Urheberrechtsverstöße:Richtig reagieren auf den Abmahn-Anwalt

Der Bundestag will gegen die zweifelhaften Methoden vorgehen, mit denen Kanzleien Internetnutzer für das unerlaubte Einstellen von Musikstücken ins Netz abmahnen. Doch bis das Gesetz in Kraft tritt, werden noch viele Verbraucher Post von Abmahn-Anwälten bekommen. Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Von Guido Bohsem und Daniela Kuhr

Für manche Kanzlei ist es ein lohnendes Geschäftsmodell: Massenhaft mahnen die Anwälte private Internetnutzer ab, die unerlaubt Musikstücke oder Videos ins Netz gestellt oder getauscht haben. Auf mehreren, meist schwer verständlichen Seiten werfen die Anwälte dem Inhaber des Anschlusses einen Verstoß gegen das Urheberrecht vor und fordern ihn auf, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Außerdem verlangen sie eine Geldzahlung, die den Rechteverstoß heilen soll. Die von den Anwälten der Rechte-Inhaber geforderten Gebühren sind aber in der Regel zu hoch. 800 oder sogar 1000 Euro werden beispielsweise für das Herunterladen einer Folge einer Fernsehserie gefordert, für Musiktitel 250 Euro.

Wie konsequent die Rechte-Inhaber ihre Interessen wahren, zeigt eine Erhebung von Infratest Dimap, nach der bis Mitte 2012 etwa 4,3 Millionen Deutsche eine solche Abmahnung bekommen haben. Mit dem Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken, über das der Bundestag an diesem Donnerstag berät, will die Bundesregierung den Abmahnwahn eindämmen. Doch bis es in Kraft tritt, werden noch unzählige Verbraucher Post von Abmahn-Anwälten bekommen. Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was tun, wenn man einen Abmahnbrief erhalten hat?

Iwona Husemann, Juristin und Urheberrechtsexpertin bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, rät, kühlen Kopf zu bewahren. Es empfehle sich, die angebotene Unterlassungserklärung nicht ungeprüft zu unterschreiben. Auch die geforderte Geldsumme muss nicht zwingend bezahlt werden.

Mir wird vorgeworfen, ein Lied angeboten zu haben. Dabei habe ich es nur runtergeladen. Wieso?

Das liegt an der Funktionsweise der Tauschbörsen. Wer dort einen Film oder einen Musiktitel herunterlädt, bietet diesen im gleichen Augenblick auch an.

Wie verhält man sich richtig?

Fast jede Verbraucherzentrale bietet inzwischen Sprechstunden zu den Abmahnbriefen an. In Berlin kostet eine solche halbstündige Beratung beispielsweise 40 Euro, in Nordrhein-Westfalen sind es 80 Euro. Die Abmahnpraxis hat inzwischen ein weiteres Geschäftsmodell inspiriert: Anwälte, die sich auf Hilfe bei Abmahnungen spezialisiert haben. Wer sich einen Anwalt nimmt, sollte darauf achten, mit ihm einen Festpreis für die Beratung auszumachen, sonst könnte es teuer werden. Informationen bieten auch die Internetseiten der Interessengemeinschaft gegen den Abmahnwahn (www.iggdaw.de)

Wer zahlen muss

Muss man eine Unterlassungserklärung abgeben?

Auf jeden Fall - hier ist das Urteil der Verbraucherschützer eindeutig. Lässt der Abgemahnte die Frist verstreichen, droht ihm eine einstweilige Verfügung. Zudem ist die Abgabe der Erklärung sinnvoll, um die häufig sehr hohen Kosten einer Unterlassungsklage auf die einer günstigeren Kostenklage zu senken. Diese Empfehlung gilt für zurecht Beschuldigte, aber auch für Betroffene, die sich keines Verstoßes bewusst sind oder deren Kinder für den Download verantwortlich sind.

Wer muss zahlen?

Trifft der erhobene Vorwurf definitiv nicht zu, sollte man auch nicht zahlen. Nur wer es auf eine Klage ankommen lässt, kann versuchen, seine Unschuld darzulegen - auch wenn das leider nicht immer gelingt. Um sich angemessen wehren zu können, ist es geboten, sich einen auf Urheberrecht spezialisierten Anwalt zu nehmen. Hat man den Titel tatsächlich angeboten oder heruntergeladen, so kann man einen Vergleich anstreben und dabei die geforderte Summe runterhandeln. Wer starke Nerven besitzt, kann es aber auch darauf ankommen lassen. Bislang wurden beileibe nicht alle Abgemahnten tatsächlich auch vor Gericht gebracht.

Ich habe mehrere Lieder oder Serienfolgen runtergeladen. Kann ich für alle abgemahnt werden?

Ja. Gewöhnlich mahnen die Rechteinhaber den einzelnen Verstoß. Das heißt, eine Abmahnung pro Serienfolge. Wer etwa ein Paket mit mehreren Liedern geladen hat, muss daher auch mit mehreren Abmahnungen rechnen.

Was plant Schwarz-Gelb genau?

Künftig dürfen Anwälte bei einer ersten Abmahnung nicht mehr als 155,30 Euro an Gebühren verlangen. Dieser Höchstbetrag gilt allerdings nur, wenn es sich bei dem Abgemahnten um eine Privatperson handelt, die zum ersten Mal eine Urheberrechtsverletzung begeht. Ausnahmsweise dürfen die Anwälte mehr verlangen, wenn 155,30 Euro "nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig" wären. Eben wegen solch schwammiger Formulierungen halten Verbraucherschützer nicht mehr viel von dem Gesetzentwurf. Er biete Anwälten zu viele Schlupflöcher, meinen sie.

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