US-Regierung kämpft gegen Wikileaks:Twitter macht's publik

Das US-Justizministerium verlangt von Twitter, persönliche Daten von Wikileaks-Chef Assange und anderen Helfern weiterzugeben. Wahrscheinlich ist Twitter nicht das einzige Internet-Unternehmen, das eine solche Aufforderung erhielt.

Matthias Kolb

Birgitta Jonsdottir hatte sich gut überlegt, auf welche Art und Weise sie die Welt über das Schreiben informieren sollte, das sie am vergangenen Freitag von der Twitter-Rechtsabteilung bekommen hatte. Per Twitter-Meldung schrieb die 43-Jährige: "Die US-Regierung möchte alles vom 1. November 2009 an alles über meine Tweets erfahren. Ist ihnen bewusst, dass ich Mitglied des isländischen Parlaments bin?"

US-Regierung kämpft gegen Wikileaks: Nicht nur seine Daten soll Twitter an das US-Justizministerium weitergeben: Wikileaks-Gründer Julian Assange

Nicht nur seine Daten soll Twitter an das US-Justizministerium weitergeben: Wikileaks-Gründer Julian Assange

(Foto: AP)

Sie habe zehn Tage Zeit, um sich gegen die Forderungen zu wehren, teilte die Abgeordnete mit. Jonsdottir hatte Wikileaks längere Zeit unterstützt, bevor sie sich zuletzt von Julian Assange, dem Gründer der Internet-Plattform, distanziert hatte.

Brisant ist der Fall aus zwei Gründen: Neben Jonsdottir und Assange erhielten auch der niederländische Hacker Ron Gonggrijp, der amerikanische Programmierer Jacob Appelbaum, der inhaftierte US-Soldat Bradley Manning gleich lautende Nachrichten von Twitter.

Das 2006 gegründete Unternehmen lehnte eine Stellungnahme bislang ab. Laut Wikileaks hat Twitter selbst die Vorladung des Gerichts, eine sogenannte "subpoena", dadurch öffentlich gemacht, dass das Unternehmen Rechtsmittel dagegen eingelegt habe. Twitter teilte lediglich mit, dass es zu seinen Grundsätzen gehöre, Nutzer über Anfragen - wie von Regierungsseite - zu informieren.

Zahlreiche persönliche Daten angefordert

Die subpoena wurde am 14. Dezember 2010 von der US-Bundesrichterin Theresa Buchanan unterzeichnet und an die Twitter-Rechtsabteilung gefaxt. Jonsdottir, Appelbaum und Gonggrijp verbindet eines: Sie werden namentlich am Ende des von Wikileaks im Apil 2010 veröffentlichten "Collateral Murder"-Videos als Produzenten genannt. Der in Virginia inhaftierte US-Gefreite Manning wird verdächtigt, das Video an Wikileaks weitergegeben zu haben. Die Aufnahme zeigt, wie US-Soldaten von einem Apache-Hubschrauber aus zwei Reuters-Mitarbeiter und andere Zivilisten im Irak erschießen.

Die subpoena ist ein spezifisches US-Rechtsmittel, mit dem natürliche und juristische Personen zur Auskunft gezwungen werden können: Das US-Justizministerium hat in einer Art Vorladung von Twitter verlangt, Informationen über Nutzer herauszugeben. Twitter wurde mitgeteilt, die angeforderten Informationen seien "relevant für laufende strafrechtliche Ermittlungen".

Neben den Tweets werden viele andere Daten eingefordert: Das Justizministerium möchte neben den Klar- und Benutzernamen auch Privat- und Geschäftsadressen sowie alle anderen Kontaktdetails der Personen einsehen. Desweiteren sollen unter anderem IP-Adressen, Telefonnummern und Verbindungsdaten weitergegeben werden.

Auch andere Internet-Firmen im Visier?

Noch brisanter erscheint jedoch ein weiteres Detail: Der in San Francisco ansässigen Firma war verboten worden, die entsprechenden Personen über die Anfragen des US-Justizministeriums zu informieren, solange dies nicht von einem Gericht erlaubt werde. Twitter protestierte, woraufhin Richterin Buchanan am 5. Januar die Schweigepflicht aufhob.

US-Regierung kämpft gegen Wikileaks: Die isländische Abgeordnete Birgitta Jonsdottir.

Die isländische Abgeordnete Birgitta Jonsdottir.

(Foto: AP)

Der US-Journalist Glenn Greenwald stellt bei Salon.com eine berechtigte Frage: "Haben andere Internet-Firmen wie Facebook oder Google ähnliche Anweisungen erhalten und haben sie diese still ausgeführt?" Es sei schwer vorstellbar, dass das US-Justizministerium lediglich von Twitter solche Informationen haben möchte, denn "Twitter verfügt nur über begrenzte Informationen seiner User".

Auch Wikileaks vermutet, dass andere US-Internetfirmen ebenfalls von den Behörden im Zuge der Ermittlungen kontaktiert worden seien. Die US-Justiz prüft derzeit, wie sie gegen Wikileaks und deren Gründer Assange wegen der zahlreichen Veröffentlichungen zum Teil geheimer Unterlagen vorgehen kann. Greenwald weist noch auf eine andere Sache hin: Jonsdottir, Appelbaum und Gonggrijp hätten nichts anderes getan als viele investigative Journalisten vor ihnen: Sie hätten Geheimdokumente publiziert, die das Handeln der Regierung offen legen.

"Sie haben es übertrieben"

Anfang Dezember hatte US-Justizminister Eric Holder, der für die rechtliche Aufarbeitung des Skandals zuständig ist, angedeutet: "Es ist ein Irrtum zu glauben, das Spionage-Gesetz sei die einzige Rechtsgrundlage, auf die wir schauen." Die New York Times hatte berichtet, das Ministerium prüfe etwa, Assange wegen mutmaßlich "illegalen Handels mit Regierungseigentum" zu belangen.

Die Isländerin Jonsdottir ist über das Vorgehen der US-Regierung erbost. Dem britischen Guardian sagte sie: "Sie haben total übertrieben." Als Abgeordnete, die im Auswärtigen Ausschuss sitze, sei sie im Gegensatz zu anderen besonders geschützt. Sie wolle möglichst bald mit dem US-Botschafter treffen, um diesem deutlich zu machen, wie "inakzeptabel" das Vorgehen sei. Sie bezeichnete es als ihre Pflicht, alles zu tun, um diesen Missbrauch zu stoppen.

Marc Rotenberg, der Präsident des Electronic Privacy Information Centre (EPIC), vermutete im Guardian, das US-Justizministerium versuche, einen Prozesse gegen Assange wegen der Veröffentlichung geheimer Dokumente einzuleiten. Rotenberg bezweifelt, dass das Vergehen der Regierung rechtmäßig sei.

Zugleich bemüht sich die US-Regierung um den Schutz von Menschenrechtlern, Dissidenten und Politikern, die durch veröffentlichte US-Depeschen durch Wikileaks bloßgestellt worden seien. Die USA hätten weltweit etwa eine Handvoll Personen in autoritären Staaten vor möglichen Repressionen in Sicherheit gebracht, gab das Außenministerium in Washington bekannt.

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