Süddeutsche Zeitung

Urheberrechtsdebatte:Anonymous stellt prominente Autoren bloß

Gerade schien etwas Sachlichkeit in die Debatte um das Urheberrecht einzukehren, nun gibt es neuen Ärger: Einem Bericht zufolge landeten persönliche Daten von Charlotte Roche, Mario Adorf, Daniel Kehlmann und anderen im Netz.

Die Unterzeichner des Appells "Wir sind die Urheber" sind offenbar Zielscheibe einer Sabotage-Aktion im Namen des Hacker-Kollektivs Anonymous geworden. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet, fanden sich auf der Dokumentenplattform Pastebin am Sonntag Adressen, Telefonnummern und E-Mail-Daten zahlreicher Künstler, die den Aufruf unterschrieben hatten.

Den am Donnerstag gestarteten offenen Brief, hinter dem der Literaturagent Matthias Landwehr steckt, sollen bislang sechstausend Künstler und Kreative unterschrieben haben, unter den Erstunterzeichnern fanden sich Prominente wie Günter Wallraff, Daniel Kehlmann, Charlotte Roche, Uwe Tellkamp oder Mario Adorf. Die Aktion hatte bei Befürwortern einer Urheberrechtsreform für Kritik gesorgt, da die Unterschriftenaktion keinerlei Dialogbereitschaft erkennen lasse. Inzwischen haben mehr als 4700 Menschen die Gegenerklärung Wir-sind-die-buerger.de unterschrieben, die sich für Änderungen des bestehenden Rechts ausspricht.

Der FAZ zufolge veröffentlichten Datensätze der Künstler mit dem Satz "Fuck your copyright blah blah blah" überschrieben. Inzwischen sind die entsprechenden Einträge allerdings nicht mehr aufzufinden. "Es geht hier um Bloßstellung und Bedrohung wie man sie aus totalitären Staaten kennt", zitiert die Zeitung Landwehr.

Treffen von Interessensvertretern

Wie die Daten an die Öffentlichkeit gelangen konnten, ist noch unklar. Auch über den oder die Verantwortlichen ist nichts bekannt, da sich prinzipiell jeder als Anonymous bezeichnen kann.

In den vergangenen Tagen hatte sich erstmals abgezeichnet, dass die Diskussion um das Urheberrecht sich versachlichen könnte. FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher hatte in einem Artikel eine "Abrüstung" der bislang sehr emotional geführten Debatte gefordert, Christopher Lauer, prominentes Mitglied der Piratenpartei, hatte ebenfalls dazu aufgerufen "endlich vernünftig" miteinander zu reden. Am vergangenen Freitag hatte auf Initiative des Blogs iRights.info ein Treffen zwischen verschiedenen Internet-Lobbygruppen, Mitarbeitern von Bundestagsabgeordneten und Vertretern von Urhebern und Verwertern stattgefunden.

Entsprechend verärgert lesen sich viele Wortmeldungen bei Twitter, wo die Anonymous-Aktion kaum Anhänger findet. "Liebe Anons, solche Aktionen sind leider völlig kontraproduktiv und schaden jedem Versuch, irgendwas zu ändern", heißt es dort, oder schlicht: "Ihr seid armselige kleine dumme Wichte."

Update: Inzwischen hat Anonymous sich in einem Blogeintrag zu Wort gemeldet. Dort heißt es: "Fakt ist bei dieser Geschichte, dass niemand bedroht wird und Anonymous auch niemals dazu aufrufen würde, jemanden zu bedrohen. Vielleicht wirkt es auf den ersten Blick bedrohlich - wenn Daten von Personen veröffentlicht werden, doch diese Daten sind im Netz frei zugänglich und jeder, der nicht gut auf einen der Künstler zu sprechen wäre, könnte ohne Weiteres so oder so an diese Daten kommen, welche veröffentlicht worden sind."

Update 2: In einer gemeinsamen Reaktion haben 16 große Verlage, darunter Kiepenheuer & Witsch, Suhrkamp, Rowohlt und Hanser, die Aktion scharf verurteilt. Dort heißt es: "Wir werden die betroffenen Künstler mit allen, auch juristischen Mitteln gegen diese Nötigung und gegen die Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte verteidigen."

Update 3: Helge Machow, Verleger bei Kiepenheuer & Witsch, wirft den Anonymous-Aktivisten im Deutschlandradio Kultur "Kinder-Kommunismus" vor. Das Urheberrecht müsse modernisiert werden, aber nicht auf Basis einer Denkweise, "in der das oberste Prinzip ist, alles was man sich im Netz technisch möglicherweise umsonst aneignen kann, auch umsonst aneignen zu dürfen".

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