Verbot von Computerspielen:Waffen, die keiner kontrollieren kann

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Kaufhof nimmt brutale Videospiele aus dem Regal, Politiker diskutieren Verbote - doch wer spielen will, findet immer einen Weg.

J. Schmieder

Wer in die Videospielabteilung von Kaufhof in der Münchner Innenstadt möchte, muss ganz nach oben in den vierten Stock. Er muss nach hinten in die Ecke, vorbei an Süßigkeiten, Plüschtieren und Fernsehern. In drei kleinen Doppelregalen sind die Spiele sortiert, es gibt keine Werbeplakate, monströse Pappaufsteller oder Testgeräte wie in Fachgeschäften, es sieht eher nach Supermarkt aus.

Der Prototyp gewalttätiger Videospiele: "Counter Strike". (Foto: Foto: ddp)

Seit dem vergangenem Freitag sind es einige Produkte weniger geworden, die Warenhauskette hat alle Computerspiele aus dem Verkauf genommen, die ab 18 Jahren freigegeben sind. "Das ging schnell und ohne Aufhebens", sagt eine Mitarbeiterin. Das Unternehmen möchte, so eine Sprecherin, "in gesellschaftspolitischer Hinsicht ein Zeichen setzen", es reagiert auf den Amoklauf von Winnenden. Der Täter Tim Kretschmer soll sich am Abend zuvor die Zeit mit Far Cry2 vertrieben haben - ein Spiel ohne Jugendfreigabe, bei dem es darum geht, einen berüchtigten Waffenhändler in Afrika zu ermorden.

"Dieses Spiel ist ab 18 Jahren freigegeben, Tim K. war 17 Jahre alt. Die Frage muss lauten, wie er an das Spiel gekommen ist", sagt Thomas von Treichel. Er ist Deutschlandchef der World Cyber Games, der inoffiziellen Weltmeisterschaft der Computerspieler. Beim Finale im vergangenen November in Köln wurden auch die besten Akteure im Spiel Counter Strike ermittelt - jenem Ego-Shooter, der als Prototyp gewalttätiger Videospiele gilt und in keiner Diskussion um ein Verbot fehlt. Jeweils fünf Spieler einer Mannschaft versuchen, eine Bombe zu platzieren oder zu entschärfen.

Es geht um Taktik, um Teamfähigkeit, aber auch ums Töten. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer will über einen erneuten Anlauf für ein Verbot entscheiden. Der Süddeutschen Zeitung sagte er: "Das ist ein Punkt, den ich auf jeden Fall für nötig halte." Unterstützt wird er vom Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer: "Es ist doch absurd, dass manche Jugendliche aufs Jahr gerechnet länger online spielen als in der Schule sitzen."

Bei der Videospiel-WM saßen ausländische Spieler vor dem Bildschirm, die erst 16 Jahre alt waren. Dort wird der Jugendschutz wesentlich lascher behandelt als in Deutschland. Man fragt sich: Wie können sie schon zur Weltspitze gehören in diesem Spiel, das man monate-, ja jahrelang trainieren muss? Sie dürfen es offiziell doch erst seit wenigen Wochen besitzen. "Ehe man Spiele aus den Regalen nimmt, müsste man dafür sorgen, dass der bestehende Jugendschutz eingehalten wird", sagt von Treichel. Also kontrollieren, dass Jugendliche keinen Zugang haben zu Spielen, die nicht für sie geeignet sind. Die Frage ist nur, wie das funktionieren könnte.

Man darf gewaltbeherrschte Videospiele nicht als harmloses Vergnügen abtun. Fans der Spiele verweisen zwar häufig darauf, dass es vor allem um Reaktionsfähigkeit, Taktik und Zusammenspiel gehe und nicht um den Realismus beim Töten. Aber warum wird dann ein Kopfschuss dann so realistisch gezeigt? Und warum muss es sich so echt anfühlen, wenn man den Controller nach unten schwingt und seinem Opfer den Kopf abschlägt? Muss dieses digitale Gemetzel überhaupt sein? Aus solchen Erwägungen heraus hat Kaufhof Spiele wie Tactical Ops oder Far Cry 2 aus dem Sortiment genommen.

"Jeder Händler hat selbst die Verantwortung, was er verkaufen möchte und was nicht", sagt Olaf Wolters, Geschäftsführer des Bundesverbandes interaktive Unterhaltungssoftware, der für die Altersfreigabe von Computerspielen zuständig ist. "Allerdings nimmt Kaufhof erwachsenen Menschen die Möglichkeit, Unterhaltung für Erwachsene zu kaufen." Eine Kritik an der Arbeit seines Verbandes kann er indes nicht erkennen. "Mit dem Jugendschutz hat das nichts zu tun, wir machen seit 15 Jahren sehr saubere Arbeit."

So stehen nun in der Abteilung von Kaufhof Spiele mit nicht weniger martialischen Namen, sie heißen Dawn of War II oder Endwar und sind ab 16 Jahren freigegeben. Ein Zehnjähriger kann zu den Regalen schlendern und sie sich ansehen, erst an der Kasse würde er kontrolliert. Einen abgetrennten Bereich wie in vielen Videotheken gibt es nicht - und genau das fordern viele Jugendschützer.

Freilich kann man den Jugendschutz auch kreativ umgehen. In diesen Tagen erscheint Mad World für die Spielkonsole Wii. Es ist der mit Abstand blutigste und brutalste Titel des Jahres 2009, das Ziel des Spiels lässt sich kurz und knapp mit "kreativem Killen" umschreiben. Es ist eine weitere Stufe der Evolution gewalttätiger Videospiele, was an der innovativen Steuerung der Konsole Wii liegt: Damit der Protagonist seine Kettensäge nach unten sausen lässt, muss auch der Spieler den Steuerstock nach unten sausen lassen. Er streckt den Arm nach vorne und reißt ihn zurück, wenn die Figur dem Gegner das Herz herausreißen soll.

Bisher ging es in Diskussionen um den Realismus der grafischen Darstellung, nun geht es um die Steuerung. Der Spieler hämmert nicht mehr nur auf die Tastatur ein, sondern vollführt den Akt des Tötens auf geradezu sadistische Weise. Offiziell hat Publisher Sega keine Freigabe in Deutschland beantragt, um eine Debatte zu vermeiden.

Eine andere Begründung könnte so lauten: Weil das Spiel derart brutal ist, könnte es nicht nur eine Indizierung geben, sondern eine Beschlagnahmung, was den Handel strafbar machen würde. Deshalb wird auf den Verkauf verzichtet und gehofft, dass sich die Fans das Spiel über andere Kanäle aus dem Ausland besorgen. Die Aktion von Kaufhof mag ein medienwirksames Zeichen sein, doch die Probleme und die Ratlosigkeit bleiben.

© SZ vom 20.3.2009/mri - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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