Urheberrechts-Irrsinn:Unrechtmäßige Nutzung des Spiegelbildes

gesperrtes Video

Dieses Augenzeugen-Video, das während des Meteoritenhagels in Russland entstand, ist gesperrt, weil die im Hintergrund laufende Autoradiomusik mit aufgezeichnet wurde. 

(Foto: Screenshot)

Meteoriten fielen auf Russand und Kameras haben den Sturz aufgezeichnet. Dummerweise plärrte dabei das Autoradio. Deswegen sind in Deutschland einige Sturz-Videos gesperrt.

Von Bernd Graff

Als die Meteoriten in Russland einschlugen, filmten etliche Autofahrer das kosmische-irdische Spektakel mit ihren sogenannten Dash-Cams. Diese benötigt man im russischen Straßenverkehr, um im Falle eines Unfalls dokumentieren zu können, wie er sich zugetragen hat. Ein schönes Beispiel übrigens dafür, dass man die Gegenwart ständig nach Ereignissen abscannt, die zukünftig eintreten könnten. Dash-Cams sind demnach Equipment des Futur II: Wir werden es aufgezeichnet haben. In diesem Fall ist tatsächlich etwas eingetreten. Der Meteoritenschauer, der für Sach- und Personenschaden sorgte. Damit gibt es also genug Bildmaterial von russischen Auto-Augenzeugen. Doch es ist zum Teil in Deutschland nicht abzurufen.

Denn während die Kameras filmten, was vom Himmel fiel, zeichneten sie auch auf, was irgendwo im russischen Tscheljabinsk zufällig gerade im Autoradio dudelte, und zwar einen jener Hits, die auf Youtube aufgrund des jahrelangen, immer unseliger werdenden Streits um Künstler-Tantiemen mit der Gema von Youtube gesperrt werden (,nicht von der Gema).

Nonsens vor dem Spiegel

Damit ist dieser Tantiemenstreit nun in eine so absurde Phase eingetreten, die man nur noch gründlichstdeutsch nennen kann: Weder geht es um Darbietung dieser Hits, noch um Verbreitung fremden geistigen Eigentums. Es geht um einschlagende Meteoriten. Die gehören gottseidank allen oder niemandem, weswegen sie keine Tantiemen für die Verbreitung ihrer Einschlagsshow fordern werden. Dass man in den hier absolut unbedeutenden Autoradio-Mitschnitten einen Grund für Rechteverletzungen sieht, ist also genauso grotesk, wie wenn die Autohersteller der aufzeichnenden Autos Markenschutzrecht für ihre Wagenembleme geltend machen würden.

Oder: Als ob man einen Spiegel wegen widerrechtlicher Nutzung des Spiegelbildes verklagen würde. Der Deutsche Journalistenverband hat darum mal bei Youtube nachgefragt, was da los ist. Antwort:

"Die GEMA hat YouTube wiederholt aufgefordert, Musik auf YouTube in Deutschland zu sperren und hat YouTube aufgrund von GEMA-Repertoire in Videos auf YouTube auf Schadensersatz verklagt. Darüber hinaus hat YouTube keinen Einblick, welches Repertoire die GEMA repräsentiert. Aufgrund der rechtlichen und finanziellen Risiken, die sich aus diesen Verfahren im Zusammenhang mit dem veröffentlichten GEMA-Tarif ergeben, sind Musikvideos in Deutschland gesperrt."

Damit ist die Sperrung ein Äquivalent zum Futur II der Dash-Cams: Man wird gesperrt haben, wenn die Klage denn käme. Absurd! Und immer auf Kosten der Nutzer, die, mit Verlaub, Kunden sind: Sowohl der von Google/Youtube als auch - mittelbar - der von Gema/Künstlern. Kann man Kunden schlechter behandeln? Wenn man alles nur verrechtlicht, gibt es also keine Gerechtigkeit mehr, das wussten schon unsere Altvorderen: Fiat iustitia, et pereat mundus - Es geschehe Recht, auch wenn die Welt dabei untergeht.

Und darüber mag man sich in ausländischen Angeboten zu Recht wundern

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