Süddeutsche Zeitung

Übereifriger Spamfilter:Diese Facebook-Nachrichten haben SZ-Leser in ihrem versteckten Postfach gefunden

  • Im Oktober 2015 hat Facebook einen dritten Posteingang eingeführt: Neben dem normalen Postfach und den "Nachrichtenanfragen gibt es die "gefilterten Nachrichten".
  • Dort landen Botschaften, die der Facebook-Algorithmus für Spam hält.
  • Das Problem: Der Spamfilter ist übereifrig und versteckt auch wichtige Nachrichten.
  • SZ- und jetzt-Leser haben uns die besten ihrer "gefilterten Nachrichten" geschickt.

Von Simon Hurtz

Noch immer gibt es keinen Spamfilter, der wirklich alle Junk- und Phishing-Mails erwischt. Doch immerhin: Was darin landet, ist meistens wirklich unerwünscht. Der Spamfilter von Facebook scheint dagegen ein bisschen übereifrig zu sein. Auch wichtige Nachrichten werden nicht zugestellt, weil Facebook sie zu Unrecht als Belästigung einstuft - und das kann üble Folgen haben.

Die meisten Nutzer dürften mittlerweile wissen, dass es ein zweites Postfach gibt. Früher hieß der Ordner "Sonstiges", mittlerweile nennt ihn Facebook "Nachrichtenanfragen". Dort landen alle Nachrichten von Facebook-Nutzern, mit denen man nicht befreundet ist und noch keinen Kontakt hatte.

So finden Sie die "gefilterten Nachrichten"

Doch anscheinend haben die wenigsten Nutzer gewusst, dass noch ein dritter Posteingang existiert. Gleichzeitig mit der Umbenennung im Oktober 2015 führte Facebook die "gefilterten Nachrichten" ein. In der Desktopansicht muss man dafür auf das Nachrichtensymbol in der oberen Leiste klicken, anschließend "Nachrichtenanfragen" auswählen und dann "Gefilterte Nachrichten anzeigen". Nutzer der Smartphone-Apps finden das Postfach über "Einstellungen" > "Personen" > "Nachrichtenanfragen" > "Gefilterte Nachrichten anzeigen".

Hält der Algorithmus die Anfrage für Spam, versteckt er sie dort. Dieser eigentlich sinnvolle Schutz vor weiblichen Fake-Accounts mit großen Brüsten und männlichen Fake-Accounts mit Millionenkonten in Afrika krankt an drei Problemen:

1. Facebook hat diese Funktion nie erklärt, dementsprechend kannte sie kaum jemand.

2. Wenn eine Nachricht gefiltert wird, erhält man keine Benachrichtigung. Wer den Ordner nicht zufällig von selbst entdeckte, blieb ahnungslos.

3. Der Leitsatz von Facebooks Spamfilter scheint zu lauten: "Lieber eine wichtige Anfrage zuviel gefiltert als eine Junk-Nachricht zu wenig."

Die Todesnachricht kam mit Verspätung

Das Resultat: Viele Facebook-Nutzer haben erst nach Monaten erfahren, dass es den "gefilterte Nachrichten"-Ordner gibt - und darin etliche Botschaften von Freunden, Verwandten und Bekannten gefunden. Ein ehemaliger BBC-Reporter erzählte dem Business Insider, dass er mit zwei Monaten Verspätung vom Tod eines Freundes aus seiner Studienzeit erfahren habe. Eine Twitter-Nutzerin hatte ihren Reisepass verloren und wurde vom Finder kontaktiert - Facebook hielt das für Spam.

Auf Twitter finden sich etliche solcher Fälle. Deshalb haben die SZ und jetzt Leserinnen und Leser gebeten, in ihren versteckten Posteingang zu schauen. Dutzende haben uns geantwortet und von ihren Entdeckungen berichtet. Eine Auswahl der Nachrichten finden Sie auf Seite 2.

Nina W. fürchtet, dass Facebook ihr ein vielversprechendes Date versaut hat:

Vor ein paar Monaten war ich Feiern in einem Club. Den ganzen Abend habe ich mit einem ziemlich heißen Typen getanzt. Am Ende wollten wir Nummern austauschen. Ich musste dann aber losrennen, weil ich die letzte Bahn nicht verpassen durfte. Also haben wir uns nur unsere Namen gesagt und vereinbart, uns auf Facebook zu schreiben.

