Indien:Blackberry: Profit im Spionage-Modus

Der Blackberry-Hersteller RIM will einem Bericht zufolge indischen Geheimdiensten den Zugriff auf sensible Kommunikationsdaten erlauben. Der Konzern dementiert - es geht um seine Glaubwürdigkeit.

Johannes Kuhn

Blackberrys sind vor allem für zwei Eigenschaften bekannt: Zum einen sorgen sie dafür, Geschäftsleute auch in ihrer Freizeit mit überflüssigen E-Mails zu beschießen. Zum anderen gelten die Geräte als äußerst sicher, weshalb viele Unternehmen ihre Mitarbeiter mit den Handys ausstatten.

Emirate schränken die Nutzung von Blackberry-Smartphones ein

Blackberry-Modell in einem Geschäft: RIM steht vor der Wahl, Marktanteile zu verlieren oder den sicheren Ruf zu riskieren.

(Foto: dpa)

Anders als herkömmliche Smartphones schicken Blackberrys die E-Mails nicht über das offene Internet, sondern über ein komplett geschlossenes System. Die Nachrichten werden hierfür verschlüsselt auf die Server des Blackberry-Herstellers RIM geschickt und von dort an den Empfänger weitergeleitet.

Die Diskussion der vergangenen Tage dürfte den RIM-Verantwortlichen deshalb kaum geschmeckt haben: Die Regierungen von Saudi-Arabien, der Vereinigten Arabischen Emirate und Indiens verlangten Einblick in den Datenverkehr der Blackberry-Nutzer - sollte RIM diesen nicht genehmigen, so die Drohung, müssten die Smartphones in den entsprechenden Ländern offline gehen.

Offenbar hat RIM nun zumindest in Indien einer Teilüberwachung zugestimmt: Wie die indische Zeitung Economic Times unter Berufung auf Regierungsdokumente berichtet, haben Unternehmensvertreter der Regierung in Neu-Delhi verschiedene Überwachungsrechte zugesagt.

Blackberry dementiert

Demnach will RIM den technischen Code für geschäftliche E-Mail-Dienste teilen, indische Behörden sollen zudem künftig 15 Tage auf alle E-Mails von Blackberry-Nutzern in Indien zugreifen können; in sechs bis acht Monaten will das Unternehmen auch ein Programm zur Chat-Überwachung bereitstellen. Indien hatte den geforderten Einblick mit dem Kampf gegen den Terrorismus begründet.

RIM hat den Bericht inzwischen dementiert: "Wir dementieren die Meldung, dass wir der indischen oder anderen Regierungen Einblicke in die Kommunikation unserer Kunden geben", erklärte ein Sprecher der FAZ.

Diese Klarstellung ist ein wichtiges Signal an die Blackberry-Kunden: Hätte der Bericht den Tatsachen entsprochen den Tatsachen entsprechen, wäre er nur mit der Situation am hartumkämpften Smartphone-Markt erklärbar gewesen: Zwar stieg der weltweite Marktanteil von Blackberry-Geräten im zweiten Quartal dieses Jahres auf 20,9 Prozent - das sind etwa drei Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum; dennoch versucht gerade vor allem Apple, seinen Sicherheitsruf aufzupolieren und das iPhone auch als Geschäfts-Smartphone zu etablieren. Ähnliche Pläne dürfte Microsoft verfolgen, dessen neues Betriebssystem Windows Phone 7 gegen Ende des Jahres erwartet wird.

Alarmieren könnten RIM vor allem die jüngsten Zahlen des Marktforschungsunternehmens Nielsen: Nur noch 42 Prozent der Blackberry-Kunden erklären demnach, auch bei ihrem nächsten Handy auf die Marke zu setzen. Beim iPhone liegt diese Markentreue-Quote bei 89 Prozent, bei Handys mit Android-Betriebssystem immerhin noch bei 71 Prozent.

Sicherheitsexperten misstrauen dem Blackberry

RIM kann es sich deshalb eigentlich nicht erlauben, wichtige Märkte aufzugeben: In Indien werden etwa eine Million Blackberrys genutzt, in den Vereinigten Arabischen Emiraten etwa 500.000. Vor allem Indien gilt als Land mit hohem Wachstumspotential, die Emirate als Drehkreuz für Investoren im Nahen und Mittleren Osten - bei einer Sperre würden in beiden Ländern auch ausländische Geschäftsleute ihr Blackberry nicht mehr verwenden können. Berichten der kuwaitischen Zeitung Al-Jarida zufolge überlegt RIM derzeit, auf Anfrage von Kuwait den Zugang zu 3000 Porno-Websites zu sperren.

Allerdings dürfte sich das Unternehmen bewusst sein, dass mit der Einwilligung zu Überwachung und Zensur ein Imageverlust einhergehen würde, der die Marke nachhaltig beschädigt: Noch am Montag hatte RIM in einer Erklärung bekräftigt, dass Regierungen doch "die Möglichkeit hätten, nationale Sicherheits- und Strafverfolgsinteressen zu befriedigen, ohne geschäftliche Sicherheitsanforderungen einzuschränken".

Der IT-Sicherheitsexperte Jeffrey Carr, Autor des Buchs Inside Cyber Warfare, hält solche Aussagen allerdings längst nur noch für Gerede: In einem Blogbeitrag für die Online-Ausgabe des US-Magazins Forbes wirft er RIM vor, bereits seit Jahren Sicherheitsbehörden in China und Russland Zugriff auf die E-Mails von Kunden zu erlauben - anders wären Blackberrys dort niemals zugelassen worden. "Es gibt nur eine Möglichkeit, die chinesische Regierung hinsichtlich der 'Sicherheitsbedrohungen' gnädig zu stimmen", schreibt er, "und das bedeutet, sich an die chinesischen Überwachungsgesetze zu halten."

China will mehr

Berichten zufolge drängt Peking RIM derzeit sogar dazu, die Blackberry-Server für die chinesischen Kunden in die Volksrepublik zu verlegen, um Zugang zu ihnen zu erhalten. Allerdings würde es ihnen nur helfen, wenn sie auch im Besitz eines Generalschlüssels für den Zugang zu den E-Mails hätten, die durch den Server geleitet werden.

Bislang stehen die RIM-Server vorwiegend im Firmen-Heimatland Kanada. Dies ist aber noch lange keine Garantie dafür, dass die Daten dort sicher sind: Sicherheitsexperten wie der IT-Berater Chris Soghoian weisen darauf hin, dass das Land ein enges Verhältnis zu den USA pflegt. "Es gibt keinen Grund, dass die Kanadier eine Anfrage von US-Sicherheitsbehörden ablehnen würden", spekulierte Soghoian jüngst in einem Radiointerview.

Beweise hierfür gibt es keine, klare Stellungnahmen bislang jedoch auch nicht. Ebenso wie zu etwaigen Sonderabkommen mit anderen Regierungen weltweit hält sich RIM in dieser Frage an die sicherste Form der Kommunikation: Das Unternehmen schweigt sich aus.

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