Technologiekonzern:Wie Apple vom Staat profitiert

Activists Call For Apple To Pay Taxes On Money Held Overseas

Apple-Gegner fordern den Konzern vor einem Geschäft in San Francisco auf, mehr Steuern zu bezahlen

(Foto: AFP)

Intelligente Bildschirme, Spracherkennung und unzählige Apps: Apple macht dank staatlicher Innovationsförderung Milliardengewinne. Doch zurückgeben will das Unternehmen nichts - und gefährdet damit die Entwicklung neuer Technologien.

Ein Gastbeitrag von Mark T. Fliegauf

Apple glänzt mit einem Gewinn vor Steuern von 10,2 Milliarden Euro im ersten Quartal 2014. Damit konnte der Konzern nicht nur Wall-Street-Analysten überraschen, sondern zugleich seine immensen Geldreserven weiter ausbauen. Und doch ist etwas faul beim Tech-Giganten. Denn Apple bringt systematisch jenen Investor um seinen Anteil, der den Erfolg der Kalifornier erst ermöglicht hat: den Staat.

Kaum ein anderes Unternehmen hat mehr von staatlicher Innovationsförderung profitiert als Apple. Die Einführung des iPhone im Jahr 2007 hat den ehemaligen Computerhersteller aus Cupertino auf den Olymp der Unterhaltungselektronik gehievt und Ex-CEO Steve Jobs zur weltweiten Ikone von Innovation und Entrepreneurship werden lassen. Im vergangenen Jahr hat Apple allein mit dem Verkauf von iPhones Umsatzerlöse von gut 90 Milliarden Dollar erzielt. Dabei ist der Staat der wahre Entrepreneur hinter dem iPhone, denn Kerntechnologien wie Multi-Touch-Bildschirme, GPS, das Internet oder Mikrofestplatten wären ohne staatliche Vorausschau und Förderung nicht denkbar.

Das iPhone revolutionierte nicht zuletzt wegen seines Multi-Touch-Bildschirms den Mobilfunkmarkt. Doch die Technologie für "intelligente" Bildschirme, die zugleich die Entwicklung des Tablet-Computers iPad ermöglichte, hat Apple nicht selbst entwickelt, sondern durch den Zukauf einer kleinen Firma namens Finger- Works erworben.

Erst die Forschung, dann die Übernahme

Hinter Finger-Works standen ein Professor für Computer- und Elektrotechnik und sein Doktorand an der Universität Delaware. Beide forschten jahrelang mit der finanziellen Unterstützung der amerikanischen National Science Foundation, die sich aus öffentlichen Geldern speist, bevor sie die ersten kommerziellen Prototypen und Produkte entwickelten. Daraufhin wurde das Unternehmen von Apple übernommen, das sich auch sämtliche Patente an der innovativen Technologie sicherte.

Und was wäre das iPhone wert ohne Apps oder Google Maps? Weder GPS noch das Internet gäbe es ohne die strategische Vorausschau staatlicher Bürokraten und deren finanzieller Mittel. In beiden Fällen waren die Visionäre nicht im Silicon Valley beheimatet, sondern im Washingtoner Pentagon. Das globale Positionierungssystem entstand aus dem Antrieb, amerikanische Militärkontingente im Ausland besser koordinieren zu können, während das Internet dem Versuch entsprang, ein dezentrales Kommunikationssystem aufzubauen, das selbst einem Atomangriff standhalten würde.

So war die Bereitschaft der Defense Advanced Research Projects Agency (Darpa), Hochtechnologieforschung im Bereich elektronischer Netzwerke zu fordern und zu fördern, unentbehrlich für die Entwicklung des Internets. Darpa legte den Grundstein für die kommerzielle Fortentwicklung des globalen Netzwerks, auf dem nicht zuletzt auch die App- und iTunes-Stores von Apple laufen.

Milliardenhohe Forschungsgelder vom Staat

Was gerne übersehen wird, aber dennoch ein unumstößlicher Fakt ist: Der amerikanische Staat hat seit den Sechzigerjahren Milliarden in die Forschung von Computer-, Halbleiter- und Informationstechnologien investiert, ehe Steve Jobs und Steve Wozniak in der heimischen Garage überhaupt zu experimentieren begannen, oder die so oft gepriesene Wagniskapital-Szene in Kalifornien aus dem Boden sprang.

