Die EU bekommt ein neues Urheberrecht. Das Europaparlament in Straßburg hat am Mittag den Reformvorschlag für ein aktualisiertes europäisches Urheberrecht mehrheitlich angenommen. 348 Abgeordnete stimmten dafür, 274 dagegen. Die EU-Staaten hatten den Kompromiss bereits bestätigt. Nun müssen die Mitgliedsstaaten die Einigung jedoch erneut bestätigen. Als möglicher Termin dafür gilt der 9. April.
Fünf Stimmen fehlten den Kritikern des Entwurfs letztlich, um wenigstens über Änderungen am Text der umstrittensten Artikel abstimmen zu dürfen. Damit wäre es dem Parlament möglich gewesen, die unkontroversen Teile der Reform anzunehmen. In einem zweiten Schritt wäre dann darüber abgestimmt worden, die Artikel 11 beziehungsweise 13 aus der Reform zu streichen. Nachdem dieser Versuch der Kritiker scheiterte, tritt nun die Version der Reform in Kraft, auf die sich Parlament, Kommission und die Mitgliedsstaaten im Februar verständigt hatten.
Der für die Reform zuständige Berichterstatter des Parlaments, Axel Voss (CDU) bezeichnete den Abstimmungserfolg in einem Statement als "Sieg für die Demokratie und das Grundrecht auf Eigentum": Mit der Reform schaffe die EU Rechtssicherheit für private User, die Musik oder Videos ins Internet stellen. "Wofür private Nutzer bisher abgemahnt oder verklagt werden können, nämlich für das Hochladen urheberrechtlich geschützter Werke, müssen nun die Plattformen geradestehen. Sie müssen dafür sorgen, dass sie im Besitz der notwendigen Lizenzen sind." Das habe nichts mit "Filtern" zu tun. Auch Memes würden nicht beeinträchtigt.
Heftigkeit der Debatte zeigt sich auch im EU-Parlament
Bei der Parlamentsdebatte am Vormittag war noch einmal sehr deutlich geworden, wie tief die Gräben zwischen den Befürwortern und den Kritikern der Reform inzwischen sind. Ein Abgeordneter der tschechischen Linken sagte, die emotionale Debatte erinnere ihn eher an das Finale einer Fußballmeisterschaft: "Das ist keine rationale Sitzung eines Parlaments." Die Abgeordnete Julia Reda, die schärfste Kritikerin der Reform, musste ihren Vortrag wegen vielfacher Zwischenrufe sogar mehrfach unterbrechen, was den Parlamentariern einen Tadel der Vizepräsidentin des Parlaments einbrachte: "Ich freue mich ja, dass sie heute Morgen alle so wach sind, aber wir sollten Frau Reda die Gelegenheit geben, ihre Rede zu halten."
In ihrem Beitrag setzte sich Reda dann auch nicht so sehr mit den Inhalten der Reform, sondern mit der Form der Diskussion auseinander: Jeder, der kritische Anmerkungen zum Gesetzentwurf vorgebracht hätte, sei sogleich mit Beleidigungen überzogen worden. Kritikern würde vorgeworfen, sich von den Tech-Konzernen instrumentalisieren zu lassen. "Aber alle diese Diffamierungen sind frei erfunden und leicht zu widerlegen", sagte sie. Im Übrigen hätten nicht nur Youtube-Nutzer die Reform kritisiert, sondern auch der Bundesdatenschutzbeauftragte oder der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Pressefreiheit. Die Botschaft an die jungen Wähler sei deutlich: "Eure Proteste sind nichts wert." Auch der zuständige Berichterstatter für den Gesetzentwurf, Voss, kritisierte die Debatte, wenn auch aus der anderen Richtung: Die Tech-Konzerne betrieben "Governance by Shitstorm", so Voss.
Abgeordnete forderten Last-Minute Verschiebung
Der Vorschlag bringe eine Win-Win-Situation für alle, sagte auch die grüne Abgeordnete Helga Trüpel. Wenn die Reform verabschiedet wird, gebe es "keine Abmahnwellen mehr, die Plattformen müssen Verantwortung übernehmen, Journalisten werden fair bezahlt", sagte sie. Mit Zensur habe das nichts zu tun: "Zensur ist in China, da ist aber kein Urheberschutz." Urheber seien in der Gesellschaft "eine Minderheit: Sie brauchen unseren Schutz." Wer gegen die Reform stimme, stimme dafür, dass Kunst und Kultur wieder zu einer brotlosen Kunst würden, sagte auch die CDU-Politikerin Sabine Verheyen.
Andere Abgeordnete hatten sich für eine Verschiebung der Abstimmung ausgesprochen, etwa der britische Abgeordnete Jonathan Arnott: Die Reform sei ein "Beispiel für ein Projekt, dass man vor Abschluss der Legislaturperiode unbedingt noch durchbringen" wolle. "Das ist schlechte Gesetzgebung."