SXSW-Festival 2013 in Austin:Mekka der Nerds

Inside the SXSW Interactive Conference

Lauschen den Tech-Enthusiasten: Besucher des SXSW-Festivals in Texas.

(Foto: Bloomberg)

Für jedes Problem gibt es eine App: Beim South-by-Southwest-Festival in Texas trifft sich die Netzavantgarde - und feiert Tech-Enthusiasten wie Elon Musk, die sich nicht an eigene Fehler erinnern können.

Von Matthias Kolb, Austin

Lee Leffingwell blickt zufrieden in den dunklen Saal. Der Bürgermeister von Austin hat eigentlich die Aufgabe, den ehemaligen Vizepräsidenten Al Gore vorzustellen, doch er hat noch eine andere Botschaft. "South by Southwest fing 1986 als Musikfestival an, da haben alte Männer Country gespielt", ruft der Demokrat der Menge zu. 2012, strahlt Leffingwell, seien bis zu 300.000 Besucher nach Austin gekommen, was der Stadt und der lokalen Wirtschaft 200 Millionen Dollar Einnahmen brachte.

Ein Vierteljahrhundert nach der Premiere ist SXSW um eine riesige Filmsektion erweitert und beim Musikfestival werden ab Mittwoch Dave Grohl, Depeche Mode und Hunderte Bands und DJs erwartet. Doch es ist der Interactive-Teil, der den Ruf des Festivals prägt und weshalb die Netzavantgarde nach Austin pilgert. Hier begann 2007 der Siegeszug von Twitter, zwei Jahre später wurde Foursquare zum großen Ding und 2013 belagern 27.000 Besucher den Riesen-Kasten des Austin Convention Center.

SXSW ist eine Mischung aus Technik-Messe, Klassentreffen und Mega-Konferenz, bei dem alle ständig netzwerken und möglichst unauffällig auf das Namensschild linsen, das dem Gegenüber vor dem Bauch baumelt. Jede Steckdose nutzen die Hipster, leicht an Bart und Tattoos zu erkennen, um Smartphones und Tablets aufzuladen. Kaum jemand blättert in den dicken Programmheften, denn schließlich lässt sich der eigene Tag digital planen - und niemand kann es schaffen, alle interessanten oder skurrilen Veranstaltungen zu besuchen, die parallel an zwölf Orten stattfinden.

Internet der Dinge, Big Data, 3-D-Druck

Während Al Gore über sein neues Sachbuch "The Future" redet, geht es andernorts um die "Zukunft der Pornographie" oder um "Comedy Tech. How funny things shape our future". Journalisten von AP berichten über Twittern in Nordkorea und am Freitag wurde auf bewegende Art an Aaron Swartz erinnert - jenen 26-jährigen Hacker, der sich im Januar das Leben nahm und den die US-Behörden anklagt hatten, weil er Unmengen von Daten online gestellt hatte.

Stichwort Urheberrecht: Per Skype wird sich auch der Deutsch-Finne Kim Schmitz von Neuseeland aus zu Wort melden, um über seine Firmen Megaupload und Mega sowie seine Sicht auf Copyright zu sprechen. Das FBI wirft ihm ja bekanntlich vor, der Filmindustrie einen Schaden einer halben Milliarde Dollar beigefügt zu haben und fordert die Auslieferung in die USA, wo ihm eine lange Haftstrafe droht.

Als Trends gelten 2013 das Internet der Dinge, Big Data sowie die - womöglich - revolutionäre Technik des 3-D-Drucks (Details in diesem SZ-Text). Laut New York Times steht Hardware mehr im Zentrum als sonst: So stellt etwa Julie Uhrman von Ouya ihre Spielkonsole vor, die sie per Crowdfunding finanziert hat. Daneben gibt es zahlreiche Seminare und Meetings zum Meinungsaustausch, etwa wie Hacker Kommunen und Behörden helfen können - etwa für einen reibungslosen Ablauf von Wahlen oder die Organisation von Grippe-Impfungen.

Doch ein unzerstörbarer Gedanke zieht sich durch die ersten beiden Tage: Es gibt keinen Bereich des Lebens oder des Alltags, der sich nicht durch Technik verbessern ließe. Al Gore ist überzeugt, dass dank Twitter und den Möglichkeiten des Internets das dysfunktionale demokratische System in Amerika reparieren und der Klimawandel eindämmen lässt. Und den Berufsoptimisten und Tech-Enthusiasten Elon Musk und Chris Anderson sind Zweifel sowie so fremd.

