Urteil zur Vorratsdatenspeicherung:Leere Speicher, volle Kosten

Die Telekomanbieter löschen bereits Daten im großen Stil, doch sie sind verärgert: Die Entscheidung des Verfassungsgerichts könnte für sie teuer werden.

J. Boie

In den hochgesicherten Rechenzentren der deutschen Telekommunikationsunternehmen glühen derzeit die Datenleitungen - zum vorerst letzten Mal.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dienstag dürfen die Provider keine Vorratsdaten mehr speichern. Im Urteil steht, dass die Protokollierung sämtlicher Kommunikationsdaten zwar nicht per se gesetzeswidrig sei, wohl aber, wie sie derzeit vorgenommen werde. Das sei ein Verstoß gegen das Grundgesetz, entschieden die Richter. Und was gegen das Gesetz verstößt, muss möglichst schnell gelöscht werden.

Zum Beispiel bei der Telekom. 19 Terabyte Daten muss das Bonner Unternehmen in Folge des Urteils löschen. Diese Datenmenge entspricht etwa 285000 Musik-CDs oder 4,85 Milliarden bedruckten Din-A4-Seiten. Es werde Tage dauern, bis man alle Bestände restlos vernichtet habe, sagt Telekom-Sprecher Philipp Blank.

Bei der Telekom sind sämtliche Vorratsdaten zentral in ihrem Hochsicherheits-Rechenzentrum an einem geheimen Ort auf Servern - also besonders großen Computern - gespeichert. Egal ob Handy-, Internet-, oder Telefonverbindungen, alles wurde hier im gesetzlich vorgeschriebenen Zeitraum von sechs Monaten erfasst und gespeichert.

Auf den Servern ist ein Datenbanksystem installiert, also eine leistungsstarke Software, mit deren Hilfe die gewaltige Menge an unterschiedlichen Rufnummern, Zugriffen und Uhrzeiten ordentlich protokolliert werden konnte.

Vom Urteil überrumpelt

Auch Vodafone zieht die entsprechenden Konsequenzen aus dem Urteil. "Wir löschen nicht nur bereits, wir haben auch die Speicherung vorerst vollständig gestoppt", sagt Vodafone-Sprecher Kuzey Esener. Außerdem beantworte Vodafone derzeit keine Anfragen von Behörden nach Datensätzen. Zunächst wolle man sich das Urteil im Detail anschauen, damit man bei den Auskünften nichts falsch mache. Von dem Karlsruher Urteil sei man "überrumpelt" worden.

Weder die Telekom noch Vodafone haben bislang entschieden, was sie mit den teuren Geräten und Computern machen, die für die Speicherung der Vorratsdaten angeschafft wurden.

Bei den Telekommunikationsunternehmen herrschen neben Verwunderung über die Radikalität des Urteils, auch Verunsicherung und Wut. Schließlich haben die Unternehmen auf Wunsch des Gesetzgebers in sehr teure Technik investiert, um die Daten zu speichern. Nun sollen sie nach Auffassung des Gerichts verfassungswidrig gehandelt haben.

Der Verband der deutschen Internetwirtschaft Eco hat die Bundesregierung deshalb aufgefordert, künftige Investitionskosten in politisch gewollte Technik zu erstatten. Mehrere deutsche Provider, darunter Vodafone und Hansenet/Alice sind Mitglied bei Eco.

Denn die teure Technik zur Datenspeicherung könnte auch dann überflüssig sein, wenn ein neues Gesetz die Provider künftig wieder dazu verpflichtet, Daten zu speichern. In diesem Fall könnten die großen Speicher-Computer teilweise sogar zu klein und zu schwach sein, um den Forderungen des neuen Gesetzes nachzukommen.

Denn das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil die Anforderungen an künftige Speichermaschinen und ihre Programmierer extrem hoch definiert. So muss die Speicherung in Zukunft besonders gut verschlüsselt erfolgen, um einen unerlaubten Zugriff zu unterbinden. Das kostet Geld, weil man spezielles Know-how und besondere Software benötigt. Außerdem verlangt das Gericht eine Vier-Augen-Kontrolle, was die Personalkosten in die Höhe treiben könnte.

Die Branche muss investieren

Auch für die revisionssichere Protokollierung von Zugriffen auf die Daten wird wohl neues Personal eingestellt werden müssen. All dies erfordert Investitionen in Hard- und Software sowie besonders geschultes Personal.

Die Datenschützer freut derweil, dass in künftigen Gesetzen wohl auch verlangt werden wird, sämtliche Technik jederzeit auf dem technisch aktuellsten Stand zu halten. Auch diese Forderung der Verfassungsrichter dürfte die Netzanbieter viel Geld kosten.

Und noch etwas wird sich ändern: Während es bislang bei Verstößen gegen die Datensicherheit keine Sanktionen gegeben habe, sei die Datensicherheit jetzt hoch bewertet, erklärt Eco-Sprecherin Maritta Strasser. Künftig würden Verstöße gegen die Datensicherheit bei der Speicherung so hart bestraft wie Verstöße gegen die Speicherungspflicht im Allgemeinen.

Daher wird erwartet, dass künftig hohe Haftpflichtversicherungen für die mit der Datensicherheit beauftragten Mitarbeiter abgeschlossen werden müssen.

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