Süddeutsche Zeitung

Urheberrecht:Was TTIP von Acta unterscheidet

Handelsabkommen und Urheberrecht - das weckt Erinnerungen an die großen Acta-Proteste. Beim Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP allerdings bleibt es bisher ruhig in Sachen Copyright. Warum das so ist und welche Sorgen sich die Kritiker machen.

Von Dirk von Gehlen

Das Ende ist in Debatten über das Urheberrecht ein gern genutztes Schreckenszenario. Das Ende der Kultur und das Ende des freien Internets treten in Argumentationen über eine Reform des Immaterialgüterrechts, also der Regelungen im Umgang mit geistigem Eigentum, immer wieder gegeneinander an. Verfechter eines scharfen wie lockeren Urheberrechts wollen eben dieses Ende verhindern - und versuchen damit jeweils die Argumente der Gegenseite auszustechen.

Auch in der Debatte um das Freihandelsabkommen TTIP ist dieses Muster im Ansatz erkennbar - allerdings weniger konfrontativ als noch vor Jahren. Denn TTIP ist in Sachen Urheber- und Patentschutz bisher noch ein unentdecktes Gespenst. Es lässt Menschen gruseln, wirklich gesehen hat es aber noch niemand. Soll heißen: Welche Copyright-Pläne mit TTIP verbunden sind, ist im Detail nicht bekannt.

Worum geht es eigentlich?

Handelsabkommen und das Urheberrecht - das ruft Erinnerung an die großen Acta-Proteste vor zwei Jahren hervor. Damals wollte das Anti-Counterfeiting Trade Agreement Maßnahmen gegen Piraterie durchsetzen. Denn darum geht es bei Urheberrechtsfragen derzeit zunächst: die Verhinderung von Piraterie. Das ist im Interesse der Verwerter. Die Stellung der Urheber und der Nutzer ist in den Verhandlungen traditionell nachrangig - auch bei TTIP.

Im Vergleich zu den anderen Aspekten des TTIP-Pakets kommt dem Urheber- und Patentrecht in der laufenden Debatte eine eher geringe Bedeutung zu. Obwohl man wenig über die genauen Punkte in Fragen des geistigen Eigentums weiß, scheint klar, dass die Copyright-Debatte die grundsätzliche Bewertung der Verhandlungen kaum beeinflussen wird.

Dies kann sich allerdings ändern, sobald härtere Sanktionen für Urheberrechtsvergehen geplant werden. Im Rahmen der Acta-Verhandlungen wurden diese als unverhältnismäßig angesehen und waren der Auslöser für erhebliche Widerstände in der Bevölkerung.

Wie ist der aktuelle Stand?

Die Debatte um das Urheberrecht und TTIP ist geprägt von den Erfahrungen bisheriger Verhandlungen. Die Debatte wird aber in erster Linie von Verwertern geführt, die Stimme der Nutzer, die ein Recht auf Privatkopie oder gar auf Remix fordern könnten, ist in den Verhandlungen nicht vertreten.

Wobei man allerdings sagen muss: Details über die "Fragen des geistigen Eigentums", wie der Urheberrechtsbereich in TTIP genannt wird, sind bisher nicht öffentlich geworden. Anders als bei Acta ist aus TTIP aktuell auch kein Maßnahmen-Katalog abzulesen, der Netzsperren oder härtere Sanktionen für den Urheberrechtsbruch vorsieht. Verhandlungsexperten schließen aber nicht aus, dass diese Ideen im Rahmen des Abkommens erneut auf den Tisch kommen könnten.

Wie sind die derzeitigen Regelungen?

Das Rechtsverständnis US-amerikanischer und kontinentaleuropäischer Prägung unterscheidet sich im Urheberrecht in einem zentralen Punkt: In Europa gibt es die Vorstellung einer unverbrüchlichen Verbindung zwischen dem Schöpfer und seinem Werk. Im deutschen Gesetz ist im Urheberpersönlichkeitsrecht geregelt, dass der Schöpfer/Urheber auch dann Einfluss auf die Verwertung seines Werkes nehmen kann, wenn er die Rechte daran abgetreten hat.

Das US-Copyright kennt diese Vorstellung nicht. In Amerika kann ein Urheber alle Rechte an seinem Werk abtreten und verliert damit jeden Einfluss auf dessen Verwendung.

Umgekehrt gibt es im amerikanischen Urheberrecht eine Regelung namens Fair Use, die das kontinentaleuropäische Recht so nicht kennt. Diese als "angemessene Nutzung" zu übersetzende Rechtsauffassung regelt eine nicht autorisierte Nutzung von urheberrechtlichem Material. Es ist nicht anzunehmen, dass diese sehr offene Rechtsauslegung im Rahmen der TTIP-Verhandungen auch in Europa Anwendung finden wird.

Welche Befürchtungen gibt es?

Leonhard Dobusch, Sprecher der Digitalen Gesellschaft in Urheberrechtsfragen, hält das TTIP-Abkommen grundsätzlich für falsch - und zwar nicht in erster Linie wegen der eher nachrangigen Fragen des geistigen Eigentums. Er sieht TTIP in einer Tradition des Multilateralen Investitionsabkommen (MAI), mit dem Staaten sich bei grenzüberschreitenden Investitionen Rechtssicherheit verschaffen sollten. Das MAI hält Dobusch wie viele andere TTIP-Kritiker für schlicht undemokratisch.

Die Initiative Urheberrecht betont zwar in einer Stellungnahme aus dem Mai 2014, kein grundsätzlicher Gegner der TTIP-Verhandlungen zu sein. Mit Blick auf das Urheberrecht sagt ihr Sprecher Professor Gerhard Pfennig: "Uns ist wichtig, dass die Bedeutung des Urheberrechts für die schöpferischen Menschen in den Vertragsstaaten in dem zu verhandelnden Vertrag hervorgehoben wird."

Damit bezieht er sich auf die Sorge, dass TTIP eine Schwächung des Urheberpersönlichkeitsrechts nach sich ziehen könnte. Und in diesem Fall dürfte das Thema Copyright auch in der TTIP-Debatte an Fahrt aufnehmen.

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