Tech-Festival SXSW in Austin:Das perfekte Daten-Date

South by Southwest (SXSW) festival in Austin

Gebannt von der Technik: Besucher der Messe SXSW in Austin, Texas.

(Foto: dpa)

Wie menschlich darf die Maschine sein? Helfen all die schönen neuen Kommunikationstechnologien tatsächlich gegen Einsamkeit? Und wo ist in Austin bitte die beste Bar? Fragen, Visionen und Trends von der Tech-Konferenz South-by-Southwest.

Von Lutz Knappmann und Johannes Kuhn, Austin

Technologie-Messe, Klassentreffen und Mega-Konferenz: Digital-Neugierige aus aller Welt treffen sich seit Freitag zur "South by Southwest Interactive" in Austin, Texas, um über die Technologie-Entwicklungen und die Welt von morgen zu diskutieren. Wir beleuchten in den kommenden Tagen Themen und Trends der "SXSW".

Smartphone-Übertragung in alle Welt: Tech-Hipster aller Länder sind begeistert, schiebt die SXSW doch erstmals seit Längerem wieder einen größeren Hype an, an dem alle teilhaben können. Meerkat, übersetzt "Erdmännchen", ist eine Livestreaming-App für das iPhone, die an Twitter angedockt ist. Auf den Fluren übertragen Konferenz-Besucher ihre Video-Selfies live in die Welt (respektive: ihre Follower).

Das ist furchtbar langweilig, aber spannendere Nutzungsmöglichkeiten einer Verknüpfung von Echtzeit-Netzwerk und Live-Bewegtbild erschließen sich intuitiv - schließlich sind wir längst alle geübte Broadcaster unseres eigenen Lebens. Die Live-Übertragung wäre eigentlich auch eine gute Funktion für Twitter selbst. Als Reaktion auf den Hype blockiert das Unternehmen seit Freitagabend den Kontakt-Import durch Meerkat - womöglich der Anfang vom Ende. Twitter selbst hat mit Periscope vor Kurzem einen Dienst gekauft, der ähnlich funktioniert und bald starten soll. (joku)

Kommunizieren und trotzdem einsam sein: Die SXSW ist ein Wallfahrtsort für Menschen die es gewohnt sind, permanent erreichbar zu sein. Aber auch ein Ort für Menschen, die kritisch reflektieren, welche Folgen das hat. Krystine Batcho, Professorin für Psychologie am Le Moyne College in Syracuse, berichtet über Studien, denen zufolge sich Menschen umso schlechter fühlten, je länger sie sich in sozialen Medien bewegten. Denn eines kann die digitale Technologie zwar überspielen, aber nicht aufheben: tatsächliche geographische Distanz. Batcho illustriert das an einem einfachen Beispiel: "Mit jemandem zu telefonieren, ist großartig", sagt die Psychologin. "Bis zu dem Moment, in dem Sie auflegen. Dann ist es plötzlich still und Ihnen wird bewusst, dass sie tatsächlich Tausende Kilometer voneinander entfernt sind." (luk)

Reden mit netten Robotern: Wie menschlich darf die Maschine sein? Zumindest sollte sie emotional mit unserer Spezies umgehen können, sagt MIT-Professorin Cynthia Breazeal. Eine Kombination aus besserer Rechenkraft, klugen Algorithmen, Gesichts- und Spracherkennung erlaubt es Robotern inzwischen, von unseren Gesichtsausdrücken zu lernen und sie zu imitieren. In der Zukunft, so Breazeal in ihrer äußerst enthusiastischen Vision, werden Roboter Helferrollen als Fitness-Coaches für Erwachsene oder Sprachlehrer für Kinder übernehmen.