Noch heute befähigt solche Förderung grundlegende Innovationen, die sich Apple auf die Fahnen schreibt. Ein Beispiel ist auch Siri, die Sprachverarbeitungssoftware des iPhones. Sie ermöglicht es uns, mit dem Smartphone zu sprechen. Auch sie entstammt einem Darpa-Projekt, welches an das Forschungsinstitut der kalifornischen Stanford Universität ausgelagert wurde.

Deutsche zahlen indirekt mit

Nicht nur der amerikanische, auch der deutsche Steuerzahler hat - wenngleich indirekt - in Apple investiert. Die Forschung des Physikers und Nobelpreisträgers Peter Grünberg zum Riesenmagnetwiderstand bedeutete einen Quantensprung in der Entwicklung von Festplatten, deren Mikroversionen heute Apples iPod, iPhone und iPad zugrunde liegen. Grünberg forscht seit den Siebzigerjahren am Forschungszentrum Jülich, für dessen Etat der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen jährlich zwischen 400 und 500 Millionen Euro bereitstellen.

Es war das Genie von Steve Jobs, bahnbrechende Technologien zu vereinen und in revolutionäre Produkte zu verwandeln. Doch Innovation entsteht nie in einem Vakuum, de novo. Sie bedarf eines Ökosystems, in dem alle Teilnehmer einen angemessenen Beitrag leisten. Doch genau dem verwehrt sich Apple.

Risiken werden sozialisiert, Renditen privatisiert

Denn statt die von staatlicher Seite eingegangenen Investitionen wenigstens teilweise zurückzuführen, umgeht Apple systematisch Steuerzahlungen und bringt so den Staat um seinen verdienten Anteil am Gewinn des Unternehmens. Stattdessen hortet das Management um CEO Tim Cook mittlerweile 115 Milliarden Euro (etwa 158,8 Milliarden Dollar) an Cash-Reserven - einen beträchtlichen Anteil davon in Steueroasen wie den Britischen Jungferninseln. Zum Vergleich: Die Schuldenlast der fünf ostdeutschen Bundesländer belief sich im vergangenen Jahr zusammen auf knapp 67 Milliarden Euro, Berlins Schuldenberg auf 60 Milliarden.

Daneben nutzt Apple weitere Steuervermeidungsstrategien: So lässt das Unternehmen Gewinne, die beispielsweise in Deutschland, Frankreich oder Australien erwirtschaftet werden, über Tochterfirmen in Irland laufen - auf der Insel besteht ein wesentlich günstigerer Steuersatz. Schätzungen zufolge gehen dem deutschen Fiskus so etwa 250 Millionen Euro jährlich verloren, in den Vereinigten Staaten sind es gut drei Milliarden Dollar pro Jahr.

Innovations-Ökosysteme können dauerhaft nur bestehen, wenn Risiken und Renditen in einem einträglichen Verhältnis zueinander stehen. Die Innovationsökonomin Mariana Mazzucato, die sich eingehend mit der staatlichen Förderung hinter Apples Technologien befasst hat, prangert zu Recht an, dass dies im jetzigen System gerade nicht der Fall ist. Denn während Staaten Milliarden in risikoreiche Zukunftstechnologien investieren, streichen Unternehmen wie Apple die Gewinne ein - nur um anschließend eine faire Ausschüttung des Profits zu verweigern.

Auf diese Weise werden Risiken sozialisiert und Renditen privatisiert. Und damit der langfristige Fortbestand des Innovationssystems gefährdet. Hierin liegt der faule Kern, der sich unter der glänzenden Schale des Apfels verbirgt.

Mark T. Fliegauf ist Fellow der Stiftung "Neue Verantwortung", einem Berliner Thinktank, der gesellschaftspolitische Herausforderungen des 21. Jahrhunderts erörtert. Der Politologe Fliegauf leitet das Projekt "Innovatives Regieren".

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