Anderson, einst Chefredakteur des Magazins Wired, interviewt den 41-jährigen Musk im Rahmen des sogenannten keynote-Vortrags. Der 41-jährige Südafrikaner, der einst mit Peter Thiel und David Sacks PayPal gründete und so zum Milliardär wurde, will nicht weniger als drei Industrien gleichzeitig erneuern. Mit Tesla versucht er, den Markt für Elektrofahrzeuge zu vergrößern und mit SolarCity will er erneuerbare Energien voran bringen. Hochwertige Kollektoren herzustellen, sei nicht das Problem, meint Musk, dessen Firma der größte Anbieter in den USA ist. Die Herausforderung liege darin, die Kollektoren so gut wie möglich auf dem Dach anzubringen: "Das ist sehr schwierige, unglamouröse Arbeit. Doch ohne die geht es nicht."

"Bildung muss wie ein Videospiel sein"

Mehr Glamour hat Musks dritte Firma SpaceX, die private Raumfahrtflüge durchführt. Er will in Texas einen dritten Raumfahrtbahnhof bauen und arbeite gerade daran, Raketen mehrfach einsetzen zu können. "Es ist wie bei Flugzeugen: Der Treibstoff ist nicht teuer, aber das Gerät", erklärt er und spielt ein Video vor. Darin startet eine Rakete ("zehn Stockwerke hoch"), steigt in die Luft empor und landet wieder. Unterlegt ist der Streifen mit "Ring of Fire" von Johnny Cash und Musk weiß, wie er sein Publikum umschmeichelt: "Der Test ist keine zwei Tage her, diese Bilder hat außer dem Videoredakteur vor euch niemand sonst auf der Welt gesehen."

Wenn man Raketen mehrfach einsetzen könnte, würde dies die Kosten dramatisch senken, hofft Musk. Er gibt ehrgeizige Ziele vor: "Wenn ich es nicht mehr miterlebe, dass Menschen auf dem Mars landen, dann wäre ich sehr enttäuscht. Wir müssen das schaffen - auch um weiter existieren zu können." Musk verhehlt nicht, dass er selbst gern der erste Mensch auf dem roten Planeten wäre.

Wie er als Chef dreier Firmen denn sein Arbeitspensum schaffe, will Anderson von dem fünffachen Vater wissen. Er habe sehr viel zu tun, gibt Musk zu, aber per Smartphone könne er Emails schreiben, während er Zeit mit seinen Kindern verbringe. Hier wird Anderson das einzige Mal kritisch: "Ich mache das nicht, denn es ist weder gut für die Kinder noch für die Emails." In der Fragerunde will ein Besucher wissen, was Musk vom Schulsystem halte. "Bildung muss wie ein Videospiel sein, spannend, interaktiv und mit der eigenen Geschwindigkeit für jeden", philosophiert der Weltraum-Pionier. Heute erhielten die Kinder leider Fließband-Bildung.

"Es zählt nicht nur das Gehirn"

Die letzte Frage ist simpel und trifft Elon Musk dennoch unvorbereitet: "Was ist der größte Fehler, den Sie je gemacht haben?" Er schweigt, überlegt und stammelt, er wisse gar nicht, welcher seiner Fehler der größte gewesen sei, denn eigentlich habe alles für ihn immer gut geendet. Endlich fällt ihm etwas ein: "Ich habe viele Leute nur nach ihrem Talent beurteilt und nicht nach ihrer Persönlichkeit. Es ist wichtig, wenn jemand das Herz am rechten Fleck hat. Es zählt nicht nur das Gehirn."

Als Musk und Anderson die Bühne verlassen, hat es in Austin aufgehört zu regnen, so dass viele Besucher nach und in die Bars und Restaurants strömen. Während sich Taxifahrer, Hotelketten und Bürgermeister Leffingwell über den Ansturm freuen, ist manchem Beobachter das Wachstum nicht geheuer. Je mehr Leute zum South by Southwest kommen, umso schwerer werde es für Start-up-Gründer und Investoren, mit einander ins Gespräch zu kommen, meint etwa das Wall Street Journal.

Wo früher nur Trendsetter unterwegs gewesen seien, werde heute eine "Mainstream-Gala" geboten, lautet die Klage. Manch ein Gründer suche nach anderen Gelegenheiten, Finanziers zu kontaktieren. Paige Craig, ein Investor aus Los Angeles, hält dagegen: In der Menge würden sich die besten und enthusiastischsten Leute durchsetzen, sagte Craig dem Wall Street Journal. Und natürlich sollen Start-up-Leute weiterhin an die Finanziers in Austin herantreten: "Das ist wie abends beim Weggehen in einer Bar: Wenn du das Mädchen gar nicht anspricht, ist ihre Antwort immer 'Nein'."

Der Autor twittert unter @matikolb und berichtet in den kommenden Tagen für Süddeutsche.de vom South by Southwest Festival in Austin.

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