Twitter in der Bundesversammlung:Devise Dichthalten

Nach dem Twitter-Leck bei der vergangenen Präsidentenwahl, bei der das Ergebnis schon vorab im Internet bekannt wurde, soll die Bundesversammlung dieses Mal pannenfrei ablaufen. Doch die Kontrolle ist begrenzt: Handys werden wieder nicht eingesammelt.

Johannes Kuhn

Der Sprecher des Bundestags will keine Zweifel aufkommen lassen: Das Ergebnis der Wahl zum Bundespräsidenten werde dieses Mal nicht bereits vorher im Internet zu lesen sein. "Die Schriftführer, die die Auszählung vornehmen, haben sich darauf geeinigt, dass vorab nichts nach außen kommuniziert wird", erklärt er am Montagmorgen - obwohl sich die Schriftführer an diesem Tag erst Stunden später zu ihrer Vorbesprechung treffen.

Vorbereitung Bundesversammlung

Bei der Bundesversammlung kommen 1244 Wahlberechtigte zusammen - ein Twitter-Verbot gibt es nicht.

(Foto: dpa)

Die Erinnerung an die peinliche Panne im Jahr 2009 ist noch frisch: Damals hatte die Abgeordnete Julia Klöckner (CDU) den Wahlausgang noch vor der offiziellen Verkündung über Twitter verraten - sie war an der Stimmauszählung beteiligt und hatte so das Resultat als eine der Ersten erfahren. Klöckners Kurzbotschaft "Leute, Ihr könnt in Ruhe Fußball gucke. Wahlgang hat geklappt" wurde schnell zum Symbol für unwürdige Geschwätzigkeit. Die zweite (sehr kurze) Amtszeit des Horst Köhler begann mit einem Eklat.

"Das würde ich mich nicht trauen"

Von den 42 Abgeordneten, die in diesem Jahr als Schriftführer die Auszählung der Stimmen übernehmen, besitzt ein knappes Dutzend einen Twitter-Account. Doch keiner dürfte auf die Idee kommen, die Internet-Öffentlichkeit noch vor den anwesenden Wahlmännern und Wahlfrauen zu informieren. Von "gebührendem Respekt vor dieser Wahl" sprechen sie, von "Verantwortungsbewusstsein", "Anstand und Benehmen". Oder sie geben schlicht zu: "Das würde ich mich nach der Aufregung im vergangenen Jahr nicht trauen."

Die Zurückhaltung ist verständlich: Die Twitter-Panne ging durch alle Medien, Parteigranden wie Peter Ramsauer und Peter Struck schimpften, Klöckner gab ihr Amt als Schriftführerin kurz darauf ab. Einen Karriereknick musste sie aber nicht hinnehmen: 2011 tritt die ehemalige Weinkönigin bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz gegen Ministerpräsident Kurt Beck an.

Das Gesetz über die Wahl des Bundespräsidenten (hier als pdf) sagt auch nichts über eine Verschwiegenheitspflicht von Wahlhelfern, die "Geheimschutzordnung" für Verschlusssachen gilt ebensowenig. Vor dem Zeitalter des Echtzeit-Webs waren die Sekunden und Minuten zwischen Feststellung des Ergebnisses und seiner Verkündung eben noch kein Problem.

Wie die digitale Welt den Politikbetrieb überholt

Inzwischen überholt das Internet jedoch den politischen Betrieb bisweilen: Bei Landtagswahlen fanden Ergebnisse der Wählerbefragungen, die Parteien früh vorliegen, am Wahltag noch vor Schließung der Wahllokale ihren Weg ins Netz.

Im Dezember 2009 führte eine Kurznachricht in Niedersachsen sogar zu einem handfesten Eklat: Der Grünen-Abgeordnete Helge Limburg verglich damals während einer Debatte den CDU-Innenminister Uwe Schünemann via Twitter mit dem niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders. Die Botschaft sprach sich schnell herum - und sorgte noch während der Sitzung für tumultartige Szenen.

Erst vor wenigen Tagen sorgte der FDP-Abgeordnete Jimmy Schulz für Diskussionen, als er seine Bundestagsrede vom iPad ablas und damit eigentlich ein verbotenes elektronisches Hilfsmittel verwendete. Nun soll der Geschäftsordnungsausschuss über eine mögliche Erlaubnis für iPad-Reden beraten.

Das Ergebnis spricht sich herum

Als Konsequenz aus der Twitter-Panne bei der letzten Bundesversammlung hatte der Ältestenrat dafür gestimmt, alle Schriftführer ihre Handys vor der Auszählung abgeben zu lassen. Dieser Beschluss soll nun jedoch nicht umgesetzt werden - stattdessen wird mangels rechtlicher Grundlage an das Auszählgremium appelliert, auf Twitter-Botschaften zu verzichten.

Allerdings ist fraglich, ob das wirklich die Geheimhaltung sicherstellt: Bei der letzten Bundesversammlung twitterte SPD-Mann Ulrich Kelber das Ergebnis sogar noch schneller als Stimmenzählerin Klöckner. "Die Zahlen wurden offen im großen Saal kommuniziert", erzählt er, "das macht den Fehler nicht wett, dass ich fälschlich glaubte, die Zahlen seien auch schon über die Medien öffentlich bekannt."

Auch am Mittwoch dürfte sich das Ergebnis im Saal herumsprechen, bevor Bundestagspräsident Lammert zur Verkündung schreitet. Und vielleicht juckt es manchem unter den 1244 Mitgliedern der Bundesversammlung auch dieses Jahr in den Fingern.

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