McKagan löste mit dieser rhetorischen Frage einen Sturm der Entrüstung aus. Nutzer beschimpften ihn, und er fühlte sich dadurch in seiner Haltung bestätigt. Das Recht, mit Musik Geld zu verdienen, so McKagan, sei nichts Gestriges, sondern eine Errungenschaft, die man verteidigen müsse. Notfalls auch auf Kosten des freien Flusses der Informationen. Denn mit diesem wollten die Akteure Google oder Facebook doch schließlich auch nur Geld verdienen.
Dieser Haltung widerspricht Jonathan Coulton, der ebenfalls als Künstler sein Geld verdient. Für ihn ist die Freiheit des Netzes eine größere Errungenschaft als die Vergütung von Kunst - weil er das Internet als gegeben, als normal ansieht. "Auch wenn es sich verrückt anhört", schreibt er in seinem Blog, "aber mit Kunst Geld zu verdienen, ist kein Menschenrecht. Es hat sich so ergeben, dass wir eine Situation hatten, in der der Verkauf von Songs über Affen und Roboter ein brauchbares Business darstellt." Damit spielt er auf seinen Hit "Code Monkey" an und fährt fort: "Aber während der längsten Zeit der Menschheitsgeschichte haben die Leute nicht für Kunst bezahlt. Ich möchte nicht, dass es wieder dazu kommt, ich wäre sogar sehr traurig, wenn es wieder so wäre, aber es liegt nicht an mir, das zu entscheiden."
Coulton rückt damit die gesellschaftliche Realität der Digitalisierung in den Mittelpunkt seiner Argumentation. Ob man mit dieser einverstanden ist oder nicht, stellt für ihn keine relevante Frage dar. Er nimmt sie als gegeben und versucht, davon ausgehend neue Modelle zu entwickeln.
Damit positioniert er sich gegen Duff McKagan. McKagan bemisst der Bezahlung von Kunst im Zweifel einen höheren Wert bei als der Freiheit des Netzes, die man - so Coulton - notwendigerweise einschränken muss, um restriktiv gegen Urheberrechtsverletzungen vorzugehen. Man muss also abwägen. "Ich glaube an das Urheberrecht", schreibt der 41-jährige Coulton. "Ich profitiere davon und ich will nicht, dass es verschwindet. Aber wenn ich eine Sache aufgeben müsste, wenn ich mich zwischen Urheberrecht und dem Internet entscheiden müsste: Ich würde mich fürs Internet entscheiden. Jederzeit."
Es gibt keine einfachen Antworten
Ist der Musiker Jonathan Coulton verrückt? Versteht der Musiker Duff McKagan die moderne Welt nicht? Beide Fragen haben eine gewisse Berechtigung, auch weil sie vor allem die Möglichkeit einer einfachen Antwort vorgaukeln. Die aber gibt es genauso wenig, wie es eine einfache Lösung für die Frage nach einem zukunftsfähigen Urheberrecht gibt.
Um dieses zu finden, wäre es vermutlich nötig, Coultons und McKagans Position zu versöhnen. Denn die entscheidende Frage ist nicht, ob man zwischen dem freien Internet und dem Copyright wählen muss, sondern die, ob es einer Gesellschaft gelingt, beides zu garantieren: das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf angemessene Vergütung.
Alle müssen nach Lösungen suchen
Hier sind kreative Menschen für kreative Lösungen gefragt. Vielleicht liegt ein Ansatz in pauschalen Abgabemodelle (wie bei der Einführung der Musikkassette) oder in der Reform der Verwertungsgesellschaften, die die Interessen der Kreativen vertreten sollen.
In jedem Fall sollten diese sich an der Suche nach Lösungen beteiligen, denn sonst tun dies geschäftstüchtigere Menschen. Apple, Facebook, Google und Amazon arbeiten derzeit genau daran, Modelle zu präsentieren, die aber zunächst ihnen und nicht den Kreativen nützen. Und wenn sie sich damit durchgesetzt haben, werden diese als normal gelten - und somit Normen setzen.