Thermostat-Hersteller Tado:Ganz schön warm hier

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Christian Deilmann (links) mit dem Chefteam seines Unternehmens Tado. (Foto: PR)

Kaum jemand weiß, was für ein Thermostat er zu Hause hat. Ein Münchner Start-up will das ändern. Tado baut Hightech-Wärmeregler, die sogar Google Konkurrenz machen.

Von Pascal Paukner

Der Münchener Stadtteil Sendling zählt eher nicht zu jenen Orten, die sich als Technologiestandort einen Namen gemacht haben. Sexshops, Dönerläden und Pizzaimbisse bestimmen das Straßenbild. Hier und da ist eine Eckkneipe. Mittendrin in diesem Großstadtdickicht, im Obergeschoss eines Bürogebäudes, ist von der Enge der Stadt nur wenig zu spüren. Es gibt wenige Wände, viel Licht, überall sitzen junge Leute an ihren Computern. Es herrscht Start-up-Flair, wie man es von amerikanischen Internetfirmen kennt.

Christian Deilmann, 32 Jahre alt, arbeitet hier. Er ist Gründer und Chef eines Start-ups, das Thermostate für Wohnungen und Privathäuser herstellt. Kleine weiße Kästchen, hübsch designt, aber nicht besonders auffällig. Das klingt erstmal nicht nach einem Produkt, mit dem man die Massen begeistern kann. Schließlich sind die meisten Menschen froh, wenn sie mit ihrem Heizungsregler möglichst wenig zu tun haben.

Deilmann liegt mit seinem Start-up Tado aber im Trend. Denn in München-Sendling entwickeln sie nicht irgendwelche namenlosen Thermostate. Hier werden intelligente Thermostate erdacht, die sich per Smartphone steuern lassen und abends die Wohnung schon mal vorheizen, wenn man sich auf den Heimweg von der Arbeit macht. Thermostate als Markenprodukt zu etablieren, kann das funktionieren?

Googles Nest-Übernahme sorgt für Aufmerksamkeit

Offenbar schon. Wenn in diesen Tagen auf Technikkonferenzen vom vernetzten Zuhause die Rede ist, dann kommt das Thema intelligente Heizungssteuerung schnell zur Sprache. Seit Google zu Jahresbeginn den Thermostat-Hersteller Nest für 3,2 Milliarden Dollar übernommen hat, ist klar, dass es sich bei den Geräten keinesfalls um eine bloße Spielerei für Technikfreaks handelt, sondern um eine Zukunftstechnologie.

Deilmann sagt: "Klar, der Nest-Kauf hat auch uns mehr Aufmerksamkeit gebracht." Genaue Verkaufszahlen will der Unternehmer nicht preisgeben, derzeit verkaufe man pro Monat aber eine fünfstellige Anzahl an Geräten. 300 Euro müssen Kunden pro Apparat bezahlen.

Die neuartigen Thermostate funktionieren alle ähnlich. Über das Smartphone wird per GPS registriert, wo sich der Nutzer gerade aufhält. Verlässt er morgens das Haus, fährt das Themostat die Temperatur herunter, nähert er sich abends dem Zuhause wird die Heizung aktiviert. Betritt der Nutzer seine Wohnung, ist sie dann schon gut geheizt, niemand muss frieren, gleichzeitig hat man die Heizkosten gesenkt, weil eben nur dann geheizt wird, wenn es wirklich notwendig ist. Wer manuell eingreifen will, kann das mit der App jederzeit erledigen.

Einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik zufolge lassen sich durch diese intelligente Heizungssteuerung zwischen 14 und 26 Prozent des Energiebedarfs einsparen. Bei durchschnittlichen Heizkosten von 1900 Euro pro Jahr und Einfamilienhaus in Deutschland muss man kein Sparfuchs sein, um das Potenzial zu erkennen.

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Bislang seien es vor allem zwei Bevölkerungsruppen, die die Chance erkannt hätten, erklärt Deilmann. Zum einen seien es "Leute, die schon ein Stück älter, so um die 50 Jahre alt" seien und in einem Einfamilienhaus lebten. Zum anderen würden sich junge Leute um die 30 Jahre für die Geräte interessieren: "Die finden es einfach cool, wenn das Handy nun zu Hause Bescheid gibt und automatisch die Heizung anmacht", sagt Deilmann.

Der Unternehmer hat die Firma 2010 mit einem Kumpel als Feierabendprojekt gegründet. Inzwischen beschäftigen sie 94 Mitarbeiter in München. Gerade erst haben sie eine zweite Etage im Bürogebäude in Sendling bezogen. Doch warum hat Deilmann ausgerechnet den Standort München gewählt? Schließlich heißt es doch immer, die Bedingungen für Start-ups seien in Berlin, London und San Francisco erheblich besser.

München als Standortbonus

"Die Mitarbeiter, die wir brauchen, findet man in München sehr gut", sagt Deilmann. München sei ein wichtiger Standort für Hardware-Firmen wie Texas Instruments, Intel, Siemens und Infineon. "Diese Industrie gibt es in Berlin beispielsweise gar nicht. Zero", sagt der Gründer. Die eigentliche Herstellung habe man an den singapurischen Auftragsfertiger Flextronics ausgelagert.

In Zukunft will Tado kräftig weiterwachsen. Im Sommer hat das Unternehmen eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, um die Marktchancen für einen intelligenten Klimaanlagen-Regler zu testen. Das Ergebnis war eindeutig: Mehr als 200 000 Dollar kamen innerhalb weniger Wochen zusammen. Das Gerät wird derzeit produziert und soll ab dem nächsten Frühjahr verkauft werden.

Damit will Tado weltweit erfolgreich sein: Vor allem in den Vereinigten Staaten, Asien und Südeuropa haben die Menschen Klimanlagen in ihren Häusern und Wohnungen. Möglicherwesie werden sie bald schon von den Geräten eines Münchener Unternehmens gesteuert.

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