Unterlassungsanordnung gegen PR-Firma:Wikipedias Kampf gegen die Sockenpuppen

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Geld gegen Artikel: Mit dieser Taktik hat eine PR-Firma versucht, Artikel auf Wikipedia in Auftrag zu geben. Nachdem die Firma aufgeflogen war, versicherte sie, zu kooperieren - hielt sich aber nicht an das Versprechen.

Von Hakan Tanriverdi

Freiheit, Demokratie, Offenheit - das sind die Werte, mit denen sich die Online-Enzyklopädie Wikipedia gerne schmückt. Ihre Seiten sind unter den letzten, die noch für das Transparenz-Versprechen der frühen Internet-Jahre stehen: Wissen für alle, umsonst und ohne Einflussnahme der Mächtigen.

Um diesen Nimbus zu schützen, greift die Wikipedia-Stiftung, nun zu juristischen Mitteln. Es geht dabei um einen Streit mit einer PR-Agentur, die Nutzer dafür bezahlt, dass sie bestimmte Artikel auf Wikipedia umschreiben. Damit es keine Missverständnisse über den Zweck der Agentur gibt, trägt sie einen vielsagenden Namen: Wiki PR.

In der Unterlassungsanordnung ( hier als PDF) steht, dass die Werte von Wikipedia in Gefahr seien, wenn die Verfasser den Auftrag bekommen, Artikel über Firmen zu schreiben und das nicht offen sagen: "Eine solche Praxis ist regelwidrig", heißt es. Weiter: "Aufgrund der Beweislage sind wir überzeugt, dass Ihre Firma den Eindruck erwecken wollte, gewisse Artikel wären von unparteiischen Autoren verfasst. Faktisch aber wurden sie von Wiki-PR für Geld geschrieben". "Sockenpuppen" nennen viele im Netz gefälschte Accounts, die nur scheinbar unabhängig sind.

Bei Wikipedia kann jeder mitschreiben, solange er sich an einige Regeln hält. Behauptungen müssen mit Quellen belegt werden. Ein Großteil der Artikel wird routinemäßig verändert, etwa um aktuelle Zahlen einzufügen. Die Änderungen werden auf einer eigenen Diskussionsseite besprochen. So sind bis heute 30 Millionen Artikel entstanden, die monatlich von 500 Millionen Menschen gelesen werden.

Wiki PR wird nun dazu aufgefordert, keine Artikel mehr zu schreiben oder zu verändern, solange sich die Firma nicht an die Nutzungsbedingungen hält. In diesen steht, dass Wikipedia-Autoren ihre Beziehung zum jeweiligen Artikel nicht falsch darstellen dürfen. Indem sie verheimlichen, dass sie für Geld schreiben etwa.

Wenn ein Unternehmen auf Wikipedia mitdiskutieren will, bekommt es dafür ein "verifiziertes Profil". Der Sinn: Falls dieses Unternehmen Einträge der eigenen Firma verändert oder Veränderungen vorschlägt, ist für alle ersichtlich, von wem die Vorschläge kommen.

Die Abmahnung von Wiki PR ist das Resultat einer Recherche, die seit einem Jahr andauert. Wikipedia-Mitarbeiter haben dabei Hunderte Nutzerprofile untersucht. Als erstes Resultat sperrte Wikipedia im Oktober mehr als 250 Profile.

Wiki-PR schreibt auf der eigenen Webseite, man respektiere und beachte die Vorgaben von Wikipedia. Eine Versicherung, die Wiki PR früher anscheinend auch Wikipedia gegeben hat. Gehalten hat das Unternehmen sich offenbar nicht an sein Versprechen. Offenheit sieht anders aus.

© SZ vom 21.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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