Umstrittenes Spähprogramm:Staatstrojaner ist ein Bayer

Spähangriff im Freistaat: Bayerische Sicherheitsbehörden sind offenkundig für den Einsatz zweifelhafter Computer-Ausspähprogramme verantwortlich, wie das Innenministerium des Landes nun bestätigte. Der Anwalt eines Betroffenen erhebt schwere Vorwürfe: Half der Zoll bei der Installation des Spionage-Schädlings?

Susanne Höll und Mike Szymanski

Die bayerischen Sicherheitsbehörden sind offenkundig für den Einsatz zweifelhafter Computer-Ausspähprogramme verantwortlich, die bundesweit Empörung auslösten. Ein Sprecher des Innenministeriums bestätigte, dass die Software 2009 bei einem Fall in Landshut zum Einsatz gekommen sei.

Staatstrojaner soll offenbar in Bayern verwendet worden sein

Hilfe vom Zoll: Wurde der Staatstrojaner bei einer Flughafen-Kontrolle aufgespielt?

(Foto: dapd)

Nach Angaben von Herrmann werde derzeit überprüft, ob es sich bei der dem CCC vorliegenden Datei um eine Testversion aus der Entwicklungsphase oder um die später im Verfahren tatsächlich eingesetzte Version der Software handelt. Herrmann kündigte an, den Landesbeauftragten für Datenschutz, Thomas Petri, einzuschalten.

Damit haben bayerische Sicherheitsbehörden ebenjenes Programm verwendet, das der Chaos Computer Club (CCC) jüngst bei der Prüfung einer Festplatte geknackt und am Wochenende öffentlich als rechtlich fragwürdig angeprangert hatte.

Zuvor hatte ein Anwalt aus Landshut den Behörden vorgeworfen, dieses Programm gegen einen seiner Mandaten eingesetzt zu haben. Der Jurist Patrick Schladt schrieb in einer im Internet veröffentlichten Erklärung, dieser vom CCC dokumentierte "Staatstrojaner" sei bei einer Kontrolle seines Mandanten durch den Zoll auf dem Münchener Flughafen auf den Rechner aufgespielt worden.

Er sei sich darüber hinaus sicher, dass auch Bundesstellen, etwa das Zollkriminalamt - im Wege der Amtshilfe an der Aktion beteiligt gewesen seien. Das Zollkriminalamt äußerte sich zunächst nicht zu dem Fall. Gegen den Mandanten Schladts war wegen Verdachts auf Drogenhandel ermittelt worden.

Rechtswidrige Screenshots

Das Landgericht Landshut hatte Bildschirmfotos, wie sie das Ausspähprogramm auf dem Computer aufnahm, Anfang des Jahres für rechtswidrig erklärt (Urteil als pdf hier) und dem bayerischen Landeskriminalamt weitere solche Aktionen verboten.

Die bayerischen Behörden sollen das Programm mindestens fünf Mal eingesetzt haben. Das geht aus einer Anfrage der Grünen im bayerischen Landtag hervor. Die Veröffentlichungen des CCC hatten bei den Sicherheitsbehörden, in den Bundestagsparteien und auch in der Bundesregierung für Aufregung gesorgt.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) fordert eine schnelle Aufklärung über den Einsatz solcher Computersoftware. In Koalitionskreisen hieß es, staatliche Online-Durchsuchungen seien öffentlich umstrittenen und würden skeptisch beäugt. Die Bürger müssten Gewissheit haben, dass bei diesen Aktionen streng nach Recht und Gesetz vorgegangen werde.

Thema im Innenausschuss

Die Prüfungen des CCC hatten ergeben, dass das auf der Festplatte gefundene Ausspähprogramm weitaus mehr Informationen aus dem Computer eines Verdächtigen liefern kann, als es die Gesetze und das Bundesverfassungsgericht erlauben. Die Bundesregierung und die Bundesländer hatten sofort die von ihren Sicherheitsbehörden genutzten Programme überprüft.

Das Bundesinnenministerium entlastete drei zentrale Behörden des Bundes von den Vorwürfen. Weder das Bundeskriminalamt noch die Bundespolizei oder das Bundesamt für Verfassungsschutz verwendeten das vom CCC geknackte Programm, sagte ein Sprecher. Ähnlich äußerten sich alle Bundesländer, die bei der Aufklärung schwerer Straftaten Internet-Gespräche von Verdächtigen belauschen.

Der Innenausschuss des Bundestages will sich in der kommenden Woche mit der Frage beschäftigen, welche Programme staatliche Stellen für solche Internet-Ausspähungen benutzen darf. Auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, zeigte sich besorgt über die CCC-Erkenntnisse und kündigte an, den nun bekannt gewordenen Fall unverzüglich zu untersuchen.

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