Leider war ich ein bisschen betrunken und konnte mich am nächsten Morgen nur noch erinnern, dass er Tim hieß. Der Nachname war im Alkoholnebel verloren gegangen. Ein paar Wochen lang habe ich gehofft, dass er mir von sich aus schreibt - vergeblich. Zumindest dachte ich das. Jetzt habe ich seine total süße Nachricht gelesen und ihm sofort geantwortet. Hoffentlich erinnert er sich noch und hat nicht längst eine andere.

Tobias H. hätte beinahe eine große Party verpasst:

Ich habe aus Interesse sofort in den Ordner geschaut, in dem mir ziemlich exakt 5 Minuten vorher jemand geschrieben hatte. Diese jemand war die große Schwester eines guten Freundes der in einem Monat nach Kanada zieht, und für den gerade eine Überraschungsparty geplant wird.

Ohne euren Aufruf hätte ich diese Party womöglich verpasst oder viel zu spät davon erfahren.

Das war auch die einzige Nachricht, aber eine, die mir tatsächlich sehr viel bedeutet.

Claudia M. hat die Liebe ihres Lebens gefunden:

Bei mir war die Liebe meines Lebens darin versteckt. Drei Monate lang lag der Gruß des damals noch Unbekannten da drin. Inmitten vieler anderer. Alle habe ich dann durch Zufall entdeckt. Alle bekamen eine höfliche Absage: Nein. Ich möchte niemanden kennen lernen. Ich bin 46, verheiratet und habe drei Kinder. Dass die Ehe im Eimer war, wollte ich niemandem auf die Nase binden. Doch er blieb hartnäckig. Auf ganz altmodische, behutsame Weise. Das hat mir imponiert. Mittlerweile leben wir zusammen. Ist anderthalb Jahre her.

Franziska D. hat eine Beziehungskrise in ihrem Postfach entdeckt:

Alex Z. schreibt: "Hab dich gefunden Süße. Bitte melde dich mal. Ich finde dich sehr hübsch. Bin der junge Mann aus Bonn, der den Unfall hatte und wegen Rückenproblemen krank ist."

Sina B. schreibt zwei Wochen später: "Hallo...hast du dich mit meinem Freund Alex Z. in Bonn getroffen. So vor zwei Wochen? Gruß, Sina."

Gelesen habe ich beides ein halbes Jahr später und musste sehr darüber schmunzeln, dass sich in meinem "geheimen" Postfach eine Beziehungskrise von zwei mir unbekannten Leuten verirrt hat.

Walter W. ist Musiker und hat von vielen Anfragen an seine Band nichts mitbekommen:

In meinem Facebook Account repräsentiere ich mich als Privatperson aber auch meine Band.

Nun war es tatsächlich so, dass in den versteckten Nachrichten diverse Anfragen an meine Band waren, ob wir da und da gerne auftreten würden oder generelle Anfragen zu unseren Band. Wir haben auch auf unserer Facebook-Bandseite gepostet, dass wir auf der Such nach Musikern sind, worauf sich einige gemeldet haben - die Nachrichten kamen aber nie bei mir an.

Des Weiteren fand ich Nachrichten von anderen Bands oder Musiker-Ensembles, die sich für mich als Sänger interessiert haben. Aber nachdem das alles in den Jahren 2014 und 2015 war ist es jetzt "rum ums Eck", wie man in Bayern sagt.

Kassandra S. hat eine Nachricht von einem Verehrer verpasst:

Hallo Sandra, ich sage es ganz offen, ich bin schon lange Single und würde das gerne ändern und deshalb schreibe ich dir. Ich finde dich einfach sehr sympathisch, und ich finde du hast eine sehr liebe Ausstrahlung, und hast etwas an dir was die meisten Frauen nicht haben.

Ich bin KEIN Kerl von Standardsprüchen und Anmachsprüchen, wie "Hey Baby" oder sonstigen Sprüchen, weil ich das verachtend gegenüber Frauen finde und das ist auch überhaupt nicht meine Art. Ich würde einfach gerne mit dir schreiben, dich ein bisschen kennen lernen, wie du als Mensch bist, was du so machst. Und ich würde dich, sofern du das auch willst, mal zum Essen ausführen.

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