"Wir werden eine neue Art Beziehung erleben", verspricht sie in ihrem SXSW-Auftritt, "Roboter werden Menschen nicht ersetzen, sondern zu Partnern." Wir werden mit freundlichen Maschinen demnach nicht distanziert wie mit einer Maschine umgehen, aber auch nicht jene Nähe und Zärtlichkeit wie gegenüber Menschen oder Tieren entwickeln. Eine realistische Form des Tamagotchi also, das keine Aufmerksamkeit braucht - und offenbar auch noch beim Abnehmen hilft. (joku)

Nie mehr unvorbereitet mit Menschen sprechen: Google Glass ist ein Flop, doch gibt es noch Teilnehmer der SXSW, die der Datenbrille eine große Zukunft prophezeien. Eine Zukunft, in der ein allwissender Helfer auf der Nase zu jedem Menschen, der einem begegnet, die passenden Informationen parat hat. Im einen Brillenglas läuft die Gesichtserkennung - ins andere Brillenglas werden die Daten eingespiegelt. Das erinnert an Grusel-Szenarien, die Romanen wie David Eggers' "Der Cycle" oder Tom Hillenbrands Überwachungsthriller "Drohnenland" zu Bestellern gemacht haben. "In fünf Jahren wird es so weit sein", konstatiert Paul Tyma in einer Diskussionsrunde. Der Ex-Googler will davon profitieren und hat die App "Refresh" entwickelt. Sie leistet die digitale Datenrecherche - wenn auch bislang ohne Brille.

Nie mehr peinliche Small-Talk-Pausen?

Die App durchforstet die Termine, die der Nutzer in seinem digitalen Kalender stehen hat, identifiziert, mit welchen Personen er sich treffen wird. Dann analysiert sie deren Facebook-, Twitter- und sonstigen Social-Media-Profile, überprüft andere Quellen im Netz - und schickt dem Nutzer kurz vor dem Termin ein Dossier mit den wichtigsten Informationen über das Date. Nie wieder unvorbereitet in ein Gespräch gehen. Keine bösen Überraschungen mehr beim Dating. Nie mehr peinliche Small-Talk-Pausen. Und das alles automatisiert, via Smartphone. Das frisch gesammelte Wissen im Gespräch dann auch klug einzusetzen, das kann die App ihrem Nutzer nicht abnehmen. Jedenfalls noch nicht. (luk)

Kurzgeschichten statt SMS schreiben: Wenn Teenager in ihr Smartphone tippen, könnten sie gerade eine Kurzgeschichte schreiben. Jugendskeptikern explodiert bei dieser Vorstellung das Gehirn, doch den Machern der Kurzgeschichten-App Wattpad zufolge ist dies ein verbreitetes Nutzungsszenario. So schrieben beispielsweise Jugendliche in muslimischen Ländern anonym romantische Geschichten, die sie nie unter ihrem Namen veröffentlichen könnten. Doch am beliebtesten sei die "Fan Fiction", also popkulturelle Weitererzählungen, verfasst von glühenden Anhängern (das reicht vom Bestseller-Buch über die TV-Serie bis zum Bastian-Schweinsteiger-Fantasieleben). Wattpad wächst angeblich um 100 000 Nutzer pro Tag, das Geschäftsmodell steht mit Einnahmen aus gesponserten Geschichten aber auf tönernen Füßen.

Eine App-Vielfalt, die wenig hilft: It's all about the parties: Nach den Vorträgen und Workshops des Tages zieht die Tech-Gemeinde ins Nachtleben von Austin. Aber wo lohnt es sich hinzugehen? Welche Party ist besonders cool? Wo gibt es das beste Essen? Die bestens vernetzte New Yorkerin, die mit einer Gruppe von Freunden und Bekannten zusammensteht, hat es sich zur Aufgabe gemacht, das über ihre diversen Apps herauszufinden. Doch die Recherche zieht sich. Die Party-Runde wird langsam hungrig und ungeduldig.

Trotz Twitter, iMessage, Facebook Messenger und E-Mail: Wo das "Kraftwerk", die angesagte Party-Location, nun tatsächlich ist, bleibt unbeantwortet. Bis sich ein Gast einmischt: "Einen Block geradeaus, dann dann rechts abbiegen und bis über die Brücke laufen", empfiehlt er. Ganz analog. (luk)

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