Ein Satz reichte Steve Jobs, um Fans und Konkurrenten gleichermaßen nervös zu machen. Wenn der frühere Apple-Chef auf der Bühne "one more thing" ankündigte, löste das Vorfreude bei potenziellen Käufern und Anspannung bei anderen Tech-Firmen aus. Denn eines war klar: Gleich würde er ein Produkt präsentieren, das die Welt so noch nicht gesehen hatte.
Diese Zeiten sind lange vorbei. Die größte Überraschung der vergangenen Apple-Keynote war Shigeru Miyamoto. Der Super-Mario-Schöpfer entzückte Nintendo- und Apple-Fans, als er eine iOS-Version seines Spiels versprach. Kein Tech-Blog hatte zuvor darüber berichtet, das war eine echte Überraschung. Der Rest der Keynote dagegen entsprach exakt den Erwartungen. Nahezu jedes Detail des neuen iPhones war zuvor enthüllt worden, die Leaker hatten ganze Arbeit geleistet.
Mit diesem Schicksal ist Apple nicht alleine. Seit Monaten spekuliert das Netz über Googles neueste Smartphones. Bereits im April kursierten die internen Codenamen, nach und nach folgten Fotos, technische Details und schließlich der offizielle Name: Google beerdigt die Nexus-Reihe und nennt seine neuen Smartphones "Pixel". Doch auch ohne großen Überraschungseffekt ist das Pixel-Phone das wichtigste Stück Hardware, das Google bislang gebaut hat - und außerdem eine Kampfansage an Apple.
Wenige Sekunden reichten Google-Managerin Sabrina Ellis, um das deutlich zu machen. Schon immer sei es für die Nutzer schwer gewesen, von einem mobilen Betriebssystem zum anderen zu wechseln, sagte sie am Ende der Vorstellung. Das ändere sich nun: iPhone-Nutzer könnten alle Kontakte, Fotos, Videos, Nachrichten, Termine und sogar iMessages auf ihr Pixel übertragen, ein entsprechender Adapter liege jedem Gerät bei. Die Kamera ruhte in diesem Moment nicht auf ihrem Gesicht, doch das Grinsen war Ellis anzuhören.
Sieben Stunden Akkulaufzeit in 15 Minuten laden
Doch warum sollten Apple-Fans ihr geliebtes iPhone überhaupt gegen ein Android-Handy tauschen? Googles Hardware-Chef Rick Osterloh hat dafür mehrere Gründe genannt. Der unwichtigste sind die Details der Hardware. Prozessor (Snapdragon 821 SoC), Arbeitsspeicher (4 Gigabyte), Displaygröße (5 bzw. 5,5 Zoll) und Akku (2770 bzw. 3450 mAh) entsprechen anderen Oberklasse-Smartphones, die genauen Spezifikationen lassen sich auf der Webseite nachlesen. Ohnehin kauft 2016 kaum noch jemand ein Smartphone, weil sich die Technik auf dem Papier so überzeugend liest - entscheidend ist die Praxis.
In Sachen Hardware konzentrierte sich Google während der Vorstellung auf zwei Dinge: Dank Rapid-Charge-Funktion soll der Akku innerhalb einer Viertelstunde genug Energie tanken, um anschließend sieben Stunden durchzuhalten. Falls diese Angaben stimmen, wäre das in vielen Alltagsituationen tatsächlich eine große Erleichterung.
Ähnlich wie Apple bei der Präsentation des iPhone 7 legte Google großen Wert auf die Kamera. Glaubt man dem Ergebnis des Tests von DxO-Labs, schießt das Pixel die besten Fotos aller Smartphones auf dem Markt. 89 Punkte bedeuten den bislang höchsten Wert, das iPhone 7 etwa erreichte 86 Punkte. In der Tat sehen die Beispielfotos beeindruckend aus, insbesondere HDR+, die Video-Stabilisierung und die Geschwindigkeit der Kamera wirkten überzeugend. Um die Qualität zuverlässig zu beurteilen, sind aber eigene Tests nötig.
Der Google Assistant als Helfer in allen Lebenslagen
Google ist eine Software-Firma, und dementsprechend sind weder Akku noch Kamera die entscheidenden Argumente für das Pixel. Der Google Assistant ist nahtlos in das Smartphone integriert und soll zum nützlichen Helfer in allen Lebenslagen werden. Pizza bestellen, einen Tisch im Restaurant reservieren, einen Begriff bei Wikipedia nachschlagen, all das soll mit wenigen Klicks oder auf Wunsch auch per Sprachsteuerung funktionieren. Auf der Bühne sah das kinderleicht aus, doch wie sich die Funktion im Alltag schlägt, ist noch unklar.
Mit "Google Now" versuchte das Unternehmen in der Vergangenheit bereits, den nahezu unendlichen Wissensschatz von Googles Websuche und persönliche Daten der Nutzer - etwa Kalendereinträge, Informationen aus privaten E-Mails oder dem Browser-Verlauf - miteinander zu kombinieren und deren Leben zu vereinfachen. Der Versuch war mäßig erfolgreich. Google Now lieferte zwar durchaus brauchbare Antworten, der Durchbruch blieb aber aus.