Technik-Trends der Zukunft:"Sprechende Spiegel"

Ein selbstbestellender Kühlschrank und ein Handy, das den Herd ausschaltet - Science Fiction oder bald schon Realität? Zwei Forscher über Technik-Trends von morgen.

C. Dohmen

Kommunikation und IT wachsen zusammen - daraus ergeben sich neue Dienstleistungen für Menschen. Dies sagen die beiden Zukunftsforscher der Agentur Z Punkt, Andreas Neef und Ben Rodenhäuser. Sie arbeiten für Unternehmen, die wissen wollen, was für ihre Industrie in einigen Jahren Alltag sein wird.

SZ: Telekommunikation und IT wachsen zusammen. Was hat der Nutzer im Jahr 2020 davon?

Neef: Die Menschen werden mit Alltagsgegenständen kommunizieren, beispielsweise beim morgendlichen Rasieren mit dem Spiegel im Badezimmer. Außerdem kann dann jede Oberfläche als Display benutzt werden. Auf einer Schachtel Cornflakes könnte täglich ein neuer Ernährungstipp erscheinen.

SZ: Gibt es dann den lange vorhergesagten selbstbestellenden Kühlschrank?

Neef: Nein. Ich glaube, im Haushalt werden Verbraucher nur Funktionen gebrauchen, die sich unauffällig in ihr Leben einpassen. Dies wäre der Fall, wenn ein Handy von sich aus meldet, dass dessen Nutzer den Herd angelassen hat. Das entlastet Menschen und ist deswegen sinnvoll. Niemand will immer das gleiche Sortiment im Kühlschrank haben. Deswegen bleibt der selbstbestellende Kühlschrank Science-Fiction. Bessere Chancen hätte ein Service für Rezepte. Ein Kühlschrank, der seinen Inhalt kennt, könnte vorschlagen, welches Gericht man mit den vorhandenen Zutaten kochen kann.

SZ: Große Hoffnung setzen die Unternehmen in der Telekommunikation auf den Unterhaltungsbereich. Zu Recht?

Neef: Ja, die Unterhaltung wird schon heute in zunehmendem Maße digitalisiert. Künftig bezieht der Nutzer Filme, Musik oder Fotos vor allem über das Netz. Die Brüche zwischen den verschiedenen Medien werden bald verschwinden. Dies wird die Nutzung des Netzes für die Menschen einfacher machen.

SZ: Dann gibt es nur noch einen Speicher für digitale Daten?

Rodenhäuser: Alles wird in einem persönlichen virtuellen Speicher im Netz stehen. Die Endgeräte spiegeln dann je nach Bedarf Teile dieses Datenbestandes. Damit sich eine solche netzbasierte Form der Computernutzung durchsetzt, sind allerdings noch einige Sicherheitsbedenken auszuräumen - etwa gilt es, die Vertraulichkeit der eigenen Daten umfassend zu sichern. Sonst vertrauen die Leute weiterhin einem Speicher, den sie mit sich herumtragen können.

SZ: Werden Roboter im Alltag helfen?

Neef: Davon bin ich überzeugt. Die Robotik hat einen enormen Sprung gemacht. Die Technik ist viel besser und deutlich günstiger als früher. Ein großes Feld sehe ich bei Sicherheitsfragen.

SZ: Welche Anwendungen werden dort möglich?

Neef: Ganz lebenspraktische. Roboter könnten älteren Menschen zum Beispiel bei Haushaltsunfällen helfen. Anstatt hilflos wartend auf dem Boden zu liegen, könnten sie über den Roboter den Notarzt rufen. Roboter werden anstelle von Wachleuten und Hunden in der Zukunft auch große Firmengelände bewachen. Dies ist viel preiswerter.

SZ: Manch ein Auto parkt schon automatisch ein. Wann fährt es allein?

"Sprechende Spiegel"

Rodenhäuser: Ein Auto wird in Zukunft eine vollelektronische Steuerung haben, so wie heute Flugzeuge. Da ist der Autopilot nah. Die meisten Menschen werden aber nicht freiwillig darauf verzichten, selbst zu fahren. Jedoch sind neue Mobilitätskonzepte denkbar, mit teilautonomen Fahrzeugen.

SZ: Werden Menschen für Roboter ihre Selbständigkeit aufgeben?

Neef: Aufgeben sicher nicht, aber punktuell Verantwortung abgeben.

SZ: Welche Chancen gibt es für Werber?

Neef: Künftig laufen Sie vielleicht über einen Platz und sehen eine Tafel. Darauf steht: "Zur Zeit sind 2000 Menschen auf dem Platz, davon bevorzugen 80 Prozent Coca-Cola, warum Sie nicht auch?"

SZ: Wie wäre dies möglich?

Rodenhäuser: Die Anbieter von Kommunikation wissen schon heute viel über die Gewohnheiten der Handynutzer. Künftig könnten die Nutzer freiwillig weitere Angaben machen. Dafür könnten sie günstiger telefonieren und erhielten personalisierte Werbung. In Chicago arbeitet man an einer spannenden Idee. Jeder Handynutzer wird live als kleiner Punkt auf einem Stadtplan auf dem Handy dargestellt. Wo viele Punkte sind, ist offensichtlich ein gerade angesagter Treffpunkt - praktisch für Szenegänger. Wenn Menschen in ihrem Handy persönliche Eigenschaften und Vorlieben freischalten, könnten sie erfahren, wo sie gerade in der Stadt Gleichgesinnte treffen können.

SZ: Damit wird der Zugang zu Daten zum zentralen Schlüssel für den Erfolg von Unternehmen?

Neef: Ja. Die Märkte in den Industrieländern sind gesättigt. Anbieter von kombinierten Telekommunikations- und IT-Leistungen können ihren Umsatz nur noch steigern, wenn sie neue Dienste offerieren. Der Zugang zu Daten wird dabei zum marktentscheidenden Kriterium.

SZ: Welche Grenze setzt der Datenschutz?

Neef: Die Nutzer werden mit den Unternehmen aushandeln, was sie weitergeben. Die Bereitschaft dafür wächst bei den Menschen immer mehr.

SZ: Welche Techniktrends könnten sich durch die Krise verändern?

Rodenhäuser: Bisher erhalten Verbraucher, vereinfacht gesagt, etwa alle zwei Jahre einen Computer mit doppelter Leistung für den gleichen Preis. Künftig könnten sie stattdessen dieselbe Leistung für den halben Preis einfordern. Dies wäre in Zeiten einer Wirtschaftskrise interessant. Ohnehin übersteigen die gängigen Kapazitäten schon heute den Bedarf der meisten Nutzer.

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