Süddeutsche Zeitung

Urheberrechtsschutz mit Nebenwirkungen:US-Bürgerrechtler fürchten Online-Zensurgesetz

Der amerikanische Kongress debattiert gerade über einen Gesetzesentwurf, durch den die US-Justiz häufiger und einfacher Webseiten blockieren könnte. Die umstrittene Regelung versetzt Bürgerrechtler und Internetfirmen in Alarmbereitschaft.

Der US-Kongress debattiert derzeit darüber, wie das Urheberrecht im Internet besser geschützt werden kann. Doch was sie vorschlagen, könnte nach Ansicht von Bürgerrechtlern einer Zensur von Internetseiten gleichkommen.

"Stop Online Piracy Act", kurz SOPA, heißt der entsprechende Gesetzesentwurf, über den am Mittwoch zum ersten Mal im Repräsentantenhaus diskutiert wurde. In einer Kurzfassung beschreiben ihn die Initiatoren, die aus beiden Parteien kommen, als Versuch, "Wohlstand, Kreativität, Unternehmergeist und Innovation zu fördern, indem er den Diebstahl amerikanischen Eigentums angeht."

In der Praxis erhält die US-Justiz mit dem Gesetz die Möglichkeit, vor allem gegen ausländische Webseiten vorzugehen, die urheberrechtlich geschütztes Material illegal verbreiten. Per Gerichtsbeschluss können Provider dazu verpflichtet werden, ihren Kunden den Zugang zu solchen Plattformen zu sperren. Suchmaschinen müssten bei einer entsprechenden Entscheidung entsprechende Einträge löschen. Finanzdienstleister und Werbenetzwerke müssten die Auszahlungen an Betreiber solcher Seiten unterbinden.

Starker Befürworter der Regelung ist die amerikanische Unterhaltungsindustrie. Gegner des Vorhabens, zu denen Bürgerrechtsorganisationen, Internet-Firmen, IT-Sicherheitsexperten und IT-Rechtsanwälte gehören, werfen der Politik deshalb vor, sich mit dem Gesetz der massiven Lobbyarbeit zu beugen.

Sie haben aber auch handfeste Probleme mit dem Entwurf selbst:

[] Bislang ist der Text recht vage gehalten (pdf hier). Eine Seite könnte demnach nicht nur blockiert werden, wenn sie Urheberrechtsverstöße beginge, sondern auch, wenn sie dies "ermögliche". Theoretisch wären damit auch Foren oder Online-Speicherplätze betroffen, möglicherweise sogar Seiten und Dienste, die einfach die Kommunikation zwischen Nutzern ermöglichen.

[] Internet-Provider bräuchen nicht einmal auf einen Hinweis vom Staatsanwalt zu warten: Sie könnten Seiten selber blockieren. Möglicherweise würden sie in der Praxis sogar zu vorbeugender Überwachung des Internet-Verkehrs gezwungen, da sie mit dem neuen Gesetz haftbar wären. Damit wäre der Provider-Schutz des Digital Millennium Copyright Act (DMCA), der die Internet-Anbieter von der Haftung für transportierte Inhalte ausnimmt, hinfällig.

[] Die Regierung könnte mit Hilfe des neuen Gesetzes gegen Bürger und Unternehmen vorgehen, die Software zur Umgehung der Webblockade basteln - die Entwicklung von Anti-Zensursoftware würde also deutlich eingeschränkt.

In einem offenen Brief haben Internet-Bürgerrechtsorganisationen und IT-Konzerne wie Facebook, AOL, Google oder Ebay sich gegen das Gesetz ausgesprochen. Sie fürchten eine Kriminalisierung von Internetnutzern und bislang legaler Geschäftsmodelle.

Einer neuen Studie zufolge sprechen sich nur 36 Prozent der US-Amerikaner für die geplanten Maßnahmen aus. Knapp 52 Prozent der Befragten begrüßen, das Herunterladen urheberrechtlich geschützten Materials zu bestrafen.

Während Cary Sherman, Vorsitzender des Musikindustrieverbandes RIAA, in einem Gastbeitrag auf dem Technologieportal Cnet vor einer Hysterisierung der Debatte warnte, protestierten einige Webseitenbetreiber am Tag der ersten Debatte mit Anti-Zensur-Bannern gegen das Gesetz.

Ob das Gesetz eine Mehrheit im Repräsentantenhaus findet, ist derzeit noch unklar. Auch der US-Senat berät derzeit über ein Gesetz gegen Urheberrechtsverstöße im Netz.

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