SZ-Leitartikel:Das Ende eines Booms

Verblasster Hoffungsträger: Die Computer-Industrie ist kein Garant mehr für Wachstum und Aufschwung.

Judith Raupp

(SZ vom 11.3.2003) - Sie ist die größte Computermesse der Welt. Aber vor allem ist sie die größte Propagandamaschine für die Technologie-Industrie. Die Macher des Internets werden die Cebit in dieser Woche nutzen, um sich als Retter der deutschen Wirtschaft zu empfehlen. Von wegweisenden Zukunftstechnologien ist die Rede, von neuen Geschäftschancen. Wer sonst, wenn nicht die High-Tech-Manager, sollte die Konjunktur endlich aus dem Tief reißen können? Gerhard Schröder wird die schönen Worte gerne hören. Wie jedes Jahr wird der Bundeskanzler das Technologie-Spektakel in Hannover eröffnen und dabei, vielleicht noch mehr als früher, seine große Zuversicht für diese Industrie demonstrieren. Welch ein Triumph, könnte er bald neues Wachstum und Beschäftigung verkünden. Er hätte all jene Lügen gestraft, die ihm wirtschaftspolitisch nichts mehr zutrauen.

Doch auf die Technologie-Industrie sollte sich niemand verlassen. Die Verkäufe von Software, Computern und Handys werden in diesem Jahr keinesfalls an frühere Wachstumsraten heranreichen. Zum ersten Mal seit langer Zeit hat die Branche der Informationstechnologie und der Telekommunikation im vergangenen Jahr weniger umgesetzt und sogar Arbeitsplätze abgebaut. Die Preise sind in vielen Sparten regelrecht eingebrochen. Und 2003 wird es nicht viel besser werden. Vielleicht ziehen die Geschäfte ein bisschen an - sofern der Irakkonflikt wider Erwarten eine schnelle, friedliche Lösung fände. Doch selbst dann würde die Technologiebranche keine Initialzündung für einen Aufschwung der Gesamtwirtschaft liefern.

In den neunziger Jahren war das anders. Als die Wirtschaft damals schwächelte, haben die Unternehmen das Internet erst richtig entdeckt. Sie stellten fest, dass E-Mails Reisekosten senken, dass Online-Verbindungen zu den Lieferanten Bestellungen schneller und billiger machen. Also kauften sie Computer und Software im großen Stil. Private Konsumenten taten es ihnen gleich, und schon bald avancierte Surfen im Internet zum beliebten Freizeitvergnügen. Zur rechten Zeit kamen auch die Jahrtausendwende und der Euro, der die nationalen Währungen in Europa als Bargeld ablöste. Die gesamte Wirtschaft musste ihre Computersysteme an die neuen Jahreszahlen und das neue Abrechnungssystem anpassen. Berater und Softwareentwickler haben kräftig verdient. Tausende Arbeitsplätze sind entstanden. Hinzu kam der Handy-Boom: Innerhalb weniger Jahre kaufte sich fast jeder Erwachsene in Deutschland ein Mobiltelefon.

Und heute? Das Gros der Firmen ist vernetzt, die Handy-Euphorie ausgereizt. Statistisch gesehen besitzt bereits jeder siebte Deutsche ein Mobiltelefon. Zusatzgeschäfte wie zur Jahrtausendwende sind nicht in Sicht. Die Stimmung ist auf dem Tiefpunkt. Viele Manager sind mit der Erklärung schnell bei der Hand: Die schlechte Konjunktur ist schuld. Das stimmt, ist aber nur die halbe Wahrheit.

Die Unternehmen haben es sich auch selbst zuzuschreiben, dass ihre Produkte im Moment wenig gefragt sind. Sie haben in den vergangenen Jahren vieles auf den Markt gebracht, was für den Alltag nicht taugt, weil es zu umständlich, zu unsicher oder zu teuer ist. Online einkaufen, Internetzugang via Handy, interaktives Fernsehen - Beispiele für Flops ließen sich viele aufzählen. Sicher, es gibt auch gelungene Innovationen, etwa die Digitalkamera oder digitale Notizbücher in Taschencomputerformat. Das sind gute Ansätze. Aber gemessen an den großen Versprechen der Technologiebranche ist das zu wenig.

Nun richten sich alle Blicke auf die große Hoffnungsträgerin, die dritte Mobilfunkgeneration, bekannt unter dem Kürzel UMTS. Schon 2002 wollten die Telefongesellschaften ihre Netze einschalten, neue mobile Dienste sollten den Menschen das Leben erleichtern. Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2003, und UMTS läuft immer noch als Feldversuch. Siemens schafft es nicht einmal, zum ohnehin verschobenen Marktstart irgendwann in diesem Jahr ein eigenes UMTS-Handy anzubieten. Peinlich für den Münchner Konzern, er muss sich die Technik von der amerikanischen Konkurrenz Motorola leihen.

Und wie reagieren die Manager? Ausgerechnet sie, die sonst jegliche Intervention der Politik verteufeln, rufen nach einem staatlichen Konjunkturprogramm. Denn nichts anderes ist es, wenn führende Branchenvertreter verlangen, der Staat möge einen Teil der Lizenzeinnahmen, die er bei der UMTS-Versteigerung eingenommen hat, für die Förderung dieser Technologie einsetzen. Der Branchen- und Lobbyverband Bitkom setzt noch eins obendrauf. Er fordert unter dem Stichwort E-Government, die Regierung solle endlich die Behörden vernetzen und zudem eine chipbasierte Gesundheitskarte für die Bundesbürger einführen. Auch das ist nichts anderes als der wenig einfallsreiche Schrei nach staatlicher Auftragsbelebung. Mit kreativem Unternehmertum hat das nichts zu tun. Eher fallen die Manager derzeit durch publizitätswirksames Klagen über die Politik und die Standortbedingungen in der deutschen Wirtschaft auf.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: