Technologie-Trends:Was 2015 digital wichtig wird

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Kann uns Apple hypnotisieren, seine Smartwatch zu kaufen? Platzt die Tech-Blase? Darf ich auf Omas Sofa meine Virtual-Reality-Brille aufsetzen? Antworten auf diese Fragen und ein Ausblick auf das Tech-Jahr 2015.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Fangen wir mit der unangenehmsten Frage an:

Platzt die Tech-Blase 2015?

"Blase? Wer sagt, dass es eine Blase ist?", antworten die Optimisten aus dem Land der regnenden Geldscheine, auch bekannt als Silicon Valley.

Internet und Software sind gekommen um zu bleiben und zu wachsen, allerdings darf angesichts absurder Investoren-Bewertungen ( fünf Milliarden US-Dollar für einen Coworking-Anbieter, 425 Millionen für einen Marihuana-Lieferservice) eine Frage erlaubt sein: Ist Optimismus ein Synonym für "Geld wie ein Betrunkener in der Dorfkneipe auf den Kopf hauen"?

Um auf die Frage zurück zu kommen: Die Antwort auf die Blasen-Frage lautet "nein", was mit ungebremster Liquidität, ordentlichen Wirtschaftsaussichten in den USA und dem niedrigen Ölpreis zusammenhängt, der noch bis Mitte des Jahres für niedrige Zinsen sorgen dürfte. Die Party ist noch nicht vorbei, auch wenn im Keller einige Startups das Geld mit vollen Händen in den Brennofen schmeißen.

Alles auf mobil

Allerdings, das werden selbst Pessimisten zugeben, ist der digitale Transformationsprozess tatsächlich atemberaubend. Mit dem mobilen Internet hat die zweite große Ära nach der des World Wide Webs begonnen, die Riesen stationären Internets laufen Gefahr, einzugehen wie eine Unterhose von Calvin Klein in der Waschmaschine (falls sich jemand an diese Marke erinnert).

Bereits Ende dieses Jahres dürfte der Google-Marktanteil bei mobiler Werbung auf deutlich unter 50 Prozent sinken, Facebook wird 2015 seine 20 Prozent erheblich steigern. Mit standortbezogener und auf persönliche Intererssen zugeschnittener Smartphone-Werbung beglückt Mark Zuckerberg bereits heute seine US-Nutzer, Deutschland dürfte in ein paar Monaten folgen (Achtung, Privatsphärendebatte!). Google wiederum wird auf viele Jahre profitabel sein, allerdings deutet sich erstmals ein Verlust der Sonderstellung an, wie ihn schon IBM, Microsoft oder Yahoo erlebten (falls sich jemand an die Marken erinnert).

Dass Google für seine nicht verkauften Datenbrillen wahrscheinlich inzwischen ein eigenes Lager im Hauptquartier Mountain View einrichten muss, zeigt das Problem der Wearables: Tragbare Technologie sollte dezent wirken und gut gemacht sein, vor allem aber darf der Träger nicht plötzlich wie ein Cyborg aussehen - drei Fehler also, die Glass anhaften.

Ist eine Uhr der Weisheit letzter Schluss?

Apples im Frühjahr erscheinende Armbanduhr Apple Watch ist zwar ein erstaunlich unperfektes Produkt (nicht ohne Telefon verwendbar, wahrscheinlich geringe Batterielaufzeit), aber deutlich weniger googelig. Apples Ruf als Statussymbol-Marke dürfte ausreichen, um genügend Käufer an die digitale Mode heranführen. Das wird wiederum Experten erneut das Smartwatch-Zeitalter ausrufen lassen. So wie bereits 2013 und 2014.

Die ewige Wiederkehr der gleichen Prognosen hat ja den Vorteil, dass a) sie irgendwann einmal womöglich wirklich eintreffen und b) am Ende niemand nachprüft, wer danebenlag. Ob allerdings das Handgelenk wirklich der richtige Ort am Körper ist, um reibungslos mit digitaler Technik zu interagieren? Die Fantasie des Autors ist hier fast so begrenzt wie bei der Vorstellung, dass NFC-Bezahldienste wie Apple Pay elektronische Karten absehbar verdrängen (die E-Mail-Adresse für protestierende Apple-Fans findet sich am Ende dieses Artikels).

Verlässliche Prognosen für die virtuelle Realität zu erhalten ist... nun, unrealistisch. Immerhin lässt sich sagen, dass die Demos im Laufe dieses Jahres immer besser wurden und der Start der Oculus Rift (wahrscheinlich im zweiten Halbjahr 2015) für Aufsehen und lange Ästhetik-Abhandlungen in den Feuilletons sorgen wird.

Diverse Unternehmen und Open-Source-Projekte arbeiten derzeit an Anwendungen, die allerdings noch weit von Holodeck-Visionen entfernt sind. Verschieben wir also die Frage, ob wir es wirklich mit einer nennenswerten neuen Internet-Oberfläche zu tun haben, ins Jahr 2016. Größtes Hindernis aus modischen Gesichtspunkten übrigens: Es sieht ziemlich blöde aus, mit einem gigantischen Virtual-Reality-Helm auf dem Kopf in den Bus einzusteigen oder bei Oma auf der Couch zu sitzen.

Drohnen landen beim Amtsschimmel

Womöglich werden 2015 mehr Menschen mit 3-D-Druckern als der Oculus Rift in Berührung kommen, denn der Preisverfall macht die Geräte inzwischen theoretisch für den Heimgebrauch erschwinglich. Angesichts einer Flut gedruckter Vasen ist ein Absturz der Flohmarkt-Preise für Blumengefäße zu befürchten, ansonsten allerdings scheint der Hype derzeit vorbei, bevor er überhaupt begonnen hat.

Auch zivile Drohnen setzen ihren Siegeszug fort, zumindest bis sie der Amtsschimmel vom Himmel holt. Ihre Regulierung wird für Diskussionen sorgen, genau wie weiterhin Uber (Ausgang offen), Verschlüsselung als Folge der Überwachung (Überwacher vs. Tech-Firmen vs. Aktivisten vs. apathische Öffentlichkeit), die gesellschaftlichen Folgen der Automatisierung (schreibt nächstes Jahr ein Journalismus-Roboter diesen Text?) und die Auswertung von Sensorendaten (sollten Sonntagsfahrer für ihre Vorsicht eine günstigere Autoversicherung erhalten?).

Industrie 4.0 und andere hohle Phrasen

2015 sind auch Technologien einen Blick wert, die erst in einigen Jahren echte Massenanwendung finden: Neue Forschungsergebnisse in künstlicher Intelligenz und Robotik werden die Richtung neuer Anwendungen vorgeben. Falls wir sie verstehen. Und wer auf Partys den Satz "nicht Bitcoin, sondern die Blockchain dahinter ist die wahre Innovation, weil sie ein wirklich dezentrales Internet ermöglicht" sagt, treibt zwar alle Gesprächspartner in die Flucht, gilt aber in einigen Jahren als Visionär. Oder Spinner (das Schicksal vieler Tech-Propheten).

Andere Trends wie das " Internet der Dinge" werden die Kassen von Tech-Konferenzveranstaltern klingeln lassen, aber für den Nutzer weiterhin nur sehr langsam interessant werden. Wer will schon seine Haustür mit dem Internet verbinden, wenn der Schlüssel auch die Tür öffnet?

Und überhaupt: Bevor wir vom "Internet der Dinge" oder Hohlphrasen wie "Industrie 4.0" reden, wären wir Deutschen schon froh, endlich mal flächendeckend "Internet der schnellen Geschwindigkeiten" a.k.a Breitband-Netz zu genießen. Aber da müssen wir uns noch einige Jahre gedulden.

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