Transparenzbericht:Facebook blockierte mehr als 1000 Beiträge von Holocaust-Leugnern

November 20 2017 Warsaw Poland A Facebook logo is seen on an iPhone screen in this photo illus

Die Zahl der blockierten Inhalte auf Facebook steigt stetig.

(Foto: imago/ZUMA Press)
  • Facebook sperrte den Zugang zu 41 Prozent mehr Beiträgen als im Vorjahr, weil sie nach deutschem Recht illegal waren.
  • Deutsche Ermittler wollten zudem an die Daten von 6251 Nutzerkonten. In mehr als der Hälfte der Fälle gab Facebook sie ihnen auch.
  • In Deutschland steht Facebook unter besonders starkem politischen Druck, auf illegale Beiträge zu reagieren.

Von Jannis Brühl

Facebook hat in Deutschland im ersten Halbjahr 2017 deutlich mehr Inhalte gesperrt als im Halbjahr zuvor: In 1297 Fällen blockierte das Netzwerk Beiträge, eine Steigerung um 41 Prozent. Das geht aus dem aktuellen Transparenzbericht des Unternehmens hervor. Er zeigt, inwieweit Facebook gegen Inhalte vorgeht, die laut nationalen Gesetzen illegal sind.

Der Großteil der Blockaden (1051) bezieht sich demnach auf Fälle, in denen Nutzer den Holocaust leugneten, der Rest auf Volksverhetzung oder Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz. International lässt kein Land mehr Inhalte blockieren als Deutschland - außer Mexiko, wo 20 527 Beiträge betroffen waren.

Das ist allerdings ein Sonderfall: Mehr als 20 000 Blockaden bezogen sich auf Kopien eines Videos, das einen Amoklauf an einer Schule in Monterrey im Januar zeigt. Dieses Video ist hauptverantwortlich für den weltweiten Anstieg der blockierten Inhalte um 304 Prozent, auf 28 036. Zu einem ähnlich drastischen Anstieg durch einen einzelnen Beitrag war es schon im zweiten Halbjahr 2015 gekommen. Damals kursierte ein drastisches Foto von den Pariser Terroranschlägen im November des Jahres.

Sperren heißt nicht löschen

In Deutschland tobt die Debatte über Facebooks Verantwortung für Inhalte weltweit am hitzigsten. Kritiker werfen dem Netzwerk vor, dass es eindeutig strafbare Nutzerbeiträge wie Holocaust-Leugnung oder Volksverhetzung nicht anfasse, während es andere Beiträge lösche oder blockiere, die nicht eindeutig strafbar sind, sondern nur unter die schwammige Definition der "Hassrede" eingeordnet werden. Die Bundesregierung hat deshalb das viel kritisierte Netzwerkdurchsetzungsgesetz verabschiedet. Es verpflichtet große soziale Netzwerke vom 1. Januar an, illegale Beiträge schneller zu löschen oder hohe Geldbußen zu zahlen.

Facebook blockiert die Inhalte lediglich anhand der IP-Adressen der Nutzer. Wer sich von Deutschland aus auf Facebook einloggt, bekommt damit die für das Land gesperrten Inhalte nicht angezeigt, diese Inhalte verschwinden aber nicht vollständig. Beiträge, die den Holocaust leugnen, bleiben somit beispielsweise in den USA abrufbar, weil sie dort nicht strafbar sind.

Die Zahl der gesperrten Beiträge sagt deshalb nichts darüber aus, wie viele Beiträge Facebook komplett löscht. Nur wenn Inhalte gegen die globalen Gemeinschaftsstandards des Unternehmens verstoßen, werden sie komplett entfernt und sind nirgends mehr sichtbar. Zahlen zu gelöschten Inhalten gibt das Unternehmen nicht detailliert bekannt, was die Aussagekraft des Transparenzberichtes einschränkt. Nur in einem einzigen Blogpost im Sommer erklärte Facebook vage, etwa 15 000 Beiträge würden in Deutschland monatlich wegen "Hassrede" gelöscht.

Je mehr Inhalte auf Facebook veröffentlicht werden, desto mehr Straftaten sind auch darunter, das ist logisch. Hinzu kommt aber, dass der Druck auf den Konzern, illegale Inhalte zu entfernen oder zumindest unzugänglich zu machen, in den vergangenen zwei Jahren gestiegen ist. In diesem Zeitraum hat sich die Zahl der blockierten Beiträge in Deutschland fast versiebenfacht.

Deutlich mehr Anfragen von staatlichen Ermittlern

Der Bericht zeigt auch, wie unterschiedlich die Gesetze sind, die zu Blockaden führen. In Frankreich beziehen sich mehr als ein Drittel der 967 Fälle auf die Leugnung des Holocausts. Fast ein weiteres Drittel bezieht sich aber auf Verstöße gegen das Verbot, in den 44 Stunden vor der Wahl keine Wahlwerbung zu veröffentlichen. Die davon betroffenen 323 Beiträge wurden nach der Wahl wieder freigegeben. In Indien sperrte Facebook den Großteil der betroffenen Inhalte, weil sie gegen Gesetze gegen die "Verunglimpfung von Religionen" oder Hassrede verstoßen hätten.

Der Bericht zeigt auch, wie oft staatliche Ermittler Informationen von Facebook wollen. Deutsche Behörden fragten demnach Daten von 6251 Nutzerkonten ab. Im Halbjahr zuvor waren es noch 5631. Im Schnitt kam Facebook den Bitten deutscher Behörden demnach in 59 Prozent der Fälle nach. Weltweit stieg die Zahl der Behördenanfragen im Vergleich zum Halbjahr zuvor um 21 Prozent auf 78 890. Ein großer Teil davon (mehr als 32 000) geht auf die USA zurück.

Facebook meldet auch, dass der Zugang zu seinem gesamten Netzwerk 52 Mal gestört wurde, im Halbjahr zuvor war dies nur 43 Mal passiert. Insbesondere in Schwellenländern schalten Regierungen Facebook in heiklen politischen Situationen für die Bevölkerung oder Teile von ihr einfach ab. Menschenrechtler kritisieren diese Praxis als demokratiefeindlich.

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