Ungereimtheiten bei Porno-Portal-Abmahnwelle:Wer sind nun die Halunken?

Wie kam die Kanzlei an die IP-Adressen von Zehntausenden Nutzern des Porno-Portals Redtube.com? Stecken hinter zwei der beteiligten Firmen dieselben Personen? Zahlreiche Merkwürdigkeiten lassen Zweifel am rechtmäßigen Vorgehen der Abmahner aufkommen.

Von Johannes Boie

Zehntausende Menschen wurden in den vergangenen Wochen von der Kanzlei Urmann und Collegen aus Regensburg abgemahnt, weil sie auf dem Porno-Portal Redtube.com urheberrechtlich geschützte Filme angeschaut haben sollen. Doch mittlerweile stellen sich gegnerische Anwälte und viele Menschen im Netz die Frage, ob in diesem Fall nicht viel eher die Absender der Abmahnung die Halunken sind.

Neben der Kanzlei Urmann steckt hinter der Abmahnwelle der Berliner Rechtsanwalt Daniel Sebastian, die Schweizer Firma The Archive, die die Rechte an den Erotikstreifen halten soll, und die Firma itGuards, die es geschafft haben soll, IP-Adressen von Pornoguckern zu protokollieren, obwohl dies auf einem Video-Portal wie Redtube bislang kaum möglich war.

Erste Zweifel am korrekten Verhalten der Abmahner kam auf, weil die Juristen in ihrem Schreiben an das Landgericht Köln, das die Herausgabe von IP-Adressen zu genehmigen hat, nicht deutlich machten, dass es sich bei Redtube um ein Videoportal handelt, und nicht, wie in solchen Fällen sonst üblich, um eine illegale Download-Seite im Netz. Das Landgericht Köln winkte die allermeisten Anträge durch, so dass die Kanzlei Urmann mit den Abmahnungen beginnen konnte.

Hunderte im Netz recherchieren die Ungereimtheiten des Verfahrens

Seitdem haben sich Hunderte im Netz an die Recherche gemacht. Die Wut auf die Abmahner ist groß, gestreamte Filme sind nicht nur im Pornobereich beliebt. Und IP-Adressen betrachten im Netz viele als Teil ihrer Privatsphäre. Einer, der jetzt genauer hinschaut, ist der IT-Experte Klemens Kowalski aus Buxtehude, der unter kowabit.de berichtet, was ihm aufgefallen ist. Zum Beispiel, dass die Webseiten von The Archive und itGuards möglicherweise von derselben Person erstellt wurden. itGuards nennt auf der Firmenwebseite eine amerikanische Adresse als Firmensitz. Anfragen per Mail ignoriert die Firma, eine Telefonnummer scheint nicht zu existieren. Die Firma ist nach Angaben des Firmenverzeichnisses Bizapedia erst im März gegründet worden, demselben Zeitraum, in dem die Webseiten von The Archive registriert und online gestellt wurden. Diese und weitere technische Details lassen vermuten, dass die Firmen möglicherweise keine getrennten Unternehmen sind, obwohl The Archive offiziell im Schweizer Bassersdorf registriert ist. Dort war am Freitag telefonisch niemand zu erreichen.

Auch der Berliner Rechtsanwalt Daniel Sebastian gewährt derzeit keine Auskünfte. Am Mittwoch hat er eine allgemeine Stellungnahme verschickt, in der es heißt, die IP-Adressen der Abgemahnten seien von der Firma itGuard mit der Software "Gladii 1.1.3" ermittelt worden. Wie dies genau geschehen sein soll, ist unklar. Die Münchner Kanzlei Diehl und Partner, die zu der Software ein Gutachten erstellt hat, möchte aus rechtlichen Gründen keine Fragen dazu beantworten. Auch nicht die, wie es möglich war, die Software von itGuard im März bereits einen Tag nach der Gründung der amerikanischen Herstellerfirma juristisch zu begutachten.

Der einzige, der sich von Seiten der Abmahner äußert, ist Rechtsanwalt Thomas Urmann. Er sieht sich aber "nur als Anwalt, nicht als der IT-Sachverständige." Deshalb könne er die Fragen zu itGuards, der Software und The Archive nicht beantworten. Seine Kanzlei versende außerdem lediglich die Abmahnungen an die vom Gericht freigegebenen Adressen der Nutzer.

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