Überwachungssoftware:Deutsche Firmen rüsten "Feinde des Internets" aus

Der Markt für Späh- und Schadsoftware ist milliardenschwer, das meiste Geld stammt aus Ländern wie Äthiopien, Saudi-Arabien und Usbekistan. Länder, in denen Reporter ohne Grenzen die umfassende Internet-Überwachung beklagen. Die Werkzeuge dafür kommen oft aus Deutschland.

Von Hakan Tanriverdi

Wenn sich das Forschungsinstitut von Ron Deibert an die Arbeit macht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es in Europa fündig wird. Deibert leitet das Citizen Lab im kanadischen Toronto. Die Forscher untersuchen, welche Länder Überwachungssoftware einsetzen und vor allem, von wem diese Software programmiert wird. Die Macher sitzen oft in Europa. In Italien, Großbritannien - und in Deutschland.

Im vergangenen Monat veröffentlichte das Citizen Lab einen dreiteiligen Bericht, in dem die Forscher unter anderem detailliert schildern, wie Journalisten mit Hilfe eines Trojaners ausgespäht wurden. Die Journalisten arbeiteten für den staatskritischen äthiopischen Sender Ethiopian Satellite Televon Service (ESAT). Äthiopien taucht in einem aktuellen Bericht von Reporter ohne Grenzen als ein "Feind des Internets" auf. Diese zeichnen sich in dem Papier dadurch aus, dass sie kritische Stimmen und unerwünschte Informationen unterdrücken und versuchen, das Internet zu kontrollieren.

Mit dem Trojaner war es möglich, den PC zu kapern, Skype-Gespräche mitzuhören, Passwörter zu klauen, Kontaktlisten zu durchforsten und E-Mails zu lesen. Waren die Rechner infiziert, konnten die Angreifer auch auf Daten des PCs zugreifen - und so herausfinden, welche Personen den Journalisten vertrauliche Informationen zukommen ließen.

Die Analyse des Citizen Labs habe ergeben, dass die Überwachungssoftware von Hacking Team stamme, einer italienischen Firma, die ihre Produkte laut Eigenaussage ausschließlich an Regierungen verkauft. Hacking Team äußerte sich nicht dazu, ob auch Äthiopien zu seinen Kunden gehört, die Regierung selbst widersprach dem Bericht.

Citizen Lab vermutet, dass die Software von Hacking Team in insgesamt 21 Staaten eingesetzt wird. Dazu gehören weitere Staaten, deren Methoden Reporter ohne Grenzen anklagt: Zum Beispiel Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Usbekistan und Sudan.

Messen als Verkaufsplattform

"Die Zensur und Überwachung, die durch die Feinde des Internets durchgeführt werden, wäre nicht möglich ohne die Werkzeuge der Privatfirmen", schreiben Reporter ohne Grenzen. Der Markt für solche Software ist Schätzungen zufolge jährlich fünf bis sechs Milliarden Dollar schwer. Laut Hauke Gierow, der in der Organisation den Bereich Internetfreiheit verantwortet, könne man von einem deutlichen Wachstum ausgehen. Knapp die Hälfte dieses Marktes dürften europäische Firmen unter sich aufteilen, sagt Jerry Lucas.

Lucas veranstaltet Messen, die über die Welt verteilt regelmäßig stattfinden. Dort halten Firmen wie Hacking Team Vorträge mit Titeln wie: "Überwachen in einem verschlüsselten, sozialen und cloud-basierten Umfeld." Solche Messen haben Gierow zufolge vor allem zwei Ziele: "Erstens, die Unternehmen vernetzen sich untereinander. Zweitens, die Messen werden als geschützter Raum empfunden, weil in aller Regel nur Regierungsstellen und andere Unternehmen anwesend sind. Deswegen dienen sie als Verkaufsplattform." Wer sich die Sponsoren- und Ausstellerlisten dieser Messen anschaut, sieht: Es stehen viele deutsche und viele europäische Firmen darauf.

Für Firmen, die Überwachungssoftware anbieten, gehören Staaten in Nahost und Nordafrika zu den wichtigsten Zielgruppen. Für Ron Deibert ist das nur logisch: "Man muss sich anschauen, wo in diesem Gebiet die Innovationen stattfinden. Das ist in Europa und in den USA - und der heimische Markt ist saturiert. Also schauen diese Firmen, wohin sie expandieren können."

Diese Expansion europäischer Firmen könnte jedoch in naher Zukunft ausgebremst werden. Im Dezember 2013 wurde das Wassenaar-Abkommen neu geregelt. Das Abkommen legt Ausfuhrkontrollen für Rüstungsgüter und Güter, die sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden können fest. In der Neufassung zählt erstmals auch Schadsoftware wie Trojaner dazu. Diese Neuregelung wird in europäisches und deutsches Recht umgesetzt.

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