Überwachung von Passagieren:Justizministerin Lambrecht gegen Erfassung von Zug- und Busreisenden

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Christine Lambrecht, Bundesministerin für Justiz und für Verbraucherschutz, äußert sich zur Debatte um die Speicherung von Passagierdaten. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)
  • Die EU-Mitgliedstaaten diskutieren, ob auch Anbieter wie die Deutsche Bahn oder Flixbus Datensätze von Passagieren erheben und an die Polizei weiterleiten sollen. Bislang sind dazu nur Fluglinien verpflichtet.
  • Bundesjustizministerin Christine Lambrecht ist gegen diese Vorschläge. Sie sagt: "Das Gefühl, dass der Staat weiß, wann ich wohin reise, kann zu gravierenden Einschränkungen der persönlichen Freiheit führen."
  • Die Erfassung dieser sogenannten Passenger Name Records ist umstritten, da auch alle unverdächtigen Passagiere durchleuchtet werden.

Von Jannis Brühl

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) kritisiert Überlegungen, Anbieter von Bahn-, Fernbus- und Schiffsreisen zu zwingen, Profile über ihre Passagiere automatisiert an die Polizei weiterzuleiten. Sie sagte der Süddeutschen Zeitung, das wäre "ein erheblich weitergehender Eingriff in Grundrechte als nur die Speicherung von Fluggastdaten". Und weiter: "Hier gerät das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit ins Wanken." Es könnten Bewegungsprofile entstehen, auch von völlig unverdächtigen Bürgern.

Derzeit erheben in der EU nur Fluglinien den sogenannten Passenger Name Record (PNR). Sie übermitteln ausgewählten Sicherheitsbehörden für jeden Flug Namen und Adresse des Reisenden, Buchungscode, Reiseverlauf sowie Informationen über Bezahlung, Vielflieger-Status, Sitzplatz und Gepäck. Mit dem System sollen Terroristen und Schwerverbrecher aufgespürt werden. Erfasst wird jedoch jeder einzelne Flugpassagier. In Deutschland sollen die Daten vom Bundeskriminalamt bald auch mit speziellen Algorithmen durchleuchtet werden, die vorhersagen sollen, welche Person in der Zukunft eine Straftat begehen wird.

Nun diskutieren die EU-Mitgliedstaaten in einer Arbeitsgruppe des Europäischen Rates, ob auch Anbieter wie die Deutsche Bahn oder Flixbus solche Daten über Passagiere zusammenstellen sollen. In einer Sitzung am 3. Juli hatte sich der deutsche Vertreter einem diplomatischen Bericht zufolge "weisungsgemäß ablehnend" verhalten, während Staaten wie Belgien und Finnland auf eine Ausweitung drängten. Das Bundesinnenministerium erklärte allerdings, die Bundesregierung habe sich "noch keine Position gebildet". Auch der Vertreter Deutschlands in der Gruppe beklagte das Phänomen des "broken travel" - des "unterbrochenen Reisens". Demnach wechseln Terroristen oft die Verkehrsmittel, wenn sie reisten. Das erschwere es Ermittlern, sie zu überwachen.

"Es ist ein großer Wert, dass wir flexibel reisen können"

Lambrecht sagte nun: "Das Gefühl, dass der Staat weiß, wann ich wohin reise, kann zu gravierenden Einschränkungen der persönlichen Freiheit führen." Sie lobte auch das derzeitige Buchungssystem der Deutschen Bahn: "Es ist ein großer Wert, dass wir flexibel reisen können, meist ohne Zugbindung und ohne namensgebundene Tickets. Eine Speicherung der Ticketdaten wäre damit gar nicht möglich." Solche anonymen Systeme für Ticketbuchungen - wie an den Automaten der Deutschen Bahn - stehen einer Ausweitung von PNR im Wege. Online-Tickets bei der Bahn müssen schon heute mit Namen gebucht werden und können dementsprechend einer Person zugeordnet werden. Gleiches gilt für viele Fernbusanbieter.

Noch ist das System für Flugpassagiere nicht in allen Mitgliedstaaten aktiv, und auch in Deutschland melden noch nicht alle Fluglinien die Daten an das Bundeskriminalamt, bislang sind es 25. Die NGO "Gesellschaft für Freiheitsrechte" hat mehrere Klagen gegen das deutsche Gesetz eingereicht, das die Erfassung regelt.

Der Jurist Ulf Buermeyer, Vorsitzender der Organisation, verwies darauf, dass die bisherigen Regeln für Fluggäste nahezu ausschließlich Fehlalarme produziert hätten. "Damit haben sie die öffentliche Sicherheit eher verringert, weil sie Dienstkräfte der Polizei sinnlos beschäftigt haben." Klassische Grenzkontrollen oder Zielfahndungen seien mindestens ebenso effektiv bei der Suche nach Verdächtigen. "Angesichts all dessen müsste das bestehende System erst einmal kritisch evaluiert werden, ehe man die bisher kontraproduktive Regelung auf weitere Verkehrsmittel ausweitet." 2020 wollen die EU-Staaten prüfen, was das System bringt.

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Exklusiv"Passenger Name Record"
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Ob das Durchleuchten von Flugreisenden in Datenbanken der Polizei etwas bringt, ist noch ungeklärt. Dennoch läuft bereits die Debatte, wie man auch Passagiere auf dem Land- und Seeweg erfassen könnte.

Von Jannis Brühl

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