Süddeutsche Zeitung

Umstrittene Konto-Blockierung:"Paypal zerstört Weihnachten"

Mit Paypal lassen sich Einkäufe und Spenden auf Knopfdruck bezahlen. Klar, dass sich der Dienst gegen Übeltäter schützen muss. Die Mechanismen greifen aber gelegentlich zu früh - und wichtige Zahlungen von Kunden werden blockiert. Kürzlich wurde sogar eine Sammlung für wohltätige Zwecke abgeklemmt.

Kilian Haller

"Fuck You, Paypal" - unter dieser Überschrift machte sich jüngst April Winchell von Regretsy Luft. Woher kommt der Ärger?

Winchell macht in ihrem Blog auf komische Gegenstände im Bastler-Shop "Etsy" aufmerksam. Die humoristischen Artikel schätzen so viele Leser, dass Winchell auf die Idee kam, eine Spendenkampagne zu starten. Jährlich sammelt sie seitdem und finanziert mit dem Geld Geschenke für Kinder mittelloser Eltern. Mehr als 170.000 Dollar kamen darüber ihren Angaben zufolge seit 2009 zusammen.

Wer spenden wollte, konnte auf den "Donate"-Button klicken und einen Betrag von seinem Paypal-Konto abbuchen lassen. Anfang Dezember spendeten aber offenbar so viele Menschen für Winchells Hilfsprojekt, dass einige Warnlämpchen bei Paypal aufblinkten. Ein Mitarbeiter nahm Winchells Konto genau unter die Lupe und fror es kurzerhand ein. Der Grund: Nur eingetragene Nonprofit-Organisationen dürfen den "Donate"-Button verwenden.

Die Britin hat in mehreren Artikeln ihre Sicht der Dinge dokumentiert - die Aussagen der Paypal-Mitarbeiter wirken in ihrer Version äußerst grotesk: "Sie dürfen den Donate-Button benutzen, um Geld für eine kranke Katze zu sammeln, aber nicht für bedürftige Menschen", zitiert sie einen Mitarbeiter. Winchells offensiver Umgang mit dem Fall löste großes Echo im Netz aus.

Wie eine Unternehmen sich unbeliebt macht

Zahlreiche Blogs griffen die Geschichte auf, erboste Facebook-User meldeten sich zu Tausenden auf Paypals Pinnwand zu Wort, Kommentare wie "Paypal zerstört Weihnachten" waren zu lesen. Dazu trug sicherlich bei, dass Paypal offenbar alles andere als einen guten Ruf genießt: Die Anti-Paypal Seite "Paypal Sucks" unterstützen über 83.000 Facebook-Nutzer.

Im Falle von April Winchell hat der Druck offensichtlich Wirkung gezeigt: Mittlerweile wurde nicht nur Winchells Konto wieder entsperrt, Paypal hat sich sogar entschuldigt und den 200 bedürftigen Familien jeweils 100 Dollar als Zusatzgeschenk versprochen.

Winchell hätte sich den Ärger sicher gern erspart. In anderen Fällen geht es aber sogar um die unternehmerische Existenz. Das Problem: Sobald ein Konto auffällig wird (zum Beispiel durch ungewöhnlich hohe Überweisungen), friert Paypal es für bis zu 180 Tage ein, um der Sache auf den Grund zu gehen.

Was ein wichtiger Prozess beim Schutz vor Betrügern sein soll, scheint sich immer wieder unnötig in die Länge zu ziehen. Die Kunden beschweren sich, dass Paypal auch nach der Zusendung aller nötigen Unterlagen, die die Legalität der Vorgänge beweisen, nicht reagiere.

So beklagten sich die Macher des sozialen Netzwerks Diaspora im September in ihrem Blog: "Wir hatten 45.000 Dollar in nur wenigen Tagen gesammelt, und dann fror Paypal unser Konto ein. Obwohl wir uns mehrfach gerechtfertigt und ihnen auch unsere Gründungsurkunde zugeschickt haben, geben sie uns immer noch keine Erklärung für irgendeinen ihrer Schritte."

Auch der Fall von Diaspora trat eine Protestwelle unter Internet-Nutzern los - mit einem ähnlichen Ergebnis wie bei April Winchell: Paypal gab das Konto wieder frei und entschuldigte sich.

Doch die Liste unzufriedener Kunden wächst: Im Herbst dieses Jahres berichtete der Independent über den Fall der Britin Shelly Michaels; sie betreibt einen Ebay-Shop und ihr Konto wurde nach außergewöhnlich hohen Transaktionen gesperrt. Michaels sah sich der 180-Tage-Frist gegenüber, ging vor Gericht - und gewann. Sie sagt: "Meine Sorge ist, dass Paypals Vorgehen, willkürlich Kundenkonten einzufrieren, Unternehmen oder unschuldige Privatpersonen in den Ruin treiben könnte."

Deutsche Konten können sogar länger gesperrt werden

Auch in den deutschen Paypal-Nutzungsbedingungen wird eine Reihe "Verbotener Aktivitäten" genannt, unter anderem das "Empfangen oder Senden von Zahlungen, bei denen die berechtigte Annahme besteht, dass das Geld aus betrügerischen oder sonstigen verbotenen Aktivitäten stammt." Die 180-Tage-Regel wird hier allerdings anders ausgelegt: Paypal kann deutsche Konten sogar "für mehr als 180 Tage" sperren.

Paypal ist eine Tochtergesellschaft von Ebay und hat nach eigenen Angaben weltweit 210 Millionen registrierte Kunden, davon 15 Millionen in Deutschland. Das Unternehmen sagte sueddeutsche.de, dass es zur Wahrung des Bankengeheimnisses verpflichtet sei und deshalb die einzelnen Fälle nicht kommentieren können.

In der Vergangenheit kritisierten Unternehmer die Firma, weil sie das US-Embargo gegen Kuba auch bei deutschen Händlern gelten ließ. Im Dezember 2010 gab es massiven Gegenwind, als die Firma Spenden an Wikileaks stoppte - die Proteste wurden so stark, dass Paypal die Konten später wieder freigab. Auch der Mutterkonzern Ebay machte negative Schlagzeilen: Das Auktionshaus zwingt seine Nutzer, Paypal als Bezahlverfahren anzubieten.

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