Tauschbörsen im Internet:Biete Hammer, suche Fahrrad!

Lesezeit: 3 min

Einmal gekauft, zweimal benutzt, immer im Weg: Viele Dinge stehen ungenutzt im eigenen Haushalt herum, während ein anderer sie dringend bräuchte. Über Internetbörsen können Alltagsgegenstände schnell ver- und geliehen werden. Sogar Autos und Wohnungen.

Varinia Bernau

Philipp Rogge brauchte ein Fahrrad. Und in dem Münchner Hinterhof standen Tausende. Das Problem war nur: Er war neu in der Stadt und kannte niemanden in dem Mietshaus. Und hätte er wirklich alle Wohnungen abklappern sollen, um zu fragen, wer ihm ein Rad leihen würde?

Bei frents.com können Nutzer Alltagsgegenstände aus- und verleihen. (Foto: Screenshot frents.com)

Rogge, der damals noch Wirtschaft studierte, aber bereits nach Ideen für ein eigenes Unternehmen suchte, dachte sich: Über eine Plattform im Internet wäre es ein leichtes, jetzt an ein Fahrrad zu kommen. Inzwischen wohnt der 31-Jährige in Berlin und betreibt mit zwölf anderen von einem Büro in Prenzlauer Berg aus genau diese Plattform.

Frents heißt sie, eine Kombination aus friends und rent - Freunde und Miete. 13 000 Leute haben sich dort angemeldet, um die unterschiedlichsten Dinge des Alltags miteinander zu teilen. Auch Rogge borgt sich dort ab und an etwas, meist ein Werkzeug, weil er auch in dieser Stadt noch nicht lange ist.

Philipp Rogge ist das, was Soziologen als digital native bezeichnen würden: Er ist mit dem Internet aufgewachsen, Teil jener Generation, für die Technik kein Teufelswerk ist, sondern ein Helfer in allen Lebenslagen ist. Die sich nicht an Orte binden will, wo es Laptop und Internetanschluss doch ermöglichen, alles dort zu erledigen, wo es gerade passt.

Und die sich, so scheint es, auch nicht mehr an Bücher, Konsole und Sportausrüstung binden will. Warum also besitzen, wenn sie es auch ausleihen können?

Sogar die Wohnung lässt sich teilen

Der Firmengründer ist nicht allein. 50 000 Dinge stehen auf seinem Portal herum: Bücher reihen sich in ein virtuelles Regal, Kleidung hängt auf digitalen Bügeln. Und im Netz entstehen ständig neue Plattformen, die der von Rogge ähneln: Auf Tamyca.de etwa kann jeder sein Auto vermieten , wenn er es gerade nicht braucht. Den Preis bestimmt er selbst, das Portal berechnet zusätzlich pro Tag und Fahrer 7,50 Euro Gebühr - inklusive Versicherung.

Und selbst die Wohnung lässt sich inzwischen übers Netz teilen. "Wir befreien die Menschen von der Last des Besitzes", verspricht Brian Chesky, der mit Airbnb.com eine der größten Tauschbörsen für Wohnraum gegründet hat. Der Name steht für Airbed & Breakfast - Luftmatratze und Frühstück. Im vergangenen Jahr hat Chesky, 29, sein Apartment aufgegeben und sich sechs Monate lang via Airbnb dort eingemietet, wo gerade Platz war.

Konsum im Kollektiv, das klingt nach Sozialismus - und ist doch das genaue Gegenteil: Jeder kann über die Tauschbörsen zum Unternehmer werden. Leute um die 30 sind es, die sich auf seiner Plattform tummeln, sagt Rogge. "Die wollen günstig an etwas kommen. Und sie wollen mit den Sachen, die bei ihnen ohnehin nur rumstehen, noch ein bisschen Geld verdienen."

In jedem dritten Haushalt gebe es eine Spielekonsole, rechnet er vor. "Wenn ich bei Facebook mit 120 Leuten befreundet bin, kann ich also auf bis zu 40 Konsolen zugreifen." Für Hersteller und Handel sind die digital natives ein Graus: Sie wollen alles haben, aber längst nicht alles kaufen. Für diejenigen aber, die den Wandel zu nutzen verstehen, bieten sich neue Geschäfte.

Die Macher hinter Frents verdienen ihr Geld, indem sie die Nutzer auf ihrer Seite dazu bringen, das, was sie nicht ausleihen können, doch zu kaufen. Dafür kooperiert das Portal unter anderem mit dem Internetversandhandel Amazon: Wer die Krimis mit Kommissar Wallander mag, dem gefällt vielleicht auch ein anderer Roman aus der Feder von Henning Mankell? Ein einziger Klick genügt.

Frents wird an dem Umsatz beteiligt. Ähnlich läuft es bei der Wohnungstauschbörse Airbnb: Egal, ob jemand ein WG-Zimmer oder eine Fitschi-Insel in Privatbesitz anmieten will - er tauscht zunächst E-Mails und Fotos mit dem Besitzer aus. Die Miete wird bei Airbnb hinterlegt und erst am Tag nach der Ankunft an den Gastgeber weitergeleitet. Das Portal kassiert eine Provision.

In mehr als 180 Ländern bietet Airbnb inzwischen Wohnraum und ist, so beteuert Chesky, bereits profitabel. Im Silicon Valley wird das drei Jahre alte Start up hoch gehandelt. Der russische Investor Digital Sky Technologies und der Geldgeber Andreessen Horowitz sollen 100 Millionen Dollar an Chesky und seine beiden Mitgründer überwiesen haben, heißt es.

Nachahmer können gefährlich werden

Kommentieren will Chesky die Geldspritze für weiteres Wachstum nicht. Aber seine Ziele sind ambitioniert: In fünf Jahren will er sich im Lincoln Schlafzimmer, dem Gästezimmer des Weißen Hauses eingemietet haben.

Eine gute Idee wie sie Rogge und Chesky hatten, das ist im Internet keine Garantie für gute Geschäfte. Kommt eine Plattform an, dann entstehen blitzschnell zahlreiche Klone. Kürzlich hat die Wohnungstauschbörse Wimdu 90 Millionen Euro erhalten - die mit Abstand größte Finanzspritze für ein junges Internetunternehmen in Deutschland.

Hinter Wimdu stehen die Samwer-Brüder. Sie machen einen Internetdienst groß - und reichen ihn dann gewinnbringend weiter. Ihre Spezialität. Die Nachahmer, das weiß Philipp Rogge, könnten auch sein gerade recht gut angelaufenes Geschäft ganz schnell zunichte machen.

Am schlimmsten wäre es, sagt er, wenn jemand in den USA bei seiner Tauschbörse abkupfert. Er erklärt: "Bei den amerikanischen Portalen ist die Aufmerksamkeit am größten, die können einfach viel schneller wachsen"

© SZ vom 20.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: