Twitter-Sperre:Türkische Internetanbieter geben sich als Google aus

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Um die Blockade von Twitter und Youtube zu umgehen, haben viele Internetnutzer in der Türkei einen Umweg über Google genutzt. Das wollen türkische Internetanbieter nun verhindern: Sie tricksen ihre Nutzer aus, um sie von den gesperrten Seiten fernzuhalten.

Türkische Internetprovider tricksen ihre Nutzer aus, um deren Surfverhalten zu steuern - und sie von Seiten wie Twitter oder Youtube fernzuhalten. Wie das Sicherheitsblog von Google meldet, fangen die Internetprovider die Anfragen an den sogenannten DNS-Server von Google ab und leiten sie um. Auf diese Weise verhindern sie, dass in der Türkei gesperrte Seiten besucht werden.

DNS-Server funktionieren wie ein Telefonbuch. Wenn der Nutzer etwa Sueddeutsche.de eingibt, surft er die IP-Adresse 195.50.176.88 an - die Kombination aus Name und Adresse ist bei den DNS-Servern hinterlegt.

Was nun passiert ist, hat Renesys protokolliert, ein Unternehmen, das sich auf Netzwerkstörungen spezialisiert hat: Die Internetanbieter täuschen demnach vor, die Nutzer zu den DNS-Servern von Google weiterzuleiten. De facto passiert das aber nicht. "Wie in China können die Nutzer nicht mehr sicher sein, wer ihre Anfragen beantwortet."

Ausgefeiltere Sperren

Der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdoğan hat in den vergangenen Monaten wiederholt gegen soziale Netzwerke gewettert - diese wurden daraufhin gesperrt. Im Fall der ersten Twitter-Sperre haben die türkischen Internetprovider den Eintrag im "Telefonbuch" so geändert, dass die Nutzer nicht mehr auf die Zielseiten weitergeleitet wurden.

Diese erste Sperre zu umgehen, war simpel: Nutzer stellten ihre Browser so um, dass diese in einem anderen "Telefonbuch" nachschauten. In den ersten Stunden nach der Sperre erzielte Erdogan damit eher das Gegenteil seiner Intention, Menschen von der Seite fernzuhalten: Es wurden 17 000 Tweets abgesetzt - pro Minute. Nach und nach wurden die Sperren jedoch ausgefeilter, die IP-Adresse von Twitter und Youtube direkt gesperrt.

Der Vergleich mit China kann durchaus als politisches Statement gelesen werden, auch wenn Renesys sich darauf beschränkt, den ökonomischen Aspekt der DNS-Manipulation zu beleuchten: "Der Schaden könnte in den kommenden Jahren folgen, wenn sich Unternehmen entscheiden, weniger in die Türkei zu investieren, weil der freie Fluss der Informationen sehr unsicher ist."

Ein türkisches Gericht hat mittlerweile ein Ende der Twitter-Blockade angeordnet und damit einer Klage der Anwaltskammer stattgegeben. Unklar ist, wann Twitter wieder erreichbar sein wird.

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