Süddeutsche Zeitung

Spielereihe "Uncharted Collection":Wenn Indiana Jones und Lara Croft ein Kind hätten

"Uncharted" war eine der großen Serien auf der Playstation 3. Nun werden die drei Spiele neu aufgelegt - und haben nichts von ihrem Reiz verloren.

Von Jan Bojaryn

Es gibt mehr als dreißig Jahre alte Kinofilme, die kann man sich heute noch mit Genuss ansehen. Videospiele altern schneller. Ihre Grafik hängt stark von der Computerleistung ab. Aber auch das Handwerk des Spielemachens hat sich verändert. Wie strukturiert man ein gutes Spiel? Wie erzählt man damit eine Geschichte? Ältere Spiele geben darauf oft Antworten, die heute altbacken wirken.

Altes neu verkauft

Auch deswegen schaut ein Großteil der Spielergemeinde nach vorn und nicht zurück. Der Hit von vor sechs Monaten interessiert niemanden mehr. Wichtig sind Spiele, die vielleicht in zwei Jahren erscheinen. Ein Branchentrend kehrt die Perspektive nun um.

Seit dem Start von Playstation 4 und Xbox One erscheinen die vergessenen Spiele einfach nochmal. Titel der letzten Konsolengeneration werden mehr oder weniger stark überarbeitet und stehen wieder im Ladenregal - zu hohen Preisen. Und sie verkaufen sich abermals gut. Offenbar haben wir einen Wendepunkt erreicht: den Zeitpunkt, von dem an auch Spiele so gut altern wie mancher Hollywood-Schinken. Die "Uncharted"-Trilogie, jetzt als "Nathan Drake Collection" für PS4 im Handel, demonstriert diesen Wendepunkt eindrucksvoll.

Von den Besten geklaut

Die Geschichten um Schatzjäger Nathan Drake folgen zwei offensichtlichen Vorbildern. Das interaktive Spiel, der Wechsel aus Jump'n'Run-Elementen, Schusswechseln und einfachen Rätseln erinnert stark an die "Tomb-Raider"-Serie. Wie einst Lara Croft klettert Drake Steilklippen hinauf, ballert um sich und löst antike Rätsel, um Schätze zu heben.

Drakes anderes Vorbild kommt aus dem Kino. "Uncharted" ist filmreif inszeniert, lässt Schauspieler die Abenteuer im Motion-Capture-Verfahren durchturnen. Spiel und Zwischensequenzen gehen fließend ineinander über. Das Ergebnis erinnert an die "Indiana-Jones"-Filme. Auch Drake ist ein liebenswürdiger, hemdsärmeliger Held, der sich aus misslichen Lagen stets in letzter Sekunde befreit. Auch er stößt in jedem Abenteuer auf ein übernatürliches Geheimnis und muss schrill überzeichnete Schurken stoppen.

Wie ein Filmklassiker als Blu Ray

Drei Abenteuer hat Nathan Drake auf der Playstation 3 erlebt - 2007, 2009 und 2011. Bevor im Frühjahr 2016 das vierte auf der Playstation 4 erscheint, lässt nun die "Uncharted"-Sammlung Erinnerungen wach werden. Sie hat eine Daseinsberechtigung: Neueinsteiger können sich einspielen, ohne die alte Konsole kaufen zu müssen. Die drei Playstation-3-Spiele sehen auf der Playstation 4 besser aus als im Original, sie wurden behutsam überarbeitet. Nathan Drake wirkt etwas schärfer, seine Bewegungen etwas flüssiger. Neue Schwierigkeitsgrade machen das Abenteuer wahlweise einfacher oder schwieriger.

Gut genug, um sie heute noch zu spielen, sehen alle drei Spiele aus. Aber "Uncharted 1" steht noch sichtbar an einer Schwelle: Es ist streckenweise kein kinoreifes Abenteuer, eher ein stinknormales Action-Adventure. Die Schauplätze wechseln langsam, das Geballer wirken monoton und in Nahaufnahmen erinnern die Helden an wachsgesichtige Zombies. Einen gewissen Charme entfaltet Teil eins vor allem dank der gut geschriebenen Dialoge und der starken Performance seiner Schauspieler.

Gefunden hat sich die Serie erst mit "Uncharted 2". Das Spiel kann sechs Jahre nach der Erstveröffentlichung immer noch visuell beeindrucken. Drake tingelt nonchalant um den halben Globus, so als müsste man neue Schauplätze im Videospiel nicht alle mühsam von Hand basteln, sondern könnte sie einfach abfilmen. Das Spiel bringt auch das aufwändige "Setpiece", ohne das kein Actionreißer im Kino funktioniert, in die Spielewelt. In "Uncharted 2" klettert Drake verwundet durch einen Eisenbahnwagon, der von einer Steilklippe baumelt. Er flüchtet durch ein einstürzendes Hotel. Er liefert sich eine Schießerei auf einem fahrenden Zug. Auch in den Jahren nach "Uncharted 2" hat kaum ein Spiel das so ideenreich und technisch souverän inszeniert.

Man sieht "Uncharted 2" und "3" durchaus an, dass sie nicht auf dem neuesten Stand der Technik sind. Man vergisst es beim Spielen aber schnell, denn der Unterschied liegt eher im Detail. "Uncharted 4" sieht in Vorschauvideos spektakulär aus. Das Licht fällt realistischer, Gesichter haben feine Fältchen, das Dickicht wuchert dichter. Aber auch dieser Unterschied wird beim Spielen wohl schnell nachrangig werden. Anders als noch beim letzten Generationswechsel der Spielkonsolen ist der optische Sprung zu Xbox One und Playstation 4 eher ein kleiner Hüpfer.

Überflüssige Überarbeitungen

Die "Uncharted Collection" bedient keinen echten Bedarf. Es gibt eine Flut an "definitiven" oder "neu gemasterten" Versionen kaum gealterter Spiele. Sie sehen nicht viel besser aus, spielen sich genau so wie früher, und die alten Versionen sind immer noch für Spottpreise erhältlich.

Doch die "Uncharted Collection" ist eine der besten Sammlungen in der Remake-Masse. Sie bündelt drei starke Spiele in einem Paket, das man auf einer neuen Plattform spielen kann. Und mit der Distanz einiger Jahre kann man ihren Einfluss auf die Spielebranche deutlich erkennen. Wer in Spielen filmisch erzählen will, der muss sich auch heute noch an dieser Serie messen lassen.

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