll bald ein "virtueller Bürgerkiosk" stehen. Darin befindet sich neben einem Monitor ein Drucker. In der Box können Bürger per Bildschirm mit Mitarbeitern der Stadt sprechen, einen Pass bestellen, Kita-Gutscheine erhalten oder andere Dienste abfragen. Klingt komfortabel, ist aber teuer. Eine Box kostet 50 000 Dollar. Auch diese Kosten trägt Cisco. Zumindest am Anfang.

Wer hat Zugriff auf die Daten? Wie werden eigentlich die Meganetze geschützt?

Doch wer hat eigentlich Zugriff auf all diese Daten? Wie werden Meganetze vor Sabotage geschützt? Was wird die schlaue Stadt später kosten? Mit solchen Angaben tut sich Hamburgs SPD-Regierung schwer. "Über die Kosten kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts gesagt werden", sagt die Sprecherin der Wirtschaftsbehörde. Der Umfang der Kosten werde erst "in weiteren Workshops geklärt". Zum Datenschutz finden sich in der Absichtserklärung von Stadt und Cisco nur dürre Worte: Solche Themen fänden "bei Konzeption und Durchführung sämtlicher Pilotprojekte Berücksichtigung", heißt es.

Dass es gefährlich sein kann, Daten allzu freigiebig zu verteilen, hat die Stadt erst kürzlich erfahren. Im Januar gab es einen Hackerangriff auf das Rathaus. Etwa 150 Rechner infizierten sich über E-Mails mit einer Schadsoftware. Fünf Tage lang mussten etliche Computer vom Netz. Durch die Attacke wurde eine Sicherheitslücke bekannt: Bis heute ist der Mailverkehr innerhalb der Behörden nicht verschlüsselt. Das beunruhigt auch Hamburgs Datenschützer Johannes Caspar: "Wir brauchen dringend einen Masterplan, wie künftig eine sichere IT-Infrastruktur geschaffen werden kann", warnt er.

Wer nachfragt, wie persönliche Daten in einer vernetzten Stadt geschützt werden sollen, bekommt eine erstaunliche Antwort. Bei der Planung des Projekts Smart City, sagt Datenschützer Caspar, sei er bisher nicht einbezogen worden.

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