Tippfehler:Gefährliche Rechtschreibschwäche

Wenn Internetusern Tippfehler wie www.googkle.com unterlaufen, kann das böse Folgen haben.

Helmut Martin-Jung

Sergej G. unternahm gar nicht erst den Versuch, sich herauszureden. Als die E-Mail aus den USA von der Schiedsstelle für Internet-Adress-Streitigkeiten eintraf, hisste man in St. Petersburg die weiße Flagge. Ja, gaben die Russen zu, man habe Adressen wie www.googkle.com nur deshalb registrieren lassen, um von Besuchern zu profitieren, die sich beim Eingeben der Adresse vertippen. Wer nun googkle.com eingibt, bekommt die Meldung "Bitte überprüfen Sie die Adresse auf Tippfehler".

Längst gibt es in den USA ein Wort für das Phänomen. Typosquatting heißt das Besetzen falsch getippter prominenter Internetadressen, wörtlich das Hocken auf Tippfehlern. Den Stand der Dinge hat Shane Keats vom amerikanischen Sicherheitsunternehmen McAfee einer soeben publizierten Untersuchung zusammengefasst. Das Problem, so das Hauptergebnis, ist nach wie vor aktuell. Betroffen sind vor allem Seiten von Fluglinien und Medienunternehmen, aber auch - besonders perfide - die von Kinderwebseiten.

Aber weshalb lohnt es sich überhaupt, Besucher anzulocken, die eigentlich woanders hinwollen? Dafür gibt es zwei Hauptgründe. Zum einen parken Internetgauner, auf Seiten mit Tippfehler-Adressen Software, die beim bloßen Anklicken versucht, sich auf dem Rechner des Besuchers zu installieren. Im Fachjargon wird das "drive by download" genannt, Herunterladen im Vorbeifahren. Wer seinen Rechner schlecht geschützt hat, kann sich auf diese Weise schädliche Software einfangen. Diese wird in aller Regel aber nicht den Rechner angreifen und Daten zerstören, sondern versuchen, wichtige Daten wie Bank- oder Kreditkartendaten abzugreifen und an die Gauner zu versenden.

Gefährliche Rechtschreibschwäche

Weitaus verbreiteter ist die zweite Methode. Wer sich beim Eingeben der Adresse vertippt hat, landet auf einer Seite, auf der sich außer dem Namen nichts befindet außer ein paar Textanzeigen. Dahinter steckt ein ganzes Geschäftsmodell. Unternehmen, die bei Google oder Yahoo Anzeigen schalten, beauftragen Suchmaschinenbetreiber damit, Anzeigen auf Seiten zu platzieren, die zum Geschäftsfeld der werbenden Firma passen.

Geld fließt dann, wenn jemand auf die Anzeige klickt. Jeder, der eine Webseite betreibt, kann sich bei Google als Anzeigenmarktplatz anmelden.

Langwierige Verfahren

Daraufhin wird die Seite nach relevanten Wörtern durchkämmt und es werden Anzeigen platziert, die zum Thema passen könnten. Auf der Seite eines Hobby-Gitarristen könnten dann beispielsweise Anzeigen von Gitarren- oder Saitenherstellern stehen. Klickt nun jemand, der aus Versehen auf einer Seite gelandet ist, auf die er eigentlich gar nicht wollte, dennoch auf eine solche Anzeige, klingelt es in der Kasse des Seitenbetreibers.

Meistens sind es etwa 20 US-Cents, die pro Klick bezahlt werden. Das kann sich schnell lohnen, denn eine Adresse, im Jargon Domain genannt, zu registrieren kostet nur sechs Dollar pro Jahr. Um dieses Geld wieder einzuspielen, wären also nur wenige Klicks auf Anzeigen nötig - und das ist bei sehr populären Domains ein Kinderspiel, denn es wird tatsächlich geklickt.

Zwar erlaubt es die Rechtslage in vielen Ländern, gegen Typosquatting vorzugehen, doch sind die Verfahren oft langwierig und teuer. Die meisten Schreibfehler-Webseiten im deutschen Internet gibt es rund um die Studenten-Plattform StudiVZ. Mit einigem Abstand folgen schließlich die Auktionsseite Ebay sowie die Internetableger der Fernsehsenders RTL und Pro7. Aber auch Banken und Kinderseiten in Deutschland sind unter den Top 40 vertreten.

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