Süddeutsche Zeitung

Überwachungsprogramm Prism:Snowden lüftet Geheimnis um "direct access"

Prism-Whistleblower Snowden kündigt weitere Enthüllungen über US-Spähprogramme an. In einem Online-Interview erklärt er, wie Geheimdienstmitarbeiter private Inhalte einfach abfangen können.

Von Matthias Huber

Er hat das Internet-Überwachungsprogramm Prism öffentlich gemacht und versteckt sich jetzt in Hongkong vor der US-amerikanischen Justiz. Whistleblower Edward Snowden verweigert seit seiner Enthüllung des Überwachungsprogramms "Prism" jedes Interview. Dafür stellt er sich den Fragen der Leser des britischen Guardian in einem Live-Q&A.

"Mehr Details kommen", kündigt Snowden darin an - aber wohl nicht in diesem Gespräch. Dafür erklärt er bei der Fragerunde, was genau es mit dem ominösen Begriff "direct access" auf sich hat: Demnach hätten die Analysten vollen Zugriff auf die Datenbanken der Betreiber, könnten also Telefonnummern, E-Mail-Adressen, Nutzerkennungen oder sogar die IMEI-Nummern - einzigartige Identifikationsnummern jedes Mobiltelefons - abfragen. "Die Grenzen dieser Abfragen sind nur Richtlinien, nicht technischer Natur, und können sich jederzeit ändern", schreibt er.

Die Formulierung "direct access", die sich in den Stellungnahmen der großen Konzerne wie Facebook, Google und Apple wortwörtlich wiederholte, sorgte bereits für Wirbel in Blogs. Dort wurde gerätselt, was es mit dieser Phrase auf sich habe.

Daher sei es auch möglich, dass Geheimdienstmitarbeiter die Inhalte privater Kommunikation abfangen können, sagte Snowden. "Wenn beispielsweise eine E-Mail-Adresse das Ziel ist - auf Basis des FAA 702, also des Zusatzartikels Nummer 702 zum Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) - und von dieser E-Mail-Adresse etwas verschickt wird, dann bekommt es der Geheimdienstmitarbeiter", sagt Snowden. "Alles davon. IP-Adressen, Rohdaten, Inhalte, Kopfzeile, Datei-Anhänge. Alles. Und das wird dann für eine sehr lange Zeit gespeichert."

Snowden will Island um politisches Asyl ersuchen

Derzeit hält sich Snowden in Hongkong auf - auch weil er um seine Sicherheit fürchtet. "Die US-Regierung hat sofort und wie vorherzusehen war jede Möglichkeit auf eine faire Gerichtsverhandlung zerstört, indem sie mich öffentlich des Hochverrats für schuldig erklärt hat", begründet der Whistleblower seine Flucht.

Hongkong sei deshalb für ihn das beste Ziel gewesen, weil er der Stadt zutraue, dem Druck sowohl der US-amerikanischen wie auch der chinesischen Regierung standzuhalten, sollten diese seine Auslieferung verlangen. Langfristig plane er aber, möglicherweise in Island um politisches Asyl zu ersuchen. Eine kurzfristige Ausreise dorthin war für ihn als NSA-Mitarbeiter, der strengen Auflagen unterliegt, nicht möglich.

Vor knapp zwei Wochen enthüllten die Washington Post und der Guardian, dass der US-Nachrichtendienst NSA und die Bundespolizei FBI direkt die zentralen Rechner von mehreren Internet-Firmen anzapfen. Der Geheimdienst bestätigt die Überwachung in einer Mitteilung. Das Programm ist Teil der Auslandsspionage.

Das Programm mit dem Namen Prism existiert seit 2007 und ist den Berichten zufolge seitdem extrem gewachsen. Mittlerweile liefere es den größten Anteil zum täglichen Geheimdienst-Briefing für US-Präsident Barack Obama. Dem Guardian zufolge werden auf der Grundlage des Programms monatlich mehr als 2000 Geheimdienstberichte erstellt